01.12.2014

Avery Fisher Hall

Verkehrte Welt:Die „Berliner Zeitung“ meldet, daß die Konzerthalle, die unter dem Namen
„Avery Fisher Hall“ die Heimat der New Yorker Philharmoniker ist, sich von
diesem Namen freikauft. Man bezahlt an die Familie des 1994 verstorbenen Avery
Fisher (ein Radiotechnikunternehmer, der in den 60er Jahren die Akustik des
Konzertsaals verbessert und für das Orchester später 10,5 Millionen Dollar
gespendet hatte, weswegen 1973 die Halle nach ihm benannt wurde) 15 Millionen
Dollar für den Verzicht auf das Namensrecht.

01.12.2014

Potsdam

Geschichtsstunde in der „taz“:„Potsdam hat
berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht, darunter Friedrich den Großen,
Wilhelm von Humboldt und Voltaire.“

01.12.2014

Kanzlerin & Die Toten Hosen

Kanzlerin-Pop.Wir erinnern uns: Am Abend der letzten Bundestagswahl hatte sich die
CDU-Spitze im Konrad-Adenauer-Haus versammelt und den Sieg auf Initiative von
Volker Kauder mit einem Song der „Toten Hosen“ gefeiert. Der
CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende sang, „Ursula
von der Leyen tanzte, Merkel strahlte und klatschte im Rhythmus und ließ sich
sogar hin und wieder dazu hinreißen, die Lippen zum Refrain zu bewegen: ‚An
Tagen wie diesen’“, berichtet „SPON“.

Andreas Frege, der Sänger der Schlagerrockband, der sich im Pop-Alltagsleben
nach einem Fruchtbonbon benannt hat, erhielt laut „SPON“ wenige Tage nach der
Wahl einen Anruf der Kanzlerin.„Herr
Campino, ich rufe an, weil wir letzten Sonntag so auf Ihrem Lied
herumgetrampelt sind", sagte Merkel demnach zu Frege. „In dem Telefonat gestand Merkel demnach,
dass sie das Lied ‚sehr schön’ finde“, berichtet „SPON“ weiter. „Campino aber
solle ich keine Sorgen machen, es würde nicht ‚die nächste CDU-Hymne werden’.
Die Kanzlerin rechtfertigte sich, dass die Toten Hosen die Nutzung des Liedes
zwar für Wahlkampfveranstaltungen, nicht aber für Siegesfeiern ausgeschlossen
hätten.“„Wir
empfinden es als unanständig und unkorrekt, dass unsere Musik auf politischen
Wahlkampfveranstaltungen läuft", hatten die Toten Hosen während des
Wahlkampfs mitgeteilt.Ob der "Herr Campino" sich jemals darüber Gedanken gemacht hat, was es über
seine Schlager aussagt, wenn sie ohne Weiteres vom CDU-Führungspersonal
angestimmt werden können, ist nicht überliefert.

01.12.2014

Wahlen in der Ostukraine und deutsche Medien

„Noch
während die Stimmauszählung läuft, werden die Separatistenführer in der
Ostukraine zu Siegern erklärt“, berichtet ein Stefan Scholl unter
der Überschrift „Für den Anschein der
Legitimation“ in der „Berliner Zeitung“ über die Wahlen in den
ostukrainischen Separatistenrepubliken. Und was er sagen will, ist klar: Die
zählen doch noch die Stimmen aus, während sie schon Sieger küren, muß also
alles illegal sein dort!

Nur, leider: ich habe in den letzten Jahrzehnten in der
Bundesrepublik Deutschland keine einzige Bundestags- oder Landtagswahl erlebt,
bei der in den Medien, allen voran im Staatsfernsehen, nicht zwischen 18.00 und
18.30 Uhr bereits Sieger und Verlierer ausgerufen worden wären. Also zu einem
Zeitpunkt, da die Stimmenauszählung gerade einmal begonnen hat. Haben Wahlen
hierzulande also nur „den Anschein der Legitimation“? Alles gefaked?Manchmal schadet es nicht, kurz nachzudenken, bevor man
die längst gefaßte Meinung im Brustton der Überzeugung herausposaunt.Ach ja, im sozusagen Kleingedruckten, im allerletzten
Absatz des Artikels, steht dann das Dementi der Propaganda-Überschriften: „Tatsächlich wirkt die Prozedur in den
Wahllokalen diszipliniert. Meldungen über Verstöße gibt es nicht.“

01.12.2014

Xavier Naidoo hat nicht alle am Christbaum II

Wir wollen ja jetzt nicht den reaktionären Christen-Popper
Xavier Naidoo zum Faktotum dieses Blogs hochjazzen – aber ein Letztes
noch: Wer dieser Tage überrascht tut angesichts der rechtsaußen-Äußerungen des
Herrn Naidoo, darf an ein Interview erinnert werden, das Peter von Stahl
bereits 1999 für den „Musikexpress“ mit Naidoo führte. Darin zeigt Xavier
Naidoo, daß er schon immer durchgeknallt, größenwahnsinnig und reaktionär war –
warum z.B. die „Musikstadt Mannheim“ jetzt so tut, als ob sie von all dem
vollkommen überrascht sei, bleibt angesichts dieses Interviews ein Rätsel:

„Ich setze
meine Musik als legale Waffe ein. Meine rechte Hand schreibt meine Texte - und
die sind gesalzen. Ich habe etliche Texte noch nicht veröffentlicht, weil ich
weiß, daß sie zu kraß rübergekommen wären (...) Ich habe ein Lied geschrieben,
das "Atlantis ist Amerika" heißt. Darin will ich erklären, was ich
konkret aus der Bibel herauslesen kann: Amerika geht unter. (...)

Babylon ist
überall. Aber Amerika und Tokio sind ganz oben auf der Abschußliste. (...)

Ich denke,
daß uns viele Sachen wegbrechen werden: Das Geld, Inflation, Börsencrash.
Amerika wird eine Naturkatastrophe nach der anderen bekommen. Da nützt ihnen
auch ihr unglaublicher Reichtum nichts. (...) Man hat entdeckt, daß das
Armageddon 1992 begann. Davon bin auch ich überzeugt. Denn das war das Jahr, in
dem ich erstmals in der Bibel las. (...)

Ich glaube
nicht, daß die Greenwich-Zeit die richtige Zeit ist, daß die Zeitzonen rechtens
sind. Warum steht nirgendwo in der Bibel, daß der Mond auch tagsüber geschienen
hat. Ich könnte genauso behaupten: Wir haben es so toll getrieben, daß nun der
Mond sogar tagsüber scheint. In der Bibel steht, daß in unseren Tagen die Sonne
rot untergehen wird. Früher ist die Sonne nicht rot untergegangen. (...)

In der Bibel
steht auch: Wenn dir im Krieg irgendwo eine Frau gefällt, dann nimm' sie mit.
Dann muß sie halt einen Monat lang außer Haus
schlafen. (...)

Mir ist Gott und
danach der Mensch als seine Schöpfung heilig. Und bevor ich irgendwelchen
Tieren oder Ausländern Gutes tue, agiere ich lieber für Mannheim.Frage: Sieh an: Xavier, der Rassist?Ja. Aber ein
Rassist ohne Ansehen der Hautfarbe. (...)Ich bin stolz,
ein Deutscher zu sein. Und als Schwarzer kann ich das ohne irgendwelche
Hintergedanken sagen. (...)

Noch
wichtiger ist, daß der Sabbat nicht mehr heilig ist. Alle Welt - außer den
Juden - feiert ihn am Sonntag, aber es ist der Samstag. Wie konnte das
verrutschen? Wie konnte man den Tag verlegen? Wenn Gott den Samstag wollte,
soll man auch den Samstag ehren. Er will doch nicht vieles. Wenn unsere Bänder
am Samstag statt am Sonntag stillstehen würden, dann - das schwör' ich dir -
würde auf einmal ruck zuck alles besser werden.“

Doch ein Künstler kann noch so durchgeknallt sein, die
Indies werden ihn auszeichnen: Der Dachverband der unabhängigen
Musikunternehmen Europas, Impala, hat im November 2014  einen von nur vier Impala-Platin-Sales-Awards
an Xavier Naidoo für „Danke fürs Zuhören“ verliehen. Alles Indie, oder was?

01.12.2014

Merkel & Gabriel bei den Unternehmern

Unter dem Titel „Die
Kunst der Umarmung“ berichtet die „Berliner Zeitung“ vom „Deutschen
Arbeitgebertag“ und teilt im Untertitel mit:„Merkel
und Gabriel sprechen vor Vertretern der Wirtschaft und vermeiden dabei jegliche
Konfrontation.“Überraschung!

01.12.2014

Lokführerstreik und Gewerkschaften

Beim Streik der Lokführer ließen sich einige Phänomene des
Denkens der Deutschen, vor allem aber ihrer Medien besonders gut beobachten.

Zunächst:
nur versteckt und in abgelegenen Periodika konnte man den Hintergrund zur
Geschichte der beiden Gewerkschaften EVG (die dem DGB angehört) und der
Lokführergewerkschaft GDL lesen. Denn während die GDL auf eine fast hundertjährige
Geschichte zurückblicken kann – sie wurde 1919 gegründet, nachdem die Weimarer
Verfassung endlich auch Beamten die Koalitionsfreiheit einräumte –, hat die EVG
und ihre Vorgängerin Transnet alles andere als eine ruhmreiche Geschichte. Denn
die DGB-Gewerkschaft Transnet um ihren Vorsitzenden Norbert Hansen (SPD)
kämpfte zwar „geschlossen Seit’ an Seit’“, aber nicht etwa mit den
ArbeitnehmerInnen oder den BürgerInnen, sondern mit dem damaligen Bahnchef
Hartmut Mehdorn, und zwar für die Privatisierung der damaligen Bundesbahn. Daß
eine Gewerkschaft wie die Transnet zu den führenden Propagandistinnen einer
Teil- bzw. einer Kapitalprivatisierung der Bahn zählte, ist so wohl auch nur in
Deutschland möglich. Und auch sonst waren Hansen und Transnet, wie Jens Berger
auf den „Nachdenkseiten“ ausführlich beschreibt, „eher Vertreter der Arbeitgeberseite und setzten sich geflissentlich
über die Interessen der Arbeitnehmer hinweg. Transnet ist beispielsweise dafür
mitverantwortlich, daß die Deutsche Bahn systematisch Leiharbeiter als
Lokführer einstellen konnte“ – erst Jahre später konnte die GDL durch ihre
Streiks dieses Geschenk von Transnet an Bahnchef Mehdorn revidieren. Und 2007
kam es zum großen Zusammenstoß von Transnet und GDL, nachdem Transnet “einen Tarifvertrag mit der Deutschen Bahn
unterzeichnete, der es der Bahn gestattete, über fragwürdige
Vertragsbedingungen neue Lokführer zu Stundenlöhnen von 7,50 Euro einzustellen.
Nicht die „Lokführergewerkschaft“, sondern Transnet war laut Vertrag für diese
„Lokführer zweiter Klasse“ verantwortlich, die formaljuristisch als
„Mitarbeiter mit eisenbahnspezifischer Ausrichtung“ bezeichnet wurden.“

Der
ehemalige „Arbeiterführer“ Norbert Hansen saß kurz darauf übrigens dort, wo er
schon immer qua Handlung hingehört hat: Der Gewerkschaftsvorsitzende wechselte
ohne jegliche Übergangszeit mit fliegenden Fahnen die Seiten und wurde Mitglied
just im Vorstand der Deutschen Bahn AG, für deren Privatisierung er sich als
Gewerkschaftsboß so stark gemacht hatte, und zwar als Arbeitsdirektor. „Für
die nicht einmal zwei Jahre, die er dann im Vorstand der Deutschen Bahn AG
verbrachte, überwies ihm das Staatsunternehmen inkl. Abfindung stolze 3,3
Millionen Euro.“

Das lief alles wie geschmiert. Wer hat uns verraten?
Genau.

Daß die Medien sich beim Lokführerstreik so eindeutig auf
die Seite der Arbeitgeber geschlagen haben, von der Blödzeitung bis zu den
Edelfedern der „Süddeutschen“ – wen wunderts, was will man erwarten. Und daß
die Bevölkerung dann das nachplappert, was die Medien vorgeben – nebbich. Wenn
Arbeitgeber und Manager Personal abbauen, steigen die Aktienkurse. Wenn dagegen
die Abhängigen für ihre Interessen kämpfen, wenn sie sich gegen die
allgegenwärtige ökonomische Erpressung wehren, herrscht Empörung – wie können
die nur! So sind die Zeiten.

Das Verhalten einiger Medien beim Lokführerstreik war
allerdings besonders eklig, da haben einige ihre wahre Fratze gezeigt. Etwa der
Kölner „Express“ („Die GDL läuft Amok“)
und die Blödzeitung („Lokführer laufen
Amok“) – da wurde keine Sekunde darüber nachgedacht, was Amokläufe wirklich
sind, denn die Lokführer haben natürlich keineswegs Menschen ermordet, wie die
Amokläufer z.B. in Winnenden oder auf der Insel Utoya, sondern von ihrem
verfassungsgemäßen Grundrecht Gebrauch gemacht. Dagegen wurde die Jagd auf den
Vorsitzenden der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, eröffnet, der tagelang
als eine Art durchgeknallter Lokführerkönig dargestellt wurde, dem quasi der
Untergang des Abendlandes zu verdanken sei. Und folgerichtig startete die Springerpresse,
die so etwas in den 60er Jahren ja schon einmal erfolgreich in Sachen Rudi
Dutschke durchexerziert hatte, ihre ganz besondere Hetzjagd auf den
Gewerkschaftsvorsitzenden und veröffentlichte via „Bild“, „B.Z.“ und „Bild.de“
am 5.11.2014 die Telefonnummer seines Büros. Und „Focus Online“ veröffentlicht
am selben Tag ein Foto des Mehrfamilienhauses, in dem Weselsky wohnt, nicht,
ohne die Gegend zu beschreiben und ein Foto der Eingangstür mit Hausnummer zu
zeigen. „So versteckt lebt Deutschlands oberster
Streikführer“, raunt „Focus Online“ und redet von einem „geheimen Rückzugsort“, wo er sich „wie ein vorverurteilter Verdächtigter“
fühlen müsse...

Auch die sogenannten seriösen Medien greifen im Gefolge zu
Begriffen des Vulgärjournalismus, erklären Weselsky zum „Staatsfeind Nr. 1“
oder lassen, wie das Staatsfernsehen, überforderte Moderatorinnen darüber
plappern, daß „in diesen Monaten die
Deutsche Bahn berät, ob es nicht vielleicht doch möglich ist, diesen Streik
noch juristisch zu stoppen, irgendwie“ (ARD), während natürlich nicht die
Deutsche Bahn, sondern das Arbeitsgericht Frankfurt tagte, um über die
Rechtmäßigkeit des Streiks zu entscheiden. Aber was soll eine Texte-Aufsagerin
im Staatsfernsehen schon von den Grundfesten des Rechtsstaats verstehen.

Da ist es dann nicht mehr weit bis zu den Edelfedern der
„Süddeutschen Zeitung“. Im Leitkommentar der Ausgabe vom 5.11. erklärt uns eine
Daniela Kuhr unter dem Titel „Die Rechthaber“, daß man Grundrechte doch wohl
nur bis zu einem gewissen Grad in Anspruch nehmen dürfe: „Man sollte mit Rechten verantwortungsvoll umgehen. Wer das nicht
macht, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Gesetzgeber auf die Idee kommt,
diese Rechte eines Tages zu beschneiden.“ Oder, in anderen Worten: Wer von einem
Grundrecht tatsächlich Gebrauch macht, das, wenn es nach den süddeutschen
Qualitätsjournalisten geht, wohl doch nicht mal das Papier wert ist, auf dem es
steht, der sorgt logischerweise dafür, daß dieses Recht revidiert wird.
Ungefähr so haben wir uns den Rechtsstaat schon immer vorgestellt. Mit Betonung
auf rechts.

11.11.2014

Techno-Marusha und Politik-Angela

Techno goes
Leistungsgesellschaft & Kanzlerin – aus einem Interview in der „Welt“
(Hervorhebungen BS):

„Die Welt: Ist
die Kanzlerin cool?Marusha: Sie ist kontrolliert. Dass sie sich nie bei Popkonzerten zeigt
wie andere Politiker, finde ich super. Dafür
lässt sie beim Fußball ihren Gefühlen freien Lauf und zeigt der Welt, dass die
Deutschen sich auch mal gehen lassen können.Die Welt: War
das nicht schon die Botschaft der Techno-Bewegung?Marusha: Sicher. Aber vor allem zählte da nicht, wo du herkamst und wer
du warst, sondern, was du gemacht hast.
Deine Leistung und dein Produkt. Es ging um ein freies und humanes Leben.
Um es mit Goethe zu sagen, meinem Lieblingsschriftsteller: ‚Wo Leben sich des
Lebens freut/ Dann ist Vergangenheit beständig/ Das Künftige voraus lebendig/
Der Augenblick ist Ewigkeit.’“

01.11.2014

Rußlands Kampfjets & Westliche Rüstungskonzerne

"...außerhalb des Hoheitsgebietes der Nato drehen russische Kampfjets ihre Runden - und die Nato versetzt uns in emotionale Alarmbereitschaft. Zeitgleich buhlen ein US-Rüstungskonzern und die Airbus Group um einen Milliardenauftrag der Bundeswehr für ein neues Luftabwehrsystem, das Kampfjets vom Himmel holen soll. Es gibt Zufälle, die sind so zufällig, das sie auffällig sind."(Gabor Steingart, Handelsblatt Morning Briefing, 31.10.2014)

01.11.2014

Rock am Ring vs. Grüne Hölle

Wenn das Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie behauptet, etwas
sei „ein Thema, das die Branche weiter in
Atem hält“, kann man sicher sein, daß in Sechuan gerade ein Sack Reis
umgefallen ist. Sie ahnen es - die Rede ist vom „Festivalkrieg“, den sich nach
hiesiger Narration Marek Lieberberg und Ossy Hoppe um „Rock am Ring“ und das
ganze Drumherum liefern. Ich kenne ehrlich gesagt niemanden in der „Branche“,
der deswegen den Atem anhalten oder dem Ganzen sonstwie eine besondere
Bedeutung beimessen würde (mal jenseits der Tatsache, über die bisher gar nicht
berichtet wird, nämlich, daß die schwelende Auseinandersetzung um die eventuell
zwei Festivals dazu führt, daß etliche Festivals und Konzertreihen auf
mittlerem und kleinerem Niveau nach wie vor ohne Bestätigung ihrer Headliner
dastehen, weil die meisten Bands immer noch hoffen, von den fetten Gagen der
sich überbietenden Großfestivals etwas abzubekommen...). Denn es geht hier natürlich
einfach nur um wirtschaftliche Interessen, um Profit. „It’s the economy,
stupid!“Die CTS Eventim AG, der drittgrößte Konzertveranstalter der Welt und der
zweitgrößte Ticketingkonzern der Welt, hält 100% an Marek Lieberbergs Konzertagentur.
Der CTS Eventim-Konzern verkauft nicht nur geschätzte 80% aller Pop- und
Rock-Tickets hierzulande (und kann als Quasi-Monopolist die beträchtlichen
Zusatzgebühren, die die Tickets für die Fans so teuer machen, ungehemmt
diktieren), sondern ist auch an geschätzt 16 der 20 größten deutschen Festivals
beteiligt oder veranstaltet sie via seiner Tochterfirmen komplett selber. Ein
einträgliches Geschäft.Die DEAG (Deutsche Entertainment AG) ist ein anderer Großkonzern im
Konzertgeschäft, hauptsächlich im sogenannten „Family Entertainment“ und in der
„populären“ Klassik (von Lang Lang bis David Garrett) zugange (Geiger Garrett
hält laut Wikipedia übrigens 3% der DEAG-Aktien) und versucht nun, ins
profitträchtige Rock-Festivalgeschäft einzusteigen und auf dem Nürburgring ein
Nachfolgefestival zu Marek Lieberbergs legendärem „Rock am Ring“ (das dieser
unter diesem Namen andernorts weiterbetreiben wird) sowie dem Vernehmen nach in
München ein Großfestival auf die Beine zu stellen. Bisher (Stand 28.10.2014)
erfolglos. Während Lieberberg, der größte und bedeutendste deutsche
Konzertveranstalter, längst mit seinen Zwillingsfestivals „Rock am Ring“ und
„Rock im Park“ und einem gewohnt starken Line-Up im Vorverkauf ist, hört man von
der „Grünen Hölle“ der DEAG – nichts. Außer starken Worten ihres
Vorstandsvorsitzenden Schwenkow im Interview mit dem Vereinsblättchen der
deutschen Musikindustrie, denen bisher aber keine Taten folgen. Kein Wunder –
die attraktivsten Headliner sind längst vom Markt und spielen bei Lieberbergs
Festival, neben den einschlägigen deutschen Großbands u.a. auch der vermutlich
heißeste internationale Headliner der Festivalsaison 2015, die Foo Fighters
(das traditionsreiche belgische Rock Werchter-Festival hat sogar das erste Mal
in seiner über 30jährigen Geschichte seinen Termin kurzfristig vorverlegt, um
die Foo Fighters präsentieren zu können... die Künstler haben eben die Macht!).
Könnte sein, daß die DEAG und ihr Vasall es noch bereuen werden, die
Finanzschwierigkeiten bei Capricorn nicht zum ehrenhaften Ausstieg aus ihrem
Nürburgring-Projekt genutzt zu haben. Denn die letzten Wochen war den Medien zu
entnehmen, daß der Käufer des Nürburgrings, der Düsseldorfer Autozulieferer
Capricorn, wirtschaftlich ins Schlingern geraten sein soll und den Kauf des
Nürburgrings wohl „nur mit Mühe
bewältigen kann“ („Rhein-Zeitung“). Und das Verkaufsverfahren des
Skandalprojekts der SPD-geführten Landesregierung soll auch nicht ganz astrein
verlaufen sein – der Verkauf ist jedenfalls noch lange nicht rechtsgültig,
einige unterlegene Bieter planen laut „Rhein-Zeitung“, das Verkaufsverfahren
vor der „europäischen Gerichtsbarkeit
anzufechten“. Ein echter Wirtschaftskrimi also, in dem man viel über
deutsche Politik, Großkonzerne und das zahnlose deutsche Kartellrecht lernen
kann. Das, was das Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie darüber
berichtet, etwa die Auseinandersetzung um die Namensrechte (die natürlich, so
wie es die Gerichte auch entschieden haben, dem zugefallen sind, der die Arbeit
gemacht und das Festival seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben hat, und nicht
demjenigen, der bloß das Gelände gekauft hat) ist allerdings eben nur, daß in
Sechuan... na, Sie wissen schon.

01.11.2014

CTS-Schulenberg kriminell?

Wenn Sie sich fragen, wie man in 17 Jahren zum Dollar-Milliardär werden
kann wie der Vorstandsvorsitzende der CTS Eventim AG, Klaus-Peter Schulenberg,
der 1996 CTS kaufte und 2013 von Forbes als einer der nur 1.426
„Dollar-Milliardäre“ dieser Welt geführt wurde, und wenn Sie vermuten, dabei
könne eventuell nicht alles mit rechten Dingen... nun ja.Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt jedenfalls bereits seit Jahren
gegen den Vorstandsvorsitzen des CTS Eventim-Konzerns. „Klaus Peter Schulenberg, Vorstandsvorsitzenden
von CTS Eventim, sowie der ehemalige DFB-Manager Willi Behr sollen im Vorfeld
der Fußball-WM 2006 52.000 Tickets auf dem Schwarzmarkt platziert und sich
selbst auf diesem Wege mit Millionenbeträgen bereichert haben“, faßt der „Musikmarkt“ einen Bericht
der „Welt am Sonntag“ zusammen. Laut neuen Informationen und Unterlagen, die
der „Welt am Sonntag“ vorliegen, soll „Schulenberg den damaligen Ticketchef für die Fußball-WM, Behr,
bestochen“ haben. „Dieser sollte sich
im Organisationsteam dafür einsetzen, daß CTS Eventim den Zuschlag für den
Vertrieb der drei Millionen Eintrittskarten im Wert von rund 270 Millionen Euro
erhält. Wie die Zeitung berichte, deute allerdings einiges darauf hin, dass
Behr das CTS-Eventim-Angebot für die Ausschreibung zuvor sogar selbst
formuliert hatte. Eventim habe daraufhin im Sommer 2004 den Zuschlag erhalten“,
berichtet der „Musikmarkt“. Das ist der Teil des miesen Geschäfts, über den
bereits seit Jahren gesprochen wird.Hinzu kommt aber ein neuer Vorwurf, der sich aus den Unterlagen, die der
„Welt am Sonntag“ vorliegen, ergibt und der, wenn er sich als wahr
herausstellen sollte, eine ungeheure Dreistigkeit darstellen würde: Es geht um
den Wiederverkauf von WM-Tickets. „So
soll Behr zum Dank für seine Dienste von CTS Eventim ein 500.000-Euro-Darlehen
zu günstigen Konditionen erhalten haben – ohne Zinsen, Sicherheiten und
geregelte Rückzahlungsverpflichtung. Die E-Mails lassen vermuten, dass schon
Geld floss, bevor Behr den Darlehensvertrag überhaupt unterzeichnet hatte. Im
Gegenzug habe Behr CTS Eventim Zugriff auf 52.000 unverkaufte Tickets
verschafft, die ursprünglich für Verbände und Sponsoren vorgesehen waren und in
den normalen Verkauf hätten kommen müssen (...) Die 52.000 WM-Tickets seien
dann über die Firma Firma O&P Event Marketing aus München mit 329 Prozent
Aufschlag an Schwarzmarktfirmen verkauft worden. Die O&P verkaufte die
Karten mit einem durchschnittlichen Aufschlag von 329 Prozent weiter und
erzielte dabei einen Gewinn von zwölf Millionen Euro. Dieser soll teilweise
über Schein-Beraterverträge zurück an den Bremer Unternehmer und einen Partner
geflossen sein. Wie die Zeitung weiter schreibt, verblieb den Ermittlern
zufolge ein Betrag von drei Millionen Euro bei O&P. Sie vermuten, dass
damit ein weiterer hochrangiger WM-Organisator geschmiert werden sollte. Bei
O&P habe die Ehefrau des Steuerberaters von Schulenberg die Geschäfte
geführt. Laut Informationen des Handelsregisters ist die Geschäftsführerin von
O&P zugleich auch Geschäftsführerin der Callcenter TCS Telecall Service
GmbH, das zugleich auch als Dienstleister für CTS Eventim tätig gewesen sein
soll.“ („Musikmarkt“)„Der fiese
Schatten über dem Sommermärchen“ titelt die „Welt“. Der DFB-Manager und der Chef des CTS
Eventim-Konzerns sollen also „52.000
Karten der Fußball-WM 2006 auf dem Schwarzmarkt verschoben haben“. Die
Staatsanwlatschaft ermittelt gegen Schulenberg wegen „Bestechung und Bestechlichkeit in einem schweren Fall. Darauf stehen
bis zu fünf Jahre Haft.“ („Die Welt“). Dagegen nimmt sich die Causa Hoeneß
geradezu als Lappalie aus.Das Ticketingbusiness ist eben ein sehr schmutziges Geschäft. Und warum
zahlen Sie all die skandalösen Zusatzgebühren, wenn Sie Konzertkarten beim CTS
Eventim-Konzern kaufen? Etwa die sogenannte „Ticketdirect“-Gebühr, die Sie an
CTS Eventim dafür abführen müssen, daß Sie sich Ihr Ticket zuhause an Ihrem
Computer und mit Ihrem Drucker und dem Toner, den Sie selbst bezahlt haben,
selbst ausdrucken? Ich würde sagen, man kann nach den neuesten Enthüllungen um
die dubiosen Geschäfte des CTS Eventim-Chefs behaupten, daß die
„Ticketdirect“-Gebühr eine Art Crowdfunding-Kampagne des CTS Eventim-Konzerns
ist, um die zu erwartenden Prozeßkosten und die Staranwälte zu finanzieren, die
ihren Konzernchef aus diesen Problemen herausboxen sollen...

01.11.2014

China & Touristengesetz

In
China hat die Regierung laut „FAZ“ ein neues Gesetz erlassen, wonach Chinesen
auf Auslandsreisen „die Normen des zivilisierten touristischen Verhaltens“ zu
befolgen haben. Zugegeben, dazu gibt es eine etwas merkwürdige Kampagne mit
Fernsehspots, auf denen das chinesische Symboltier, der Panda, sich in Sydney
als rüpelhafter Problembär entpuppt. Am Ende des Spots der Ratschlag an die
chinesischen Touristen: „Die ganze Welt schaut zu. Sei ein guter Tourist!“An der
Kampagne kann man sicher noch feilen, aber das Gesetz an sich würde man sich
doch in Deutschland auch wünschen. Es gäbe einen Grund weniger, sich das
merkwürdige Wort “Fremdschämen“ merken zu müssen...

01.11.2014

Neil Young & Howard Stern

Neil Young bei Howard Stern: Eine
faszinierende Lektion in Haltung. Es geht um Musik, nicht ums Geschäft. "I'm working for the music".
Neil Young erklärt, wie es kam, daß sein
Woodstock-Auftritt nicht im Film ist (er hat den Kameramann, der auf der Bühne gestört hat, angeschrieen und quasi von
der Bühne geschmissen), warum Buffalo Springfield nicht in der
"Tonight" Fernsehshow auftraten ("it
wasn't our audience" - kann sich heutzutage, in Zeiten der gnadenlosen
Selbstvermarktung, noch jemand vorstellen, daß sich eine Band einer großen
TV-Show verweigern würde, weil dort das falsche Publikum sitzt?!?), oder warum
es niemals eine Reunion von CSN&Y geben wird (weil es keinen Sinn macht,
bloß wegen des Geldes alte Hits zu spielen). So geht Kunst. Neil Young "walks
like a giant". Das Anhören der guten Stunde bei Howard Stern ersetzt
mindestens ein Semester Kulturmanagement an hiesigen Hochschulen...Wenn man Wörter wie
„Integrität“ oder „Haltung“ googelt, sollten Bilder und Musik von Neil Young
erscheinen.

01.11.2014

Karl Marx & Chemnitz

In Karl-Marx-Stadt-heißt-jetzt-Twix, also in Chemnitz, steht die laut
Wikipedia zweitgrößte Porträtbüste der Welt – im Stadtzentrum befindet sich
eine (mit Sockel) über 13 Meter hohe Plastik des Kopfes von Karl Marx. Im Juni
diesen Jahres haben Leute unter den Marx-Kopf ein deutsches
Fußballnationalmannschafts-Trikot mit den schwarz-rot-goldenen Bruststreifen
und der Marx-Büste auf die Backen die drei schwarz-rot-goldenen Streifen gemalt
– sie fanden das wohl lustig und dachten, wenn wir uns schon zum Deppen machen
und wochenlang so rumlaufen, soll der olle Marx nicht abseits stehen. Drüber
hing ein Plakat an dem Gerüst des Wohnhauses: „Fußballfans aller Länder, wir
grüßen euch!“Als ich dieser Tage auf Lesereise in Chemnitz war (Klasse Publikum dort,
übrigens!) und am nächsten Vormittag eine kleine Stadtbesichtigung unternahm,
fand ich das Karl Marx-Denkmal in diesem Zustand vor:
Dazu dürfen Sie sich trostlosen Spaß-Techno vorstellen, der aus den
Boxen des Fahrzeugs dröhnte. Die österreichische braune Brause ist
allgegenwärtig und macht vor nichts halt.Karl Marx Red Bull Chemnitz...

01.11.2014

25 Jahre Mauerfall

Und was
sagen wir zum 25jährigen Jubiläum des „Mauerfalls“?Der
Universal-Konzern jubelt jedenfalls: „Mauerfall
– Das legendäre Konzert für Berlin 1989 feat. Udo Lindenberg, Nina Hagen,
Silly, BAP, Joe Cocker, H.R. Kunze, Pankow (...) Nach 25 Jahren erstmals als
Album!“Es
bleibt einem wirklich nichts erspart. Aber sehen Sie, da haben Sie die
kulturelle Realität des Mauerfalls in einer Nußschale: Denn es wurden ja nicht
sagen wir Hanns Eisler und Kraftwerk vereint (gar unter einer neuen Hymne, wie
etwa der Kinderhymne Brechts – „Anmut sparet nicht noch Mühe / Leidenschaft
nicht noch Verstand / Daß ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes
Land. (...) Und nicht über und nicht unter / Andern Völkern wolln wir
sein“...). Nein, vereint haben sich eben die eher dumpfen Teile der beiden
Deutschländer.Lassen
Sie uns also am 9.November die Festveranstaltungen und all das mediale
Konsens-Blahblah ignorieren und stattdessen die schöne Eislersche Melodie vor
uns hin summen, der Opfer des Nationalsozialismus gedenken und der Tatsache,
daß an einem 9.November vor fast einem Jahrhundert in Deutschland nach einer Revolution immerhin ja auch
schon mal die Republik ausgerufen, also ein ganz anderes Liedchen angestimmt wurde...

Seiten

Berthold Seliger - Blog abonnieren