21.07.2013

Democracy

„Die Klientel, für
die Schwarz-Gelb regiert, ist politisiert, organisiert und haut mächtig auf die
Pauke. Man kennt seine Interessen. Unternehmensverbände, neoliberale
Think-Tanks, konservative Meinungseliten (...)

Zwei Drittel bis
drei Viertel der Gesellschaft sind spätestens nach der Finanzkrise für einen
gesetzlichen Mindestlohn, regulierte Banken, höhere Steuern für
Besserverdienende und große Vermögen, mehr Frauen in Führungspositionen, mehr
Geld für Kitas, Schulen und Universitäten. Schon länger lehnen sie Atomenergie
ab und wollen Klimaschutz und gleiche Rechte für Schwule und Lesben. Die
ideologische Hegemonie des Neoliberalismus ist vorbei. Doch eine klare Mehrheit
der linken Mitte in der Gesellschaft führt nicht automatisch zu einer
politischen Mehrheit im Bundestag und Bundesrat.“

Jürgen Trittin im „Spiegel“

Gut gebrüllt. Nun könnte man sich, erstens, die Frage stellen, warum das
so ist, daß in unserer Demokratie die BürgerInnen nicht das bekommen, was sie
wollen. Interessante Frage. Schon Rousseau schlägt sich mit dem Problem der
repräsentativen Demokratie herum und der Frage, warum der „Gemeinwille“ ausgerechnet
in Form einer numerischen Mehrheit erscheinen soll. Und das war im ausgehenden
18.Jahrhundert – während wir aktuell eher von „einer ‚Demokratie’ der Prokuristen des Kapitals“ sprechen sollten,
„die inegalitär und repräsentativ ist“
(Alain Badiou). „Unser System läßt sich
nicht mehr als Demokratie bezeichnen. Es handelt sich längst um eine
Plutokratie. (...) Die Funktion der Masse in einer Demokratie ist die des
Zuschauers, nicht des Partizierenden.“ (Noam Chomsky, „FAZ“).

Und zweitens könnte man Herrn Trittin natürlich fragen, was sein Beitrag
und der seiner Partei war, um der Ideologie des Neoliberalismus im
Regierungshandeln hierzulande Tür und Tor zu öffnen. Wer hat denn Hartz 4
eingeführt? Wer hat die Deregulierung der Banken, das ungehemmte Agieren des
Finanzsektors durch Regierungshandeln ermöglicht? Wer hat Leiharbeit und
Minilöhne gefördert? Wer hat die Besteuerung der Besserverdienenden und der
großen Vermögen so stark gesenkt, wie es Helmut Kohl nie gewagt hätte? Da war
doch was, oder? Es war nun mal die rot-grüne Bundesregierung, die all das
ermöglicht hat, wogegen die rot-grünen WahlkämpferInnen sich jetzt mal mehr,
mal weniger gekonnt in Position bringen.

„Im Übrigen bin
ich skeptisch, was die Einführung eines gesetzlichen flächendeckenden
Mindestlohns angeht. Ich sehe einfach nicht, wie der funktionieren soll.“ (Peter
Steinbrück, Kämpfer für den gesetzlichen Mindestlohn, im Frühjahr 2005)