04.07.2011

Und Ansonsten 2011-07-04

Nun
hat also auch die Linkspartei etwas, was die Welt nicht braucht, nämlich einen
„rockmusikpolitischen Sprecher“. Kann sich noch jemand an „Siggi Pop“, den
damaligen popmusikalischen Sprecher der SPD, Siegmar Gabriel, erinnern? Für die
Jüngeren unter uns: SPD, das ist die Splitterpartei mit dem Rassisten Sarrazin,
die einstmals als „Volkspartei“ eine gewisse Rolle als Radieschen (von
Tucholsky ist das: „außen rot / innen weiß“) gespielt hat. Nun kann man, wie
Jens Balzer in der „Berliner Zeitung“, natürlich behaupten, daß ein pop- oder
rockmusikalischer Sprecher als Abschußrampe für eine gediegene
Funktionärskarriere dient – immerhin ist Siegmar Gabriel heute Sprecher nicht
nur der Popabteilung, sondern der Gesamt-SPD. Man kann andrerseits aber auch
darauf hinweisen, daß die SPD seit Einführung des Amtes eines „Beauftragten des
Parteivorstands für Popkultur und Popdiskurs“ etwa die Hälfte aller
Wählerstimmen verloren hat. Was dann wiederum für die Linke, deren
Bundestagsfraktion sich seit Neuestem einen „rockmusikpolitischen Sprecher“
hält, eine beängstigende Perspektive sein dürfte.

* * *

Frau Merkel bevorzugt musikalisch übrigens Leslie Mandoki, wie sie laut
„Musikwoche“ anläßlich der „CDU MediaNight“ sagte: „Die Frage der Freiheit
durchzieht alles, was sie machen (...) Leslie Mandokis Musik höre ich gerne. Er
ist ein Künstler, der ein klares politisches Bekenntnis abgibt, und er macht
uns damit auch Mut.“
Ob Frau Merkel mit dem „klaren politischen Bekenntnis“ und der „Mutmachmusik“
eher Mandokis Beitrag als Urschreier bei Dschingis Khan („He Reiter – Ho Leute
– He Reiter – immer weiter! / Dsching, Dsching, Dschingis Khan / Auf Brüder –
sauft Brüder! – rauft Brüder! Immer wieder / Laßt noch Wodka holen / Denn wir
sind Mongolen“) meint, oder seinen Text „Wir sind wir“ für „teAM Deutschland“
(„Wir sind jetzt und wir sind wir, voller Kraft und Hand in Hand / Wir sind
stark und wir sind hier, klare Sicht und schönes Land / Mit dem Licht von
Morgen in der Hand haben wir die Zeichen der Zeit erkannt / Und erreichen unser
Ziel mit Herz und mit Verstand“...), bleibt offen.
Schön jedenfalls zu wissen, daß Frau Merkel, die ich auch schon mal in der
Berliner Staatsoper bei „Tristan“ gesehen habe, solche Musik „gerne hört“.

* * *

Frau Merkel übrigens, die innerhalb einer Woche ihre Freude über den Tod von
Osama Bin Ladens kundtat und von der israelischen Regierung verlangte, der
Hamas einen eigenen Staat einzurichten – eben der Hamas, deren Chef zwei Tage
zuvor wiederum Osama Bin Laden einen Helden genannt hatte, über dessen Tod sich
Frau Merkel so gefreut hatte...

* * *

Eine Aufgabe aus dem bairischen Zentralabitur 2010, Grundkurs Geographie (laut
„Konkret“):
„Im Rahmen des Ausbaus der Energieerzeugung aus Kernkraft wurde beschlossen,
die japanischen Kernkraftwerke an den Küsten, jedoch in Entfernung zu den
großen Verdichtungsräumen zu errichten. Begründen Sie diese Entscheidung und
stellen Sie positive Effekte für die Entwicklung der räumlichen Strukturen an
diesen Standorten dar!“

* * *

Das renommierte „Deutsche Grammophon“-Klassik-Label hat in den letzten Jahren
eine merkwürdige Strategie hinter sich. War in der Vergangenheit die Qualität
vieler Alben des Labels unstrittig (Benedetti-Michelangeli! Pollini!
Kleiber!...), hat sich die Qualität vieler DG-Veröffentlichungen leider in den
letzten Jahren im Durchschnitt derartig verschlechtert, daß das Label zunehmend
auf dubiose Marketing-Strategien zurückgreifen mußte. Deren beliebteste war,
die weiblichen Interpreten in schlüpfrigen, pseudo-sexy Posen zu inszenieren,
als ob sie für Deos oder Feinstrumpfhosen werben würden und nicht für
Einspielungen klassischer Musik. Ein typischer Weg – wer auf die Qualität
seines Produktes nicht mehr vertrauen kann, neigt zur Verzweiflungstat.
Dieser Tage ist ein außergewöhnliches, hervorragendes Album bei DG erschienen:
das Debüt-Recital der verehrungswürdigen Sopranistin Anna Prohaska. Ein mutiges
Programm, von Mahler über Debussy und Dowland zu Haydn und Schubert;
Szymanowski, Schumann, Honegger, Dvorak und Purcell – was sich liest wie ein
Fleckerlteppich, geht hervorragend auf und ist interpretatorisch immer auf der
Höhe. Eines der „Alben des Jahres“ also, wie Musikjournalisten sagen würden.
Warum das Programm allerdings „Sirène“ heißen muß, und vor allem, warum Anna
Prohaska sich von der Marketingabteilung ihrer Plattenfirma hat breitschlagen
lassen, sich auf Cover und im ganzen Album in softpornografischen Posen
fotografieren zu lassen, ist enttäuschend. Klar, das Label will es so, dort
herrscht seit Jahren Altherrenschmonzes bei der Vermarktung weiblicher Künstler
vor – da wird die Geigerin Julia Fischer im hauseigenen Magazin wahlweise als
„Bach-Blüte“ oder „Der Bachfisch“ bezeichnet, da wird Elina Garanca „So Bel
kann Canto sein“ betitelt. Daß sich aber ausgerechnet eine selbstbewußte junge
Sängerin wie Anna Prohaska für eine eher sexistische Inszenierung hergibt,
hatte man nicht erwartet.

* * *

Wie sagt man eigentlich „den Bock zum Gärtner machen“, wenn es sich um eine
Frau handelt?
Die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin wurde jedenfalls kurz, nachdem
ihr von der Uni Heidelberg der Doktortitel aberkannt wurde, weil sie
offensichtlich ihre Doktorarbeit zu weiten Teilen abgeschrieben hat, zum
Mitglied im Forschungsausschuß des Europaparlaments ernannt (als Ersatz für einen
FDP-Kollegen, der zurücktreten mußte, weil er ebenfalls seinen Doktortitel
wegen Abschreibens verloren hatte – was ist los mit der sogenannten liberalen
Elite?!?). Dann aber war der Protest und die Häme doch zu groß, und die
FDP-Politikerin verzichtete auf den Sitz im Forschungsausschuß. Ihr Mandat im
Europaparlament behält sie jedoch.

* * *

Noch im vergangenen Jahr „jammerte U2-Rumpelstilz Bono, wie sehr er
enttäuscht sei über die mittelprächtigen Absatzzahlen“ seines letzten
Albums – so Christoph Dallach in „Spiegel Online“. In der aktuellen
„Forbes“-Übersicht der Pop-Großverdiener allerdings landet für 2010 der „arme
Bono und seine Gang“ (Dallach) auf Platz 1, die Band verdiente im
vergangenen Jahr die wahrlich enttäuschende Summe von nur 195 Millionen
US-Dollar. So ist eben alles relativ.
Weniger relativ ist allerdings der Protest, der beim jüngsten Auftritt von U2
beim legendären Glastonbury-Festival massenhaft gegen die Band vorgebracht
wurde. Bono, der selbsternannte Gutmensch, Weltenretter und Louis
Vuitton-Model, und seine Band, die gerne allüberall zu Spenden gegen die
weltweite Armut aufrufen, bunkern ihre Hunderten von Millionen nicht etwa in
ihrem – wirtschaftlich angeschlagenen – Heimatland, wo sie mit ihren
Steuerzahlungen einen Beitrag zu einem gerechten Sozialsystem leisten könnten,
sondern haben ihre Firma ins Steuerparadies Holland transferiert, um von ihren
Millionen möglichst viel für sich selbst übrig zu behalten.
Cui Bono? Eben.

* * *

Auch die Popsängerin „Adele“ ist kein Freund des Steuerzahlens. Sie fühle sich
„gedemütigt“, 50 Prozent Steuern zahlen zu müssen, sagte sie dem britischen
Musikmagazin „Q“ in einem Interview. Schon der Steuerbescheid nach ihrem ersten
Album „19“ brachte die junge Sängerin völlig außer Fassung: „Ich war bereit,
eine Waffe zu kaufen und wahllos loszuballern“.
Adele kritisierte die öffentlichen Einrichtungen, die mit ihren Steuergeldern
finanziert werden – etwa den öffentlichen Nahverkehr, die staatlichen Schulen,
das staatliche Gesundheitssystem. Die neoliberalen Kräfte in ihrem Heimatland
werden sich über die öffentlichen Äußerungen der Sängerin freuen...

* * *

Dieses Künstlerangebot aus unserem Posteingang hat uns sehr gefreut:
„Vogelfrey, der Pakt der Geächteten. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine
raffinierte und eigenständige Mischung aus Mittelalter, Folklore, Rock und
Metal, kurz und bündig Folk Metal genannt.“
Eigentlich ist eine „eigenständige Mischung aus Mittelalter, Folklore, Rock und
Metal“ genau das, was wir lieben, aber irgendwie war dann doch etwas zu wenig
Gothik im Pakt der Geächteten, um uns für diese Band zu entscheiden...

* * *

Bernd Cailloux, dachten wir, sei ein Schriftsteller, der bei Suhrkamp ein, zwei
o.k.e Bücher veröffentlicht hat, die nicht großartig sind, aber auch niemandem
weh tun.
Dann aber outete sich der selbsternannte Chronist der 68er in der „Zeit“ aufs
Unangenehmste: „Die Wende“ etwa, sagt Cailloux, „hat uns ja viel
eingebrockt. Das war einfach nur eine Katastrophe.“ Kann man so stehen
lassen, denkt man. Aber Cailloux hat es so gemeint: „Sie hat uns die vielen
Ausländer hier reingespült, hier ist jetzt richtiger Stellungskampf, die
Potsdamer Straße ist voll, nur Goltz- und Motzstraße haben sie noch nicht.“
Wie bitte?
Aber der Alt-68er meint es ernst: „Meiner Ansicht nach passen sie nicht
zusammen, Deutsche und die, auf die sie hier treffen.“ Und: die Ausländer „breiten
sich unglaublich aus“...
Aha.
Die „Zeit“-Autorin geht mit Cailloux weiter durch seinen Schöneberger Kiez, man
kommt am Schwulenclub Goya in der Motzstraße vorbei. „Riechen Sie was? Es
riecht schon etwas nach schwul“, läßt der Schriftsteller wissen.
Warum die „Zeit“ einem offensichtlich schwulenfeindlichen Rassisten, der eine
Art "Westentaschen-Sarrazin von der Motzstraße" gibt, ein einseitiges
Porträt in ihrer Zeitung schenkt, bleibt natürlich ein Rätsel. Daß dieser
ekelhafte Typ es wagt, an einer Veranstaltung  über den großen Jörg Fauser
zu sprechen, sollte jedenfalls verboten werden.
Kleinbürgerliche Renegaten, die als ewig besserwissende Alt-68er durch die Welt
bzw. durch ihren Kiez laufen, sind die schlimmsten denkbaren Zeitgenossen.

* * *

Manche machen Musik, um die Welt zu ändern, manche machen Musik, um die
Menschen zu beglücken, das eine wie das andere gelingt mal mehr, mal weniger.
Manche sind auch einfach nur „in it for the money“. Manche aber machen auch
bloß Musik für ihren Grabstein.
Die Sängerin der Kölner Popband „Klee“ jedenfalls verriet der „Berliner
Zeitung“ dieser Tage, daß sie sich wünscht, daß der Titel ihres Songs „Ich
will nicht gehen, wenn’s am Schönsten ist“ auf ihrem Grabstein stehen soll.
„Dem fühlt sie sich gar nicht so fern“. Interessant.
Die Zeile „Ich werd’ nicht aufhören, auf die Liebe zu schwören“ aus
diesem Song dagegen möchte sich die Sängerin „auf den Oberarm tätowieren
lassen, das ist ja so in Mode geraten“.
Ich weiß nicht, was in Köln gerade Mode ist – ich weiß nur, daß die Mode,
Unsinn zu plappern, scheinbar nicht auszurotten ist.

* * *

Hier in Berlin gab es zuletzt verzweifelte Spendenaktionen. Wofür aber wurde gesammelt?
Für die Opfer der Reaktorkatastrophe in Fukushima? Für Hungernde in Afrika? Für
den pleite gegangenen Schauspieler Horst Janson (kein Scherz, googeln Sie mal
„Spendenaufruf“, da landen Sie sofort bei „mit einem Euro sind Fans von
Horst Janson dabei, sein Anwalt hat eine Spendenaktion für den bankrotten
Schauspieler initiiert“...)?
Nein, hier geht es um unsere Abiturienten, die gerne „Hauptsache
Schickimicki“ („taz“) ihr Abi feiern wollen und es heutzutage scheinbar
nicht mehr unter Luxushotel, Limoservice, Live-Kapelle und Gala-Dinner machen.
51 Euro kostet eine Karte für den Abiball der Hellersdorfer Abiturienten, dazu
kommen die Ausgaben für Ballkleider, Schuhe, Anzüge, Krawatten, denn so laufen
die jungen Herrschaften heutzutage durch ihre Abschlußveranstaltung – und der
Ball wird natürlich von einer Eventagentur organisiert, in den Sälen der
Luxushotels der Stadt. Dumm nur, daß die Eventagentur scheinbar mit den Geldern
durchgebrannt ist, weswegen die Abiturienten zwar möglicherweise etwas fürs
Leben gelernt haben, aber ohne ihren Ball da standen... Finden Sie nicht so
schlimm? Sie sagen, früher hätte man so was gar nicht aufwendig gefeiert? Und
die ein Jahrzehnt Jüngeren sagen, früher hätte man die Feier selbst
organisiert? Tschah, tempora mutantur, wie der Lateiner sagt, heutzutage, in
der Berliner Republik, ist die Abifeier wieder „Ausweis der sozialen
Differenz, wie in den fünfziger Jahren“ („Süddeutsche Zeitung“), die
Ansprüche der Kids steigen eben.
Die Erbschaften übrigens auch – die Deutschen reichen immer mehr Geld an ihre
Nachkommen weiter. Bis zum Jahr 2020 werden laut einer Studie des „Deutschen
Instituts für Altersvorsorge“ 2,6 Billionen Euro vererbt (20% mehr als im
letzten Jahrzehnt) – was man mit dem Geld alles machen könnte! Jährlich
spielend mehrere Griechenlands retten beispielsweise. Allerdings: die
Erbschaften verschärfen das Wohlstandsgefälle, denn die Verteilung ist
ungleich. Zwar sei die „derzeitige Erbengeneration die einkommensstärkste
und vermögendste, die Deutschland je gesehen hat“, aber nur ganz wenige
Erben können mit einem großen Vermögen rechnen, die meisten werden nur
bescheidene Beträge erben. Gutverdiener, die „häufig eine bessere Ausbildung
genossen haben als der Durchschnitt der Bevölkerung, weil sie aus einem wohlhabenden
Elternhaus stammen und dadurch mehr Geld in die Bildung investieren konnten,
erben tendenziell mehr“, so das „DIA“.
Womit wir wieder zurück bei den Berliner Abiturienten sind – die vielleicht
angesichts all dessen mit nicht ganz so viel Mitleid, sondern eventuell mit
Spott rechnen sollten. Denn wer den Schaden hat, der wird schon erben. Oder so.

* * *

Und was machen die Abiturienten und ihre wohlhabenden Eltern, wenn sie mal
etwas Bildung wollen? Nachdem sie bei Manufaktum oder Ikea ihre Bücherregale
gekauft haben?
Sie wenden sich an die andere Verbreitungsagentur doller Dinge in dieser
Republik, an den Versandhändler Zweitausendeins. Dort bekommt man „Merkmails“,
und darin kann man erwerben, alles auf einmal: „Statt Dosenravioli – ein
Maximum an Genuß“, das Buch „Bäume“ („Der Baum gleicht einem betenden
Menschen: Er sieht aus wie ein Mensch, der still steht, die Arme hebt und eine
Unterredung mit Mächten zu unternehmen sucht, auf die er kaum Einfluß zu nehmen
erhofft hatte“ – wer das weiterlesen will, muß eine Strafe von 9,90 Euro
zahlen...), ein „Cool Camping Buch“, Sonderangebote eines Verlages, der „die
Worte leben läßt“, ein Buch gegen Ai Weiwei und für die chinesische
Kulturrevolution oder umgekehrt, und „zum guten Schluß ein Gedicht von Ringelnatz“,
denn der ist tot und kann sich nicht wehren, hier vereinnahmt zu werden.

* * *

Daß die Bundesregierung, die noch im vergangenen Jahr den Eindruck erweckte,
die Kosten des Ausstiegs aus der Atomkraft und des Umstiegs auf alternative
Energien seien so astronomisch, daß die billige Kernkraft unbedingt verlängert
genutzt werden müsse, nun sagt, daß der Strompreis beim Atomausstieg um nicht
mehr als einen Cent pro Kilowattstunde steigen werde, bedeutet ganz einfach,
daß die Bundesregierung entweder letzten Herbst oder jetzt die Unwahrheit
gesagt hat oder sagt. So oder so, die Bundesregierung hat die Bürger belogen.
Was in Sachen Atomkraft natürlich nicht wirklich eine Überraschung ist.
Ebenso wenig eine Überraschung jedenfalls wie der Beschluß der „Grünen“, dem
Atomausstieg zum Jahr 2022 (der jederzeit widerrufen werden kann, wie wir ja
auch letzten Herbst bereits erleben mußten) von Schwarz-Gelb zuzustimmen,
obwohl man doch gerade einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht hatte,
wonach man den Atomausstieg bereits bis zum Jahr 2017 umgesetzt sehen wollte.
Die einen nennen das Spiel „Demokratie“, der französische Philosoph Alain
Badiou dagegen spricht vom heutigen Modell westlicher Demokratie als „parlamentarischen
Fetischismus“...

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"Die drei Hauptthesen: daß wir der Perfektion unserer Produkte nicht
gewachsen sind; daß wir mehr herstellen, als wir uns vorstellen und
verantworten können; und daß wir glauben, das, was wir können, auch zu dürfen:
diese drei Grundthesen sind angesichts der im letzten Vierteljahrhundert
offenbar gewordenen Umweltgefahren leider aktueller und brisanter als
damals." (Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, 1979 im
Vorwort zur 5.Auflage)
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MySpace muß man hauptsächlich dafür lieben, daß es das Geld des reaktionären
Medienmoguls Rupert Murdoch vernichtet hat. Vor gar nicht so langer Zeit hat
Murdoch MySpace für 580 Millionen Dollar seinem Imperium einverleibt. Nun hat
Murdoch MySpace für nur noch 35 Millionen Dollar verkauft. Klasse.
Wenn Sie einen Tip suchen, wie Sie Ihr Geld vernichten wollen, nehmen Sie den
hier, ich gebe ihn kostenlos: Investieren Sie in Facebook! Damit wirds auch in
nicht allzu ferner Zukunft rasant bergab gehen, wenn all die jungen Menschen
festgestellt haben werden, daß man seine Facebook-Freunde nicht in den Arm
nehmen kann.
Ach, übrigens: wenn Sie unser Facebook-Freund werden wollen, nur zu:
Facebook
Agentur Seliger

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Auch so ein echter Auskenner: „Ich weiß nicht, wann das Internet voll ist“,
merkte Kulturstaatsminister Bernd Neumann gewohnt kompetent an. Ich weiß
allerdings, wann jemand wahlweise doof oder bescheuert ist.

* * *

Was aber kann man tun, wenn man das eine und das andere ist? Dann hilft
nur noch beten.
„Es ist besser, mit Taliban zu beten, als sie zu bombardieren“ – also
sprach die evangelische Allzweckwaffe und Lieblingsautorin der
BundesbürgerInnen, Margot Käßmann.
Wollen wir die Dame für die nächsten paar Jahre also nach Afghanistan schicken?
Dort hat sie dann viel zu beten und kann keine Bücher mehr schreiben, was ja
immerhin eine erfreuliche Nachricht wäre.

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Und was macht "Spex"? "Mister Spex" jedenfalls ist nicht
nur damit beschäftigt, die nächste Musikzeitschrift runterzuwirtschaften,
sondern hat ein zusätzliches Auskommen im Brillengeschäft gefunden:
"Mister Spex sorgt für Durchblick - Mister Spex, Deutschlands größter
Online-Versand für Markenbrillen vertreibt Brillen, Sonnen- und Sportbrillen
von mehr als 90 Marken", flötet die Werbung.
It's sponsoring, stupid!

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Verbindlichsten Dank für all die Zuschriften zum Thema Tattoo und Tattoo. Klar
hätte ich das auch selbst googeln können, aber dann hätte ich nicht all die
netten, vergnüglichen und interessanten Zuschriften erhalten, weswegen ich auch
im Nachhinein Sie gegenüber Google bevorzuge... ich bin mittlerweile jedenfalls
ein echter Tattoo-Experte – wer hätte das gedacht.
Die ausgeschriebene Flasche Weißwein wurde verdoppelt – eine geht an unseren
Leser Christof Ellinghaus, der die erste von vielen ausführlichen und
sachkundigen Erklärungen geschickt und der den Berliner Militarismus noch dazu
hübsch mit dieser Erklärung verwoben hat. Eine zusätzliche Flasche Weißwein war
mir die originellste Erklärung zu „Tattoo“ wert, sie stammt von Michael Binder
und geht so:
„Meines Erachtens ist die "Event"-Bezeichnung "Berlin
Tattoo" lautmalerisch gemeint. Tut-Tut-Tatü-Tata-Tatu-Tattoo klingt es
ungefähr, wenn ein bärtiger Uniformierter ins Horn stößt (oder auch Herr
Niedecken bei seinem neuen Skoda die Hupe betätigt). Dass Tattoo eigentlich die
englische Bezeichnung für Tätowierung ist, ist offensichtlich sowohl beim
Deutschen Bundeswehr-Verband als auch bei der O2-World unbekannt.“

In diesem Sinne: Genießen Sie den Sommer! Machen Sie viel Tattoo!