05.04.2005

Und Ansonsten 2005-04-05

Die
F.A.Z. schreibt es der Bundesregierung ins Stammbuch: "Denn eine kontinuierlich
wachsende, erzwungene Beschäftigungslosigkeit von Millionen Menschen wird früher
oder später als Versagen des politischen und ökonomischen Systems
begriffen."
Ach ja, tatsächlich? Sag ich's doch…

* * *

Es gibt ja heutzutage Sängerinnen, die haben ihre eigene Kosmetika-Reihe.
Karstadt wirbt vor Ostern mit dem Duft von Celine Dion, nein, mit "dem unverwechselbaren Duft der
Diva". Es gibt ein "Celine Dion Belong" Shower Gel,
und ein EdT-Spray.
Wer sowas kauft, bekommt gratis einen "Kuschelhasen" (verkleinert
abgebildet).
Na denn…
Was da noch für Merchandising-Potentiale brach liegen. Der unverwechselbare
Sandgeschmack der Wüste von Calexico. Oder das Showergel "Keith
Richards".

* * *

"Zu den Erkenntnissen
von Eichinger & Co. wird allerdings gehören, daß es Ausdruck der
psychischen Disposition von Bevölkerungen sei, ihr Geld für Schrott auszugeben.
Eine Sucht. Schrott, den die Kinogänger als beste Unterhaltung und historische
Belehrung konsumieren wie von TV und Presse vorgeschrieben. Nicht Geiz ist
geil, sondern die Verschleuderung: "Geld für Scheiße" - diese Formel
zieht. Die Käufer wissen genau, was "Bild" oder Eichinger/Fest
anbieten, kann nur Scheiße sein. Es ist der alte deutsche Weg, die eigene
Freiheit unter Beweis zu stellen, nämlich durch Antiintellektualismus. (…)
Der Erfolg des
"Untergang" ist zu verstehen als Selbstfeier eines Publikums, das
seine eigene Entmündigung unterschreibt. Genau das ist die Absicht dieses
Films."
Klaus Theweleit

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"Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner:
"Es wird niemals mehr
einen Hitler geben. Bitte lachen Sie mich nicht aus - es wird keinen Hitler
geben, weil es "Bild" gibt und den "Spiegel"."

Genau…

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Frage: "Sie halten also das Gros der deutschen Bevölkerung für
blöde?"
Harry Rowohlt: "Nein, nicht nur der deutschen Bevölkerung! Der
Weltbevölkerung!"

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Sagen wir doch mal, wies ist: Der gerade so gehypte Adam Green ist ein klein
wenig, ähem, überschätzt. Wenn nun aber ausgerechnet der Suhrkamp Verlag ein
Fanzine des Adam Green in seiner "edition suhrkamp" veröffentlicht,
dann ist es kein Wunder, daß jemand wie Harry Rowohlt findet, daß heutzutage
das Wort "Suhrkampautor" praktisch ein Schimpfwort darstellt. Die
Fitzelchen, die Adam Green da unter dem Titel "magazine"
veröffentlicht, sind ein depperter Schmarrn. Tut mir leid, aber das ist noch
freundlich formuliert.
Jede Zeile aus Jörg Fausers Gedichtband "Trotzki, Goethe und das
Glück" zum Beispiel wiegt dieses poetische Leichtgewicht mehr als auf.

* * *

Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky hat eine Autobiographie geschrieben. Darin
beschreibt er nicht nur die Karriere eines angepaßten DDR-Strebers, der als
Jugendleiter mit Schnitzeljagden und Geländespielen beschäftigt war, als die
Mauer gebaut wurde, nein, er erhielt auch Bestenförderung, Karl-Marx-Stipendium
und wurde Mitarbeiter des Instituts für Jugendforschung. In dieser Funktion
sorgte er dafür, daß die Rockgruppe "Puhdys" den Preis für
Unterhaltungskunst in der DDR glücklicherweise doch noch bekam. Ein echter Held
der Arbeit, dieser Mann! Man stelle sich vor, die Puhdys hätten sich aus Frust
aufgelöst - welche Kapelle hätte denn dann in den 80er Jahren die dörflichen
Schützenfeste in der hessischen Rhön bespielen sollen?

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Auch heute noch geht es der deutschen Unterhaltungskunst furchtbar, sie wird
geknechtet noch und nöcher, und auch die konzertierten Unterstützungsaktionen
von SPD, GRÜNEN und NPD fruchten nicht viel - jüngstes Beispiel der mißlichen
Situation: In den deutschen Album-Verkaufscharts vom 21.3.2005 ist das Album
"Schnappi und seine Freunde" von einem Amerikaner namens "50
Cent" von der Spitzenposition verdrängt worden. Mit Schnappi (Platz 2),
Westernhagen (3), Peter Maffay (4), Kettcar (5), Söhne Mannheims (6), Juli (8)
und Hansi Hinterseer (9) sind nur noch sieben der neun Spitzenpositionen der
deutschen Album-Charts mit deutscher Musik besetzt.
Herr Thierse, Frau Vollmer, Herr Apfel - schreiten Sie ein! Aber dalli!
Zwangsquoten einführen! Zwangsabgaben! CD-Verbrennungen! Der Mittel sind viele,
seien Sie kreativ! So kann es nicht weitergehen!

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Die Bundesregierung will das Monopol auf das Recht auf eine "vorbeugende
Telefonüberwachung" ihrer Bürger behalten.
Da bleibt einem als Bürger eigentlich nur die "vorbeugende Abwahl"
der Regierung.

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Der Schleswig-Holsteinische SPD-Promi Peter von Oertzen (ehemals Mitglied des
SPD-Bundesvorstands) ist nach 60 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD ausgetreten.
"um öffentliche
Treueerklärungen für die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände abzugeben,
bin ich 1946 nicht in die SPD eingetreten", begründete von
Oertzen seinen Schritt. Im Augenblick gebe es keine Partei, "die mehr die Auffassungen des
großen Kapitals vertritt, als die SPD".

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"Um Pierre Boulez'
lebenslange Rebellion gegen die französische Musikkultur zu verstehen, muß man
wissen, daß diese Kultur - vorsichtig ausgedrückt - stets ihren eigenen
Gesetzen gehorcht hat. Das gilt auch und gerade für die Pflege des Repertoires.
(…) Boulez hat das französische Musikleben von Anfang an heftig kritisiert -
und zwar keineswegs einseitig. Es gab viele musikalische Entwicklungen, die in
Frankreich fehlten. Und es existiert bis heute eine chauvinistische Sicht auf
die französische Musik, ungeachtet ihrer Qualität. Pierre Boulez aber hat sich
immer als Internationalist verstanden, als ästhetischer Kosmopolit, dem es in
erster Linie um die Weiterentwicklung der Kunst und die Weitererforschung der
Musik gegangen ist." Daniel Barenboim über Pierre Boulez

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Hierzulande ist in einem Teil der Szene übrigens ein Frankreich-Pop-Hype entstanden,
der völlig unkritisch gegenüber der in Frankreich entstehenden Popmusik ist.
Kritiker und Publikum geben Verstand und Geschmack manchmal an der Garderobe ab
- solang der Pop nur französisch ist, ist er "tres chic". Jüngstes
Beispiel ist Coralie Clement, die nach einem piepsigen, langweilen Album ein
zweites, pseudo-rockiges, langweiliges Album abgeliefert hat, das hierzulande
aber von jedem selbsternannten Frankreichexperten bejubelt und vom Publikum
eifrig gekauft wird. Bedient es doch aufs Hübscheste jedes leibgewonnene
Frankreich-Klischee. Wenn die gleiche Musik von einem deutschen
Schlagersternchen abgeliefert worden wäre, würde man mit Recht nur die Nase
rümpfen, ach was, dann würden die Musikmagazine da nicht einmal Kenntnis von
nehmen. Komische Welt.
(Wer ein gutes aktuelles französisches Pop-Album hören will, der greife zu
Camille, "Le Fil" - gaanz toll! Und wirklich tres charmant…)

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Greenpeace hat mitgeteilt, daß die in den sieben größten deutschen
Supermarktsketten derzeit angebotenen Früherdbeeren fast alle mit Pestiziden
belastet sind. 93 Prozent der Proben waren belastet - der höchste Anteil seit
Beginn der Greenpeace-Erdbeerentests. Bei 70 Prozent der untersuchten Proben
seien zudem Mehrfachbelastungen mit bis zu fünf Pestiziden entdeckt worden, was
gesundheitlich besonders bedenklich sei.
Alle Erdbeeren stammten den Angaben zufolge aus Spanien und Marokko.
Die deutsche Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) hat übrigens
laut Greenpeace zu Jahresbeginn die gesetzlichen Grenzwerte für häufig
verwendete Pestizide bis um das 20fache angehoben. Darunter sind besonders
gefährliche Stoffe wie das krebserzeugende Kresoxim-Methyl.
Immer um die Gesundheit der Bürger heftigst besorgt, die Frau
Verbraucherschutzministerin…

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Keine Geschichte in der Politik, die die hiesigen Politiker nicht zur Farce
nutzen würden.
So gibt es seit 1999 EU-weit (von selber würde eine deutsche rot-grüne
Regierung auf so etwas nicht kommen!) eine neue Richtlinie zur Verminderung
gefährlicher Feinstäube in der Atemluft, wonach an höchstens 35 Tagen im Jahr
mehr als 50 Mikrogramm Staub je Kubikmeter Luft gemessen werden dürfen. Bereits
jetzt, Ende März, hat München diese Grenze erreicht, andere Städte wie Berlin
und Stuttgart stehen kurz davor. Wie gesagt, diese Grenzwerte sind seit 1999
bekannt, 2002 sind sie in nationales Recht umgesetzt worden. Passiert ist -
nichts!
Die Berliner SPD-PDS-Regierung hat eine besonders drollige Regelung entwickelt.
Man hat soeben einen "Luftreinhalteplan" verabschiedet, wonach ab
2008 (!) die Innenstadt für Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter gesperrt wird. Eine
wirklich groteske Regelung - entweder ist der Feinstaub gesundheitsgefährdend,
dann muß eine derartige Regelung sofort her. Oder es ist eben wurscht, dann ist
es auch in 2008 noch wurscht. Die SPD-Stadtentwicklungssenatorin sagte dazu: "Schnelle Fahrverbote sind nicht
umsetzbar. Dafür brauchen wir eine Kennzeichnung der Autos, spezielle
Verkehrsschilder und ausgewiesene Zonen." Ach, wie die Dame
sich doch bei der Bürokratie bedankt, damit die von ihr regierten Bürger weiter
gesundheitsschädlich verseucht werden dürfen! Man hat drei Jahre verpennt, und
nun beschließt man, drei weitere Jahre zu pennen, denn die Gesundheit der
Bürger ist solchen Politikern natürlich völlig egal. Im Gegensatz zu den
Interessen der Automobilindustrie.
Feinstaub wird hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht. Er gilt als stark
Krebs erregend und wird jährlich für 65.000 Todesfälle in Deutschland
verantwortlich gemacht.
Besonders ekelhaft sind natürlich wieder einmal die aufgeblasenen Wortmeldungen
von Politikern der SPD und der Grünen, die nun "schnelle
Entscheidungen" fordern und über die Splitter im Auge der Anderen
medienwirksam diskutieren. Etwa der Vize der SPD-Bundestagsfraktion, Michael
Müller, der Städten und Ländern vorwirft, das Problem "verschleppt"
zu haben und meint: "Es
rächt sich nun, daß keine systematischen Minderungsstrategien entwickelt worden
sind." Oder der Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin, der
Ländern und Kommunen bei der Umsetzung der Feinstaubrichtlinie der EU
Untätigkeit vorgeworfen hat.
Wir erinnern uns - bereits im Rundbrief Juni 2004 hatten wir den
"Spiegel" zitiert: "Eine
Initiative zur beschleunigten Einführung des Russfilters für Diesel-Pkw in
Deutschland droht am Widerstand der Autoindustrie zu scheitern. Ein
entsprechender Entschließungsantrag, den SPD und Grüne gemeinsam in den
Bundestag einbringen wollten, blieb in der SPD-Fraktion hängen, noch ehe es zur
formalen Abstimmung kam. Der Vorschlag sah eine Steuerentlastung von bis zu 600
Euro für Autokäufer vor, die sich frühzeitig für Dieselfahrzeuge mit moderner
Filtertechnik entscheiden oder ihre Altwagen entsprechend nachrüsten. Die
ultrafeinen Abgaspartikel aus Dieselmotoren gelten als Ursache von
Atemwegserkrankungen und Krebs. Der rot-grüne Antrag verschwand in der Ablage,
nachdem vor SPD-Fachpolitikern ein Brandbrief des VW-Vorstandsvorsitzenden
Bernd Pischetsrieder an Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering verlesen
worden war, in dem der Manager heftig gegen die Pläne zu Felde zieht. VW und
andere deutsche Autohersteller fürchten, dass das beabsichtigte Steuergeschenk
ausländischen Herstellern wie Peugeot und Citroen, die eine aufwendige
Filtertechnik schon seit Jahren serienmäßig auch in kleineren Modellen
einsetzen, weitere Käufer zutreibt."
Das haben wir gerne - erst machen sich deutsche Politiker zum Büttel der
Autoindustrie und kippen gesundheitsförderliche Regelungen zugunsten der
Bürger. Ein dreiviertel Jahr später blasen sich die gleichen Politiker auf und
tun in der Öffentlichkeit so, als ob andere versagt hätten. Eine widerliche
Bagage ist das alles, man kann bekanntlich nicht so viel essen, wie man kotzen
möchte…

* * *

Jede europäische Milchkuh wird immer noch mit zwei Dollar am Tag
subventioniert, während mehr als eine Milliarde Menschen von weniger als einem
Dollar pro Tag leben müssen.

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Berlin. "So viel Untergang war nie", Folge 457. Die in einem windigen
Verfahren eingeholten Pläne für den Neubau des BND in der Hauptstadt lassen
schlimmste Befürchtungen wach werden. "Vorgeschlagen
wird eine gewaltige symmetrische Anlage, in der viertausend Mitarbeiter in
einer Großform mit 100.000 Quadratmeter Hauptnutzfläche untergebracht werden
sollen. Herausgekommen ist dabei ein Palast für Apparatschiks, der sich
hervorragend eignen würde für eine Verfilmung von Kafkas Visionen über die
totale Bürokratie." ("Süddeutsche Zeitung") Und: "Wer im Grundriß der geplanten
Zentrale des Bundesnachrichtendienstes die Formen eines Hakenkreuzes entdeckt,
hat Einiges begriffen von der Wirkung des Kasernenkolosses, den das Büro
Kleihues und Kleihues vorschlägt." (ebenda)

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In einer Edition der Galerie Brusberg Berlin ist ein schönes Künstlerbuch des
Leipziger Malers Bernhard Heisig erschienen: "Ruhig mal die Zähne
zeigen" der Titel, mit Aufsätzen und Reden des Künstlers "über Kunst,
Künstler und die Gesellschaft". Daß der Bundeskanzler die große Leipziger
Ausstellung Heisigs zu dessen 80.Geburtstag eröffnet hat, sollte einen nicht
von der Auseinandersetzung mit diesem großen Künstler abhalten, denn
bekanntlich findet auch ein blindes Huhn mal ein Korn.
"Man kann sich ab und
zu ruhig einmal die Zähne zeigen. Man tut das übrigens am besten lächelnd, weil
man da die Zähne besser sieht." (Bernhard Heisig)

In diesem Sinne einen schönen April!