05.06.2004

Und Ansonsten 2004-06-05

Eins
Live, selbst ernannter Jugendsender des WDR, stellt am 4.Juli erstmals ein
Live-Open-Air auf die Beine. Das Motto: "Königstreffen". Laut Aussage
von Stephan Laack, Musikchef bei Eins Live, steht beim
"Königstreffen" "auf der Bühne, was zurzeit in unserem Land
interessant und erfolgreich ist". Wenn man sich das Line Up anschaut, mag
das Kriterium "erfolgreich" ja noch stimmen, aber "interessant"?!?
Die Ärzte? Wir sind Helden? 2raumwohnung? Wenn das alles ist, was "zurzeit
in unserem Land interessant" ist, dann gute Nacht! Gottseidank hat der
Musikchef von Eins Live keine Ahnung von dem, was er tut, und die hiesige
Musikszene ist in Wahrheit viel interessanter, als es uns der WDR vorgaukeln
will - nur, wofür zahlen wir Rundfunkgebühren? Damit der WDR wieder mal zur
Abspielstation von Charts-Band herhält?

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Die Festivals "Rock am Ring" und "Rock im Park" sind so
erfolgreich, dass in ihrer Werbung nicht einmal mehr das Datum erwähnt werden
muss, an dem sie stattfinden (so gesehen in der Marek Lieberberg-Anzeige im
WOM-Journal 5/04).

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Dass die Popkomm ein überflüssiges, künstliches "Event" zur
Selbstbeweihräucherung der Plattenindustrie verkommen und deshalb völlig zu
Recht gescheitert ist, daran wird auch die versuchte Wiederbelebung in Berlin
nichts ändern. Warum sich aber ausgerechnet die Womex-Spezialisten von Piranha
an der Leiche vergehen wollen, ist nicht so recht zu erklären. "Organisiert
vom bewährten Piranha/Womex-Team bietet die PopKomm einen offiziellen
Weltmusikschwerpunkt im Festivalprogramm". Leider betätigt sich
Piranha ausgerechnet an dem, was sie nachgewiesermaßen am schlechtesten können,
nämlich an einem "Showcase-Festival" namens "World @ Popkomm".
Wer seit Jahr und Tag an dem bestenfalls zweitklassigen Showcase-Programm der
Womex leidet, den packt das kalte Grausen, zumal der strukturelle Fehler der
Womex-Showcases von Piranha bei der Popkomm munter wiederholt wird: "World
@ Popkomm" übernimmt zwar, wie großzügig, "die Performance-Kosten
(Veranstaltungsort, Technik, GEMA). Honorare, Reisekosten, Hotelkosten und
Verpflegung müssen von Künstlerseite getragen werden". Konkret
bedeutet das, dass man wie bei der Womex nur die zweite und dritte Wahl zu
sehen bekommen wird, sowie die Künstler, die eine starke Plattenfirma im Rücken
haben.
Da spricht fast schon hübscher Neokolonialismus aus der Einladung: "Liebe
Welt, sendet mir eure Musiker, aber bitte, lasst sie in Berlin hungern, auf den
Straßen schlafen, und wie die Künstler aus Mali oder Brasilien nach Berlin
kommen, ist uns auch wurscht…"
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

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Eine hübsche Meldung aus dem aktuellen "Spiegel": "Eine
Initiative zur beschleunigten Einführung des Russfilters für Diesel-Pkw in
Deutschland droht am Widerstand der Autoindustrie zu scheitern. Ein
entsprechender Entschließungsantrag, den SPD und Grüne gemeinsam in den
Bundestag einbringen wollten, blieb in der SPD-Fraktion hängen, noch ehe es zur
formalen Abstimmung kam. Der Vorschlag sah eine Steuerentlastung von bis zu 600
Euro für Autokäufer vor, die sich frühzeitig für Dieselfahrzeuge mit moderner
Filtertechnik entscheiden oder ihre Altwagen entsprechend nachrüsten. Die
ultrafeinen Abgaspartikel aus Dieselmotoren gelten als Ursache von
Atemwegserkrankungen und Krebs. Der rot-grüne Antrag verschwand in der Ablage,
nachdem vor SPD-Fachpolitikern ein Brandbrief des VW-Vorstandsvorsitzenden
Bernd Pischetsrieder an Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering verlesen
worden war, in dem der Manager heftig gegen die Pläne zu Felde zieht. VW und
andere deutsche Autohersteller fürchten, dass das beabsichtigte Steuergeschenk
ausländischen Herstellern wie Peugeot und Citroen, die eine aufwendige
Filtertechnik schon seit Jahren serienmäßig auch in kleineren Modellen
einsetzen, weitere Käufer zutreibt."
Klar, dass der Boss einer Automobilfirma sich einen Dreck um die Gesundheit der
Bürger schert, wirkt wie die erste Lektion eines marxistischen Lehrbuchs zum
Kapitalismus. Dass es aber den Sozialdemokraten völlig wurscht ist, wenn die
Menschen an Atemwegserkrankungen und Krebs leiden, und sich stattdessen sofort
zum Büttel der Automobilindustrie machen lassen… na gut, ist schon klar,
wundert eigentlich auch niemanden so richtig, oder?

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"Wir kennen das Ende. Ich bin ein Melancholiker, aber wie alle
Melancholiker ein heiterer Mensch." Kurt Tucholsky

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Wiglaf Droste hatte es in einer Zeitung empfohlen, und so wollte man die CD
"F.W.Bernstein, in mir erwacht das tier", mit Anne Bärenz und Frank
Wolff käuflich erwerben. Nicht gerade die typische CD für den Indie-Stammladen,
also kommt man bei dem größten Berliner "Kulturkaufhaus" (mit den
arrogant-schnöseligsten und dabei inkompetentesten Verkäufern in der Weltmusik-Abteilung,
das sei nur am Rande angemerkt) vorbei. Die CD ist nicht vorhanden. Man fragt
eine junge Dame an einem Info-Terminal, die tippt etwas in ihren Computer ein,
um nach geraumer Zeit festzustellen, "nö, gibt's nicht". Aber es stand
doch diese Woche in der Zeitung… Die Dame schaut weiter in ihren Computer, um
dann bestimmt festzustellen: "Erscheint erst im Herbst", also in ca.
3-4 Monaten. Wenig später erwirbt man die wunderbare CD, die es erst im Herbst
geben wird, dann in einem kleinen Kreuzberger Buchladen…

Der Monopolismus großer Buch- und Plattenläden ist recht eigentlich ein Feind
der Kultur! Da kann die Tarnung zum "Kulturkaufhaus" noch so gelungen
sein…

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Rundmail-Nachricht von Labels: "DRINGLICHKEIT BESTEHT IMMER verschiebt sich".
So kann man das alles natürlich auch sagen…

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Eine Meldung in der Süddeutschen Zeitung vom 4.6.2004: "Gerhard
Schröder warnte vor der Abhängigkeit vom Öl und forderte eine Energiewende."

Wunderbare Forderung des Oppositionspolitikers! Man wünschte sich, Gerhard
Schröder würde endlich Bundeskanzler, damit er mal seine Forderungen in die
Realität umsetzen könnte!
(Meldungen, wonach Gerhard Schröder seit 1998 Bundeskanzler ist und einer
rot-grünen Bundesregierung vorsteht, werden hiermit entschieden dementiert und
als üble Nachrede entlarvt. Dass ausgerechnet die Süddeutsche Zeitung auf
derartige Meldungen hereingefallen ist und vor den Namen des Politikers das
Wörtchen "Bundeskanzler" gesetzt hat, kann nur als gezielte
Irreführung der Öffentlichkeit gewertet werden…)

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Europameister? Werden "die anderen" (mein Vorschlag: Italien; leider
nicht Frankreich oder Tschechien).
Aber ein Tip für Rudi Völler: "Unter dem Strich hatte ich weniger
Spiele verloren als alle anderen DDR-Trainer zusammen."
(DDR-Erfolgstrainer Georg Buschner)

Move ahead and your ass will follow! (F.S.K.)