16.02.2014

Tyrannei der Arbeit

Ulrich Renz ("Tyrannei der Arbeit") im Gespräch mit Reinard Jellen auf "Telepolis", 15.2.2014:

"Heute arbeitet ein Vollzeit-Angestellter durchschnittlich eine knappe Stunde länger in der Woche als er das vor 15 Jahren getan hat, nämlich 43 Stunden. Zum ersten Mal hat sich damit ein Trend umgekehrt, der immerhin schon anderthalb Jahrhunderte angedauert hat: Dass nämlich die Arbeitstage der Menschen immer kürzer wurden. Und genauso ist auch zum ersten Mal seit den Hochzeiten der industriellen Revolution die Lebensarbeitszeit wieder am Steigen. Ein Jugendlicher, der heute am Anfang seines Berufslebens steht, wird etwa 10.000 Stunden länger bei der Arbeit sein als sein Vater oder seine Mutter.
Das ist aber nur die rein quantitative Seite der Mobilisierung. Arbeit hat auch eine andere Qualität angenommen. Die Menschen müssen jetzt mehr ranklotzen. Arbeiten ist härter geworden, dichter, intensiver. Tyrannischer - um es mit dem Begriff aus meinem Buch zu sagen."

Spielt hierbei die Einführung von Hartz IV eine Rolle?

Ulrich Renz: "Ja, selbstverständlich. Die Schröder-Reformen waren im Kern ja nichts anderes als eine Preissenkung für wenig qualifizierte Arbeit. Es ist nur folgerichtig, dass die Nachfrage gestiegen ist und der Billiglohnsektor aufgeblüht ist."

Mit dem Resultat, dass viele Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können ...

Ulrich Renz: "Ja, unsere Gesellschaft ist dadurch in eine paradoxe und beschämende Situation manövriert worden: Die Wirtschaft hat an Stärke gewonnen wie ein Bodybuilder unter Anabolika, aber von seinem Job eine Familie zu ernähren ist für einen großen Teil der Beschäftigten zu einer Utopie geworden, die man allenfalls noch aus den Erzählungen von früheren Zeiten kennt."