16.06.2014

GEMA Richard Strauss

Die GEMA gratuliert Richard Strauss zu seinem gestrigen 150. Geburtstag
und feiert ihn als einen „der
bedeutendsten Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts“; außerdem
werde  „Richard Strauss als einer der Gründungsväter der GEMA bezeichnet“,
sagt GEMA-Vorstandsvorsitzender Harald Heker laut „Musikwoche“, und
entsprechend will die GEMA im September eine Festveranstaltung in der Berliner
Philharmonie „begehen“, denn: Richard Strauss habe „Anfang 19093 die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer gegründet (...)
Aus dieser Organisation entstand am 1.Juli 1903 als Verwertungsgesellschaft die
Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht (AFMA), eine Vorläufergesellschaft
der GEMA“, so GEMA-Chef Heker weiter.Ein schönes Stück Geschichtsklitterung, auf mehreren Ebenen. Denn ganz
so einfach, wie GEMA-Heker das darstellt, war es nicht. Es gab ja bis 1930
mehrere konkurrierende Verwertungsgesellschaften, und es war erst der
Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, der 1933
die Umwandlung der miteinander kooperierenden Verwertungsgesellschaften in ein
staatlich sanktioniertes und kontrolliertes Musikverwertungsmonopol, die
STAGMA, vornahm. Die von Goebbels und seiner NSDAP verfügte monopolistische
Ausschließlichkeit der Wahrnehmung der Musikverwertungsrechte (und nicht etwa
die 1903 von Richard Strauss mitgegründete Genossenschaft) sind bis heute die
Rechtsgrundlage der STAGMA-Nachfolgeorganisation GEMA.In Zeiten, wo selbst große Konzerne wie Volkswagen oder Audi von
unabhängigen Historikern ihre Firmengeschichte während des Nationalsozialismus
erforschen lassen, sollte es doch eigentlich der Anstand gebieten, daß die GEMA
nicht zu derartigen Geschichtsklitterungen greift.Doch die Angelegenheit ist ja noch pikanter: denn nicht nur die GEMA
fußt auf den Gesetzen von Goebbels und der NSDAP, nein, der Komponist Richard
Strauss war ein hochrangiger Nazi-Funktionär. Der „entschiedene Antidemokrat“ („FAZ“) wurde 1935 von den Nazis zum
Präsidenten der Reichsmusikkammer ernannt. Richard Strauss war ein Komponist,
der mit den Nazis intensiv paktiert hat, als „Reichsmusikdirektor“ eine
wichtige Rolle im NS-Staat innehatte. Strauss profitierte auch entschieden vom
NS-Regime, nicht zuletzt durch seine Gefälligkeitskompositionen für die Nazis,
etwa die „Olympische Hymne“ (die von der NS-Presse als eine „glückliche Synthese zwischen Kunst und
Volkstümlichkeit“ bejubelt wurde) oder Vertonungen „nationaler“ Texte von
Weinheber und eine „Japanische Festmusik“, die Strauss 1941 zur 2600-Jahr-Feier
des mit dem Deutschen Reich verbündeten Kaiserreichs Japan komponierte. Zu
seinem 80.Geburtstag machten zwei SS-Offiziere ihre Aufwartung und brachten –
im fünften Kriegsjahr! – zwei Kisten Sekt mit den besten Wünschen vom
polnischen „Generalgouverneur“ Frank aus Krakau. Man kann das alles in Fred K.
Priebergs vorzüglichem Buch „Musik im NS-Staat“ nachlesen, aber wahrscheinlich
ist das gerade vergriffen...

Machten zu Richard Straussens 80.Geburtstag also SS-Offiziere und
Nazifunktionäre dem Jubilar ihre Aufwartung, so ists zu seinem 150. die GEMA.
So fügt sich eben immer eines zum anderen, und es wächst zusammen, was
zusammengehört.

In einem anderen Punkt passen Richard Strauss und GEMA allerdings wirklich
vorzüglich zusammen: es geht beiden um Musik, die möglichst vielen gefallen
soll und möglichst großen Profit abwirft. Eleonore Büning beschreibt das in der
„FAZ“: „Er hat nicht das Rad noch einmal
neu erfinden oder dem Fortschritt der Menschheit dienen wollen, wie sein
Antipode Schönberg und andere es vorhatten. Strauss war von dem bescheidenen Ehrgeiz
beseelt, gute Musik zu schreiben, die ihm selbst gefallen sollte und möglichst
vielen anderen auch. Und damit Erfolg zu haben. Und gut zu leben davon. Man muß
sagen, das alles ist ihm weitgehend geglückt.“(P.S.: Wie man im Feuilleton-Leitartikel in der „Berliner Zeitung“ einen
großen Text über Richard Strauss veröffentlichen kann, ohne auch nur ein
Sterbenswörtchen über seine Rolle im NS-Staat zu verlieren, ist ein Rätsel und
deprimierend.)