03.03.2015

Selma und das Copyright

Der Film „Selma“ ruft einen der großen Märsche der amerikanischen
Bürgerrechtsbewegung in Erinnerung, den die Aktivisten für das Wahlrecht von
afroamerikanischen BürgerInnen organisiert hatten, der von weißen Polizisten
brutal niedergeknüppelt wurde und als „Bloody Sunday“ weltweit in die
Schlagzeilen geriet – ich beschreibe das in meinem Buch „Das Geschäft mit der
Musik“ ausführlich.

Die Reden die der Bürgerrechtler Martin Luther King anläßlich der
Protestmärsche und Demonstrationen in Selma und Montgomery im März vor fünfzig
Jahren gehalten hat, konnten in dem Film jedoch nicht verwendet werden, es sind
nur fiktive, „nachempfundene“ Redebeiträge zu sehen. Warum das so ist? Es hat
mit der verdammten Rechtehaberei, dem Copyright zu tun. Laut „FAZ“ hat Steven
Spielberg sich die Rechte an allen Reden von Martin Luther King gesichert und
will sie nicht freigeben, bis er seinen eigenen Film über King gedreht hat – in
dem er die Reden des Bürgerrechtlers exklusiv verwenden möchte.

Nun ist Martin Luther King’s legendäre „I Have A Dream“-Rede eines der
wichtigsten historischen Dokumente der US-amerikanischen Geschichte. Doch Sie
werden keine komplette Dokumentation der Rede finden, weder auf Video im Netz,
noch als Audiofile, nicht einmal im digitalen Archiv des „King Center“. Wenn
Sie diese politische Rede legal ansehen wollen, müssen Sie sich für 20 Dollar
eine DVD kaufen. Und das hat damit zu tun, daß „King Estate“ und „EMI
Publishing“ die Weltrechte an dieser Rede und an ihrer „recorded performance“,
also an der Aufnahme der „Aufführung“, halten. Laut Angaben in einem
interessanten Artikel auf „Vice“ war der King-„Katalog“ einer der ersten
nicht-musikalischen Rechtekataloge, die EMI Publishing erworben hat (heute
dürfte der Katalog zu Sony gehören, da EMI bekanntlich unter die anderen
Großkonzerne der Tonträgerindustrie aufgeteilt wurde).

Natürlich wäre eine der wichtigsten politischen Reden des 20.
Jahrhunderts das ideale Beispiel, an dem man illustrieren kann, daß solche
Reden „public domain“, also gemeinfrei sein müssen. So entsteht die perverse
Situation, daß die Rede Kings in keiner Dokumentation und in keinem Spielfilm
über die US-Bürgerrechtsbewegung vorkommen darf. Und wer entscheidet darüber,
wo sie gezeigt werden darf? Traurige Pointe: der weiße Mann. Steven Spielberg.
Ob Martin Luther King dafür seinen politische Kampf gekämpft hat?