28.10.2015

Biergiganten, Konzertgiganten, Michael Rapino

„Ein Biergigant schluckt den anderen“ lauteten die Schlagzeilen, als
bekannt wurde, daß die beiden weltgrößten Bierbrauer fusionieren:
Anheuser-Busch Inbev kaufte für unglaubliche 92 Milliarden Euro die
SABMiller-Gruppe, was als „eine der größten Übernahmen in der Unternehmenswelt“
gilt. Soweit so schlecht. Wer denkt, daß sein Beck’s, Hasseröder, Budweiser,
Franziskaner, Löwenbräu, Corona, Diebels oder Löwenbräu (alle Anheuser-Busch
Inbev) oder sein Pilsner Urquell oder Gambrinus (jeweils SABMiller), oder sein
Jever, Radeberger oder Schöfferhofer (alle Oetker-Konzern) aus einer netten
Privatbrauerei stammen würde (oder in der Semperoper gebraut werde, wie mehrere
mir bekannte US-Musiker angesichts der Fernsehspots von Radeberger glaubten), der
ist natürlich gutgläubig und naiv.

Was aber macht diese Fusion der Bier-Giganten zu etwas Besonderem in der
Geschichte der Monopolisierungsentwicklungen, die jüngst auch gesehen hat, wie
Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia die Nummer zwei, Deutsche
Wohnen, übernimmt? Die Fusion der Immobilienkonzerne, die dann mehr als 500.000
Wohnungen verwalten, alarmiert die Mieterschützer. Die Menschen zahlen immer
die Zeche, wenn Konzerne größer werden, das ist klar, das reicht von „teurer
wohnen“ bis zu „schlechteres Bier trinken“.

Es lohnt sich aber, kurz einen anderen Blick auf den weltgrößten
Bierkonzern Anheuser-Busch Inbev zu lenken mit seinen 21% Weltmarktanteil und
einem Umsatz von mehr als 47 Milliarden US$ und einem Gewinn (Ebit) von über 15
Milliarden US$. Denn einer der wichtigsten Männer der Konzertbranche kommt aus
dem Biergeschäft und studierte dort Konzentrationsprozesse, die er auf das
Veranstaltungsgeschäft anwandte und den Weltmarktführer Live Nation
konstruierte. Die Rede ist von Michael Rapino, dem CEO des weltgrößten
Live-Konzerns Live Nation, der das Konzertgeschäft laut „Billboard“
„fundamental verändert“ hat: „he really is the Concert Master“.

Michael Rapino ist in Kanada aufgewachsen, in Thunder
Bay. Von einem Freund im örtlichen „Beer Store“ (das ist in Kanada der einzige
Ort, an dem man Bier kaufen kann) hört er, daß bei der Brauerei Labatt ein Job
als College-Vertreter frei ist. Rapino schreibt einen detaillierten
Marketingplan, mit dem er zum Vorstellungsgespräch geht. Er bekommt den Job.
Die Labatt Brewing Company Ltd. ist eine kanadische Brauerei, die 1847 von dem
irischen Einwanderer John Kinder Labatt in London, Ontario gegründet wurde.
1915 begann in Kanada das Verbot öffentlicher Bars, manche Provinzen verboten
die Produktion von Alkohol, ähnlich der Prohibition in den USA. Labatts
Strategie war es, ein Bier mit weniger als 2% Alkoholgehalt herauszubringen,
das in Ontario verkauft werden durfte. Durch die Verbote, die bis 1926 bestanden,
mußten viele Brauereien in Kanada schließen, was jedoch die Marktstellung der
Labatt-Brauerei festigte. 1951 startete Labatt den Verkauf des Pilsener Lagers
namens „Blue“; um diese Biermarke zu bewerben, ging die Firma einen
langfristigen, genau: Sponsoring-Deal mit dem Footballteam Winnipeg Blue
Bombers ein. Die Brauerei wurde 1995 vom belgischen Konzern Interbrew (heute
als InBev bekannt) übernommen – Interbrew ging aus einer 1366 gegründeten und
1717 von Sebastien Artois in Artois umbenannten Brauerei hervor. Artois ging
seit 1952 auf Beutezug und übernahm nach und nach etliche führende Brauereien,
zunächst in Belgien (1952 Leffe), dann auch in den Nachbarländern Holland und
Frankreich. Seit der Börsennotierung 2000 dehnte die 1987 in Interbrew umbenannte
Firma ihre Expansion rasch aus und übernahm 2002 die deutschen Brauereien
Diebels, Beck’s und die Gilde-Gruppe (u.a. Hasseröder), 2003 unter anderem die
Spaten-Löwenbräu-Gruppe, 2004 die Dinkelacker-Gruppe und die führende
chinesische Brauerei Zhejiang Shiliang Brewery Company Ltd. Durch den
Zusammenschluß mit AmBev im gleichen Jahr entstand die größte Brauereigruppe
der Welt, eine Position, die durch die Übernahme von Anheuser-Busch 2008 noch
ausgebaut wurde.

Doch zurück zu Michael Rapino. Die von Rapino und
seinen Bewunderern gestreute Narration des besessenen Erfolgsmenschen geht so:
Rapino studierte Buchhaltung, arbeitete in diesem Beruf jedoch nur zwei Wochen
bei Labatt. Er wollte Repräsentant der Biermarke werden und bildete sich
beharrlich weiter, „las jedes Buch in der Unternehmensbibliothek“ (Bob Lefsetz)
und nutzte jede Chance auf betriebliche Weiterbildung. Er wurde die Nummer Eins
unter den Labatt-Vertretern. In einer versoffenen Nacht beschloß Rapino
angeblich, daß er Chef einer Konzertagentur sein wollte, bevor er 40 wurde,
wahrscheinlich auch beeinflußt durch die Verflechtung des Labatt-Konzerns mit
dem Konzertveranstalter CPI, der Firma eines gewissen Michael Cohl. Nach über
einem Jahrzehnt bei dem kanadischen Bierbrauer gründete Rapino seine eigene
Konzertagentur und verkaufte sie später an den SFX-Konzern.

So ist das im Monopolkapitalismus unserer Tage,
wurscht, ob Bier, Wohnungen oder Konzerte: Es geht ums „Imperiengeschäft“, wie
Walt das in „Breaking bad“ nennt, es geht darum, ein immer größeres Imperium
aufzubauen, Monopole zu errichten, die weltweit Milliardengewinne abwerfen,
nicht selten auch unter Umgehung der Gesetze (Tochtergesellschaften von
Anheuser-Busch InBev waren an sogenannten Bierkartellen mit unerlaubten
Preisabsprachen in NL und in D beteiligt, man fungierte vor den Kartellbehörden
als Kronzeuge und ging in NL wie D straffrei aus. Wer aber zahlt die Zeche?
Dreimal dürfen Sie raten.