28.10.2015

Harald Martenstein ist auch bescheuert

In der nach oben offenen journalistischen Bescheuertheitsskala liefert
sich der Blödzeitung ihr Franz Josef Wagner
ein Kopf an Kopf-Duell mit dem Tagesspitzel und der Zeit ihr Harald Martenstein.
Der war „wochenlang hin- und hergerissen
in der Flüchtlingsfrage“, teilt er seinen LeserInnen mit. Was?!? Ist es
endlich soweit, und jemand, der mit schlechten Texten die Zeitungen vollschreibt,
wird zur Flucht gezwungen? Iwo. Martenstein plappert über die Kanzlerin: „Ist Angela Merkel eine Lichtgestalt, oder
baut sie gerade großen Mist?“ Das sind so die Fragen, die Martenstein sich
stellt. Und ist „fassungslos“ über Merkels „Hippiedenken,
das so tut, als stellten fast eine Million Neubürger aus einem völlig anderen
Kulturkreis, und das womöglich Jahr für Jahr, einfach nur eine wunderbare
Bereicherung dar.“Die Menschen strömen laut Martenstein nach Deutschland, weil das, „alles in allem, ein prima Land“ ist. „Wohlhabend, sozial, frei, gastfreundlich,
tolerant und relativ konfliktarm.“ Allerdings dräut Gefahr, und Martenstein
sieht sie am Horizont heraufziehen: „Wenn
die Zahl der Zuwanderer ein gewisses Maß übersteigt, wird sich das Land natürlich
verändern, die Zustände können sich schlimmstenfalls denen in den
Herkunftsländern der Flüchtlinge annähern.“Echt jetzt? Wenn „die Zahl der
Zuwanderer ein gewisses Maß übersteigt“, kommt die IS und bombardiert die
Bastionen unserer Kultur, also die Redaktionsgebäude von Tagesspiegel und Zeit?
Und Assads Schergen werden Martenstein und Wagner foltern?„Davon hätte
niemand etwas“, stellt Martenstein fest, „weder
die Bundesbürger von heute noch die von morgen.“ Daher ist es „nicht illegitim, wenn Gemeinschaften auch
ihre eigenen Interessen im Auge behalten, egal, ob es eine Familie ist, eine
Hausgemeinschaft oder ein Land.“ Also müssen, so Martenstein, „die Deutschen ein Verhalten zeigen, das sie
verlernt haben: Sie müssen selbstbewußt, autoritär und auch hart sein.“
Hart wie Kruppstahl. „Sie“, also „die Deutschen“, „müßten sagen: ‚Das sind wir. Das ist unsere Lebensweise. Ihr müßt sie
akzeptieren, nur dann dürft ihr bleiben.’“

Aber ach, dazu wird es nicht kommen, der Martenstein sieht schwarz, denn
es gibt keine harten Deutschen mehr, keine wie ihn, nur noch Hippies wie Angela
Merkel: „Natürlich hängt unser Hippietum
mit der Nazivergangenheit zusammen. Wer sind wir? Die meisten sind sehr lieb
und können nicht anders, auch, wenn es gut und richtig wäre.“ Nur Merkel,
die „Wagnerianerin“ (Richard, nicht Franz Josef!), kapiert es nicht: „Das, was Angela Merkel gerade mit
Deutschland anstellt, würde kein Mensch mit seiner Wohnung tun. Selbst der
gutmütigste Mensch der Welt würde sich doch, bevor er Gäste aufnimmt, die Frage
stellen, wie groß die Wohnung ist, wie viele Gäste er aufnehmen kann, wie viele
Mitbewohner seine Brieftasche und seine Nerven verkraften können und wer die
neue Bewohner überhaupt sind.“ (Grammatik so im Original) Um dann Merkels
„Wir schaffen das“ in eine Reihe zu stellen mit den Durchhalteparolen des
Nazi-Regimes Anfang 1945. Ekelhaft. Aber das deutsche Bürgertum liebt seinen
Martenstein.

Wofür der Martenstein zwei lange Spalten braucht, das erledigt Orban-Kumpel
Seehofer in zwei Sätzen, wenn er sein bayerisches Kabinett „Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung“ verabschieden
läßt und „dabei offenbar erwägt, im Zweifel auch
Maßnahmen zu ergreifen, die rechtlich nicht gedeckt sind“ („Süddeutsche Zeitung“).Was den großartigen Franz Dobler zur naheliegenden Frage bringt:„Was passiert eigentlich, wenn ich mich
gegenüber dem Verwaltungs-Betriebswirt Horst Seehofer und der bayerischen
Staatsregierung in einer Notwehrsituation sehe, die mich dazu zwingt, ernsthaft
über ‚Notwehrmaßnahmen’ nachzudenken und ‚im Zweifel auch Maßnahmen zu
ergreifen, die rechtlich nicht gedeckt sind’?“Nun weiß man, daß Seehofer nur ein Papiertiger, es mit seiner „Notwehr“
also im Zweifel nicht weit her ist. Was aber ernst zu nehmen ist, ist seine
Demagogik, die sich der von rechtsextremen Regierungen und Parteien wie dem
Ungarn Orban oder dem französischen Front National nicht unterscheidet. Und was
passiert, wenn konservative Parteien die ausländerfeindliche Propaganda vom
rechtsextremen Rand übernehmen? Sie verlieren selbst Stimmen und bereiten
dagegen den Rechtsaußen-Gruppierungen das Feld: „Mit seinen Attacken gegen
Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik hat der bayerische
CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer offenbar die Ausländerfeindlichkeit – und
damit das Kernthema der AfD – wieder salonfähig gemacht.“ (Manfred
Güllner, Chef von Forsa)