18.12.2016

Nordkoreanisierung bundesdeutscher Politik

Die Nordkoreanisierung der deutschen Politik dagegen geht stetig voran.
Jüngstes Beispiel: Ohne jede öffentliche und ohne jede parlamentarische Diskussion treibt der Haushaltsausschuß des Bundestags die Preußisierung Berlins voran. Gegenüber dem Neubau des „historischen“ Stadtschlosses – einem modernen, demokratischen Staat fällt im Zentrum seiner Hauptstadt bekanntlich nichts Besseres ein, als das Symbol eines reaktionären Feudalregimes wieder aufzubauen – sollen nun auch noch die Kolonnaden des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Berliner Schloßplatz wieder errichtet werden. Das hat der Haushaltsausschuß des Bundestags im stillen Kämmerlein so entschieden – wie gesagt, ohne öffentliche Diskussion, ohne Rücksprache mit dem Berliner Senat – Politik mit dem Scheckbuch: Entweder ihr ruft die 18,5 Millionen Euro ab, die der Bund dem Land Berlin für die Wiedererrichtung von Preußens Gloria zur Verfügung stellt, oder ihr könnt sehen, wo ihr bleibt.
Eine demokratische Meinungsfindung ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Die Haushälter von CDU und SPD, Kruse und Kahrs (nennen wir sie einfach KahKru), machen Politik nach Gutsherrenart, sie „versorgen ihre Heimat- und Wahlkreisstadt Hamburg großzügig mit Fördermitteln“ („FAZ“). Und auch das Denken, wenn man das so nennen will, von KahKru entspricht eher feudalen Traditionen: „Wir“, sagen sie, „wir haben in Berlin nur eine Prachtstraße, nämlich Unter den Linden vom Brandenburger Tor bis zum Roten Rathaus“, und da gehört eben so viel Preußenfolklore hin wie nur irgend möglich.
Das demokratische „Einheitsdenkmal“ (ästhetisch und inhaltlich schrecklich, ich weiß) soll da einem Kaiser-Wilhelm-Denkmal nicht im Weg stehen, wenn es nach KahKru geht. Für Preußens Kaiser, Schlösser und Gloria betreiben KahKru Finanzpolitik im Handstreichstil.

Aber wie gesagt, die Nordkoreanisierung der deutschen Politik hat System:
Monatelang wurde über den nächsten Bundespräsidenten von Politik und eingebetteten Medien mit Verve diskutiert, so, als ob dieser Grüßaugust irgendeine politische Funktion hätte, und als ob es keine wichtigeren Themen für eine politische Debatte geben würde. Dann haben ein paar Parteifunktionäre, nämlich die Vorsitzenden von CDUSPDCSU, hinter verschlossenen Türen einen Vorschlag ausbaldowert, und seitdem läuft ein Herr Steinmeier als quasi-schon-Bundespräsident durch die Lande. Nun, zugegeben, der Vergleich mit nordkoreanischen Usancen ist etwas ungerecht, denn das Regime Nordkoreas hätte so eine Entscheidung in wesentlich kürzerer Zeit und mit größerer Effizienz zuwege gebracht.

Oder da behauptet der SPD-Politiker Schulz: „Im kommenden Jahr werde ich den Platz eins der Landesliste Nordrhein-Westfalen für den Bundestag einnehmen.“ Gab es da bereits eine Wahl zu den Listenplätzen der SPD, und wir haben das verpaßt? Natürlich nicht. Deswegen sagt Schulz ja auch nicht, daß er sich wählen lassen will, sondern daß er den Listenplatz eins „einnehmen“, also okkupieren wird. Er geht fest davon aus, daß sein sozialdemokratisches Stimmvieh ihn schon aufstellen wird. Demut oder gar Demokratiebewußtsein sieht anders aus. Es ist wie in Pjöngjang: Ich nehme Platz eins ein. Ihr werdet gar nicht erst gefragt. Lang lebe die Parteiendiktatur! Und niemand versteht, warum die Bürger*innen von all dem die Nase voll haben...