21.01.2014

Jack White Paramount-Box

Jack White hat auf seinem Label eine opulente Box mit Aufnahmen von
Paramount Records veröffentlicht: „The Rise and Fall of Paramount Records
1917-1932“. Was ist an dieser Veröffentlichung so degoutant, ja nachgerade
pervers?Hier wird eine Fetischisierung des Musikgeschmacks betrieben, die
ihresgleichen sucht. Alte, Urheberrechts-freie Aufnahmen werden in einer
limitierten (!) handgeschnitzten (!) Eichen(!)box mit Salbei(!)-Samt(!)-Bezug
und handgeschmiedeten (!) Intarsien auf 6 Vinyl-LPs ausgeliefert. Die LPs
wurden auf kastanien(!)farbigem Vinyl gepreßt und haben handgravierte (!)
Blattgold(!)-Etiketten mit einer aufwendigen Blindprägung; die LPs werden in
gelaserten (!) weißen Birken(!)-Hüllen verpackt. Dazu gibt es die einschlägigen
dicken Bücher und einen USB-Stick mit 800 remasterten Tracks und 200
Werbeanzeigen aus der fraglichen Zeit – der USB-Stick hat einen wahrscheinlich
handgravierten bronzeartigen Griff... Sie fragen sich zu Recht – ist das alles
nicht bescheuert? Komplett durchgeknallt? Ja, es ist. Doch ich habe nur aus der
Selbstbeschreibung zitiert, die man auf der Homepage von Jack Whites Label
finden kann. Aktueller Preis dieser Box, des selbsternannten „Wonder Cabinets“,
bei Amazon (Stand 3.1.2014): EUR 568,68.Eine perverse Selbstbefriedigung eines Musikers, hergestellt im
„Manufaktum“-Style für die Reichen, die sich ihren Distinktionsvorteil noch
etwas kosten lassen (diese Musik aber in der Regel kaum hören werden). Wenn es
Jack White um die Musik gehen würde, die auf diesen LPs und auf dem USB-Stick
zu hören ist, wenn es ihm darum gehen würde, daß diese Musik (und es ist wohl,
neben viel Mittelmaß, auch großartiges Zeug darauf, z.B. von Charley Patton,
Blind Lemon Jefferson, Son House, Ma Rainey, Ethel Waters) gehört wird, dann hätte er diese Musik zugänglich gemacht, also kostenlos im Netz veröffentlicht – wie
gesagt, wir reden von Musik aus den Jahren 1917-1932..Aber hier geht es nicht um die Musik. Hier geht es um eitle
Selbstdarstellung. Hier geht es um ein „Mausoleum
für die absterbende Kunst des Plattenhörens“, wie Simon Reynolds sagt; für
Reynolds haben Box Sets immer etwas mit „Särgen“ zu tun, und genau diese
Assoziation hat man beim Paramount-„Wonder Cabinet“ des Jack White: ein
aufwendiger Eichensarg soll hier bereitgestellt werden, den sich die Reichen
als „Coffee-Table-Box-Set“ neben den Couchtisch stellen können. Vergriffene
schwarze Musik als High End-Nischen-Kapitalismus.Ich mag Jack White. Ich war auf seinem letzten Berlin-Konzert, das viel
Spaß gemacht hat, und ich mochte die White Stripes. Und ich war in Austin,
Texas, an seinem umgebauten Bus und habe einige der von ihm
wiederveröffentlichten Platten gekauft. Ich glaube, Jack White ist ein guter
Typ. Aber er zeigt eben auch, wie rasch sich ein Musiknerd, dem es nur um
Authentizität und Verfeinerung geht, in die Sackgasse manövrieren kann. „Wild“
Billy Childish erzählt in Simon Reynolds Retromania-Buch, wie die White Stripes
über Monate hinweg in einem alten Studio versuchten, Platten aufzunehmen, die
so klingen sollten wie diejenigen, die ihre Vorbilder dort an einem Tag
aufgenommen hatten. Auf der Suche nach dem verlorenen Sound... Jemand muß Jack
White sagen, daß er auf einem Irrweg ist.(die Musik der Paramount Box ist mittlerweile übrigens laut Google auf
Pirate Bay zu finden...)