Photo: Julia Reihs for KUTX
Akuelles Album: 

Alejandro Escovedo, “The Crossing”

Erschienen bei: Yep Rock
Tour: Alejandro Escovedo (solo)

Alejandro Escovedo

„Mit diesem mächtigen, politisch engagierten Album irgendwo zwischen Los Lobos, Chuck Prophet, R.E.M., Calexico und Richmond Fontaine erweist sich Escovedo wieder einmal als einer der herausragenden, dabei jedoch leider sträflich unterbewerteten Folkrock-Songwriter der USA”, schreibt der “Stern” über das neue Album „The Crossing“ von Alejandro Escovedo. Und der “Rolling Stone” vergibt 4 Sterne für diese “Geschichte einer amerikanischen Desillusionierung: Lässig und tough.“ Ganz sicher ist „The Crossing“ (das nicht zufällig auf den gleichnamigen Roman des großen Cormac McCarthy anspielt) eines der besten Alben der an hervorragenden Alben nicht gerade armen Karriere des Künstlers, der schon 1998 vom Americana-Magazin “No Depression” als “Artist of the Decade” ausgezeichnet wurde und 2006 den “Lifetime Achievement Award for Performing” der “Americana Music Association” erhielt.

„The Crossing“ erzählt die Geschichte von Salvo (Italien) und Diego (Mexiko), die sich in Texas treffen, um ihr „gelobtes Land“ zu ergründen und noch einmal groß vom Rock’n’Roll zu träumen. Natürlich tritt schnell Ernüchterung ein angesichts Trumps Amerika, und Escovedo erzählt diese Geschichte der Desillusionierung in großartigen Songs und mit einer Musik, die von cinemaskopischen Soundlandschaften über Post-Punk, Americana bis zu sattem Rock reicht – „John Cale meets Warren Zevon“ („Der Neue Tag“).

Natürlich erzählt Alejandro Escovedo hier auch seine eigene Geschichte, die ja nicht erst begann, als der Einwanderer-Sohn aus San Antonio mit The Nuns im Januar 1978 im Vorprogramm der letzten Show der Sex Pistols in San Francisco auftrat. „Schon zuvor war er, als rassistisch angefeindeter Teenager im Surferparadies Orange Country, nicht gerade mit leichtem Gepäck gereist. Eine Erinnerung, die heute erst recht gültige Zeilen gebiert: ‚America is beautiful, America is ill, America’s a blood stain in a honky-tonk kill.‘“ (Jörg Feyer im „Rolling Stone“)

Die Band, mit der Alejandro Escovedo diese sehr amerikanische, aber natürlich auch allgemeingültige Geschichte von Flucht, Rassismus und Desillusionierung umgesetzt hat, kommt aus Italien: Don Antonio (of Sacri Cuori fame), auch Koautor des Albums, und die  Band „klingen, als hätte man Mott The Hoople und die Stooges mit dem Sir Douglas Quintett gekreuzt, so lässig und tough zugleich reiten sie durch die Songs. Dann sind sie kurz mal Los Lobos oder die kleine Bar-Band um Mitternacht, oder durchbluten Escovedos orchestrale Ader“ (nochmal „Rolling Stone“). Und da haben wir noch nicht von den veritablen Gastmusikern auf dem Album gesprochen: die Riege reicht von Joe Ely und Willy Vlautin (die beide auch je einen Song beigesteuert haben) über Wayne Kramer (MC5) bis zu James Williamson (The Stooges). Live wird Alejandro Escovedo im Frühjahr 2019 in Europa mit Don Antonio und einer fünfköpfigen Band zu hören und zu sehen sein.

„Sein neues Album ist das Opus magnum einer bemerkenswerten Karriere abseits des US-Mainstreams.“ („Stern“)

„Ein Songzyklus über Immigrantenschicksale, die exemplarisch für Einwanderer in die USA stehen: Die Songs erzählen von Erinnerungen und Hoffnung, von Gefühlen und Erlebnissen.“ (Stereo, 4 Sterne)

„Escovedo, einer der letzten großen Rock’n’Roll-Romantiker, will mit ‚The Crossing‘ immer noch an dieses Gelobte Land glauben. Trotz allem. Gerade jetzt.“ („Rolling Stone“)

„Eine einmalige Mischung von Punkrock, Kammermusik und Corrida, die wie eine Nortena-Version der Velvet Underground klingt“. (No Depression)

Lenny Kaye (Patti Smith Band) über Alejandro Escovedo: “There are songwriters who sing their songs, and then there are songs who sing their writers.”  

“I’ve been a fan of Alejandro’s music for over 30 years.” Peter Buck (R.E.M.)

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Er ist wirklich einer der ganz Großen des Genres, als Singer/Songwriter wie als Pionier des damals noch nicht so genannten „Americana“. Und er ist auf vielfältige Art und Weise mit dieser Agentur verbunden: Wenn ich das recht erinnere, war das 1994, als ich eine Band namens The Setters auf Europatournee brachte. Walter Salas-Humara (of The Silos fame), Michael Hall (den ich für einen der größten Songwriter der 1990er Jahre halte) und Alejandro Escovedo hatten unter dem Titel ein Album eingespielt, das auch heute noch wie ein Solitär da steht – nun gut, vielleicht sollte man es formulieren, wie es „The Wire“ tut, wenn sie von „Records That Set The World On Fire (While No One Was Listening)“ sprechen…

Auf dem einzigen Album der Setters jedenfalls finden sich All-Time-Fave-Songs wie das geniale „Let’s Take Some Drugs And Drive Around“, „Susan Across The Ocean“ und eben von Alejandro Escovedo „It’s Hard“, „She’s Got“, das legendäre „Helpless“ und „Tell Me Why“. Allerdings mußte Escovedo sehr kurz vor Tourbeginn leider absagen und wurde von Tom Freund ersetzt, auch so ein Guter. Those were the days.

Wie bei so vielen begann Escovedos Karriere in einer Punkband, bei The Nuns in den 1970er Jahren. Später startete er mit seinem Bruder die True Believers, die einen Vertrag bei EMI erhielten, mit Los Lobos auf Tour gingen und bis heute einen festen Platz im Herzen aller Roots-Rock-Fans haben.

1992 startete er seine Solokarriere, mit den einschlägigen Höhen und Tiefen – zu Letzteren gehörte eine schwere Krankheit 2003, als er eine Hepatitis C verschleppt hatte, was eine beispiellose Solidaritätsaktion unter seinen Musikerkollegen zur Folge hatte, die das Charity-Album „Por Vida: A Tribute To The Songs Of Alejandro Escovedo“ einspielten, um seine Krankenhauskosten zu decken; wie so viele amerikanische Künstler damals konnte Escovedo sich keine Krankenversicherung leisten. Lucinda Williams, Lenny Kaye (von der Patti Smith Band), Steve Earle, Calexico, Jennifer Warnes, John Cale, die Cowboy Junkies, Sheila E. (ja, die Schlagzeugerin von Prince!), M. Ward, Vic Chesnutt und Howe Gelb und viele andere gehören zu den Interpreten seiner Songs und erwiesen dem Urgestein der Szene ihren Respekt – eine Verneigung, zweifelsohne.

Alejandro Escovedo erfreut sich seit etlichen Jahren wieder bester Gesundheit, und er hat sogar gewisse kommerzielle Erfolge erreicht, seine letzten Alben landeten in den US-Charts, und der legendäre Produzent Tony Visconti, der u.a. T.Rex, Thin Lizzy, die Manic Street Preachers und Morrisey produziert hat, vor allem aber für seine lange Zusammenarbeit mit David Bowie (seit „Space Oddity“) berühmt ist, arbeitete mit Escovedo zusammen.

Der Sound von Alejandro Escovedo ist sehr besonders. Das Americana-Magazin „No Depression“ hat es als „einmalige Mischung von Punkrock, Kammermusik und Corrida“ bezeichnet, die „wie eine Nortena-Version der Velvet Underground klingt“. Bei aller gebotenen Skepsis gegenüber derartigen Vergleichen – aber da ist was dran! Escovedo vereinigt die besten dieser Welten. Es ist tatsächlich eine kammermusikalische Version von Chicano-Rock’n’Roll, die ihre Punk-Wurzeln nicht verleugnet, aber ebenso wenig die Wurzeln in mexikanischer Corrida und im Jazz, und die gleichzeitig mit einem Bein bei Chuck Berry und James Brown steht. Hört sich furchtbar an, wenn man das so schreibt, ist aber wahr, ebenso, wie es wahr ist, daß Alejandro Escovedo einen einzigartigen Sound entwickelt hat, der unverkennbar ist.

Escovedo hat wirklich amerikanische Musikgeschichte miterlebt. Und er ist ein Musiker von altem Schrot und Korn, wie man sie hierzulande eben nicht findet: “You just do your good work, and people care,” sagt er. “I always believed, when I was a kid, that if you just worked hard, you would find fulfillment. A working musician is all I ever wanted to be. Hard work, to stay true to what you want to do, and then eventually someone would notice for that very reason.”

Sein Album “Burn Something Beautiful” erschien 2016, Peter Buck (R.E.M.) und Scott McCaughey (The Minus 5) waren Co-Writer und haben das Album produziert.