21.02.2024

Wunsch

„Ich wünschte, alles wäre gut!“ (Shakespeare, Richard III.)

 

21.02.2024

Gedanken zum Spotify-Bezahlmodus

Niedlich, wie sich alle möglichen und auch etliche unmöglichen Musiker:innen, aber auch viele Presseleute und Medienschaffende über den neuen Spotify-Bezahlmodus künstlich aufgeregt haben. Spotify plant eine Art Kappungsgrenze: Der Streamingdienst will Tracks nur noch dann vergüten, wenn sie mindestens 1000 Abrufe pro Jahr erzielen.
Einschlägig bekannte Musiker:innen, „Aktivist:innen“, Lobbyorganisationen der Kulturindustrie wie der VUT, Pro Musik, oder IMUC kritisieren die „willkürliche Kappung von Streaming-Einnahmen“ als „schockierend“, selbst der behäbige Deutsche Kulturrat reihte sich in den Chor der Kritiker:innen ein, und der Tonkünstlerverband Bayern e.V. forderte forsch: „Jeder Stream muss zählen!“

Aber worüber reden wir hier überhaupt?
Da sind auf der einen Seite die nüchternen Zahlen des Musikstreamings: Laut dem Jahresbericht 2023 des US-Konzerns Luminate, der u.a. die US-Charts berechnet und die Geschäfte der Musikindustrie analysiert, wurden 2023 jeden Tag (!) im Schnitt 103.500 (!) neue Tracks auf den Streamingdiensten hinzugefügt. Sage und schreibe 184 Millionen Tracks auf den Streamingdiensten haben mittlerweile einen ISRC-Code („International Standard Recording Code“), mit dem sie eindeutig identifiziert werden können.
Allerdings: Von diesen 184 Millionen Tracks wurden im vergangenen Jahr 45,6 Millionen kein einziges Mal abgerufen! 79,7 Millionen Tracks wurden 0 bis 10 mal abgerufen, weitere 45,2 Millionen Tracks wurden 11 bis 100 mal abgerufen, und 33,7 Millionen Tracks erzielten 101 bis 1000 Abrufe. Insgesamt kamen also rund 159 Millionen der 184 Millionen Tracks nur auf bis zu 1000 Streams. Wie gesagt, diese Zahl bezieht sich auf alle Musikstreamingdienste.
Bei Spotify machen die Tracks, die weniger als 1000 Abrufe jährlich erzielen, lediglich 0,5 Prozent aller Streams aus, während 99,5 Prozent aller Streams 1000 und mehr Abrufe erzielen und also weiterhin vergütet werden.

Viel Lärm um nichts also?
Nähern wir uns der Frage von einer anderen Seite. Anders, als häufig in den Medien und auch von Musiker:innen behauptet wird, gibt es ja keinen festen Betrag, den die Streamingdienste pro Abruf auszahlen. Zwei Variablen – die Zahl der monatlichen Abrufe sowie die Höhe der monatlichen Werbeeinnahmen – sorgen für einen ständig, wenn auch meist nur geringfügig wechselnden Auszahlungsbetrag. Aber gehen wir ausnahmsweise mal von einer durchschnittlichen Auszahlung in Höhe von 0,3 Cent pro Abruf aus. Das macht bei 10 Abrufen 3 Cent, bei 100 Abrufen 30 Cent und bei 999 Abrufen gerundet 3 Euro. Wohlgemerkt: Das ist der Auszahlungsbetrag an die Rechteinhaber, nicht an die Urheber:innen oder Musiker:innen. Die bekommen nämlich in den meisten Fällen nur 50 Prozent dieser Summe von den Plattenfirmen oder Musikverlagen, mitunter sogar noch weniger, selten mehr. Auch die meisten Indie-Firmen zahlen nur 50 Prozent an die Musiker:innen aus.
Im Klartext: Selbst wenn ein Track 999 mal in einem Jahr abgespielt würde, erhalten die Musiker:innen nur rund 1,50 Euro dafür. Und, siehe oben: Das Gros der Tracks unter 1000 Abrufen, nämlich rund 125 der 159 Millionen, wird nicht etwa 999 mal gespielt, sondern null bis 100 mal, macht also bestenfalls 15 Cent für die Musiker:innen. Wie man angesichts dieser Tatsachen auf die Idee kommt, zu behaupten, dass Spotify & Co. das wirtschaftliche Überleben von Musiker:innen gefährden würde, ist ein Rätsel. Bei einem Album von sagen wir 10 Tracks bekommen die meisten der Musiker:innen, die weniger als 1000 Abrufe pro Jahr erzielen, also 1,50 Euro, bestenfalls aber 15 Euro – davon leben Musiker:innen? Really?!? Fake News at its best bzw. worst.
Und jenseits dessen liegen Auszahlungsbeträge von ein paar Cents bis zu 3 Euro sowieso unterhalb der gesetzlichen Bagatellgrenze, werden also gar nicht erst ausgezahlt.

Warum also das Geschrei? Nun, bei den kleineren Plattenfirmen und Musikverlagen kommen auch durch kleine Auszahlungen etwas größere Beträge zusammen – Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Plattenfirmen, die zum Beispiel 20 Veröffentlichungen pro Jahr haben mit jeweils 10 Tracks, welche im Idealfall 999 Streams haben, würden von den Streamingdiensten ja bereits 600 Euro erhalten, von denen ihnen nach Auszahlung an ihre Künstler:innen immerhin rund 300 Euro bleiben würden. Wie gesagt: im Idealfall. Aber da kann sich schnell ein Betrag summieren, der kleinen, knapp kalkulierenden Firmen helfen kann. Nur sollten die Lobbyverbände der Musikindustrie das auch so benennen, statt um Mitleid für die angeblich benachteiligten Musiker:innen zu heischen.

Last but not least: Natürlich gäbe es für Musiker:innen tatsächlich Gründe, ein anderes Abrechnungsmodell der Streamingdienste einzufordern. Eine deutlich höhere Bezahlung für neue Tracks (zum Beispiel doppelte Beträge in den ersten sechs Monaten nach Erscheinen) und dafür eine deutlich niedrigere Bezahlung für Katalogwerke (zum Beispiel halbe Vergütung nach zwei Jahren) würde neue Musik und mithin auch Nachwuchs-Musiker:innen fördern, auf Kosten der Großkonzerne, Hedgefonds und Private Equity-Konzerne, die seit einigen Jahren für Milliardenbeträge Musiker-Kataloge aufkaufen, um damit langfristig Profite zu erzielen; das „Urheber“recht ist ja längst ein Verwerter-Recht und gilt für einen längeren Zeitraum als die meisten Musiker:innen-Leben.

Oder man könnte sich mal mit YouTube beschäftigen. Die bezahlen nämlich laut Statista pro Stream nicht 0,3 Cent wie Spotify, sondern gerade mal 0,069 Cent. Aber die meisten Musiker:innen und Bands wollen natürlich unbedingt mit ihren Videos auf YouTube vertreten sein, Almosen hin oder her. Also kritisieren sie mit Verve das „System Spotify“ und lassen die Alphabet-Tochter ungeschoren. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, oder so.

 

21.02.2024

Plattenfirmen: Rekordgewinne, Massenentlassungen...

7.2.2024
Die Warner Music Group (WMG), eine der drei größten „Majors“ weltweit, meldet den höchsten Quartalsumsatz der Unternehmensgeschichte. Zwischen Oktober und Dezember 2023 konnte WMG durch einen 17-prozentigen Anstieg einen Umsatzrekord von 1,75 Milliarden Dollar erzielen. Der Nettogewinn des Konzerns allein im vierten Quartal 2023 betrug 193 Mio. US-$, das operative Ergebnis stieg um 34 Prozent auf 354 Mio. US-$.
 
Ebenfalls 7.2.2024
Die Warner Music Group entlässt 600 Mitarbeiter:innen, rund zehn Prozent ihrer Beschäftigten. WMG erwartet sich durch diese Massenentlassungen Einsparungen in einer Größenordnung von 200 Mio. US-$ bis September 2025. Das eingesparte Geld will der Konzern laut CEO Robert Kynci vor allem „in die Musik stecken“, es gehe um Musikrechte und darum, „das Potential der Kataloge zu maximieren“. Dabei will sich WMG vermehrt auf „wachstumsstarke Regionen und lebendige Genres konzentrieren“:
 
“We’ll turbocharge our efforts and investments, with additional focus on high growth geographies and vibrant genres, as well as using our data and insights to help original talents cut through the increasing noise, and taking a holistic global approach to maximizing the potential of their catalogs.”
 
Und wo es vornehmlich um die Monetarisierung der bestehenden und neu zu erwerbenden Rechtekataloge geht, sind Daten und KI nun mal wichtiger und effektiver als Manpower. Dem Arschtritt für die gefeuerten Mitarbeiter:innen wirft der WMG-Boss neoliberale Gutmenschenprosa hinterher:
 
“To the people who will be leaving us: you deserve a heartfelt thank you for your hard work and dedication. We’re fortunate that you’ve been part of the team.“
 
Die Warner Music Group ist nicht der einzige Konzern, der All-Time-Rekordgewinne mit Massenentlassungen orchestriert: Auch die Musikfirma des deutschen Bertelsmann-Konzerns, BMG, hat letzten Monat bereits die Entlassung von rund zehn Prozent der Belegschaft sowie die noch stärkere Konzentration auf Musikrechte bekanntgegeben.
 
(Alle Zahlen und Zitate laut „Music Business International“ und „Musikwoche.de“)

 

21.02.2024

Ubermacht

Rider heißt jetzt Twix.
Und vom 22.März dieses Jahres an heißt die vom Weltkonzern AEG betriebene hässliche Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof, laut aktueller Statistik die Halle mit dem weltweit zweitgrößten Umsatz, nicht mehr Mercedes-Benz Arena, sondern, tschah: Uber Arena. Da werden sich die Berliner Taxifahrer:innen künftig freuen, wenn die Fahrgäste sie bitten, sie zur Uber Arena zu kutschieren…
Ach ja, und der mit einer Kapazität von 4.350 kleine Bruder der 17.000-Cap.-Arena, bisher „Verti Music Hall“, wird ab März dann „Uber Eats Music Hall“ heißen (man darf das gerne auch mit „Uber frisst die Musikhalle“ übersetzen).
Damit haben AEG und Uber den bundesweit größten Namensrechts-Deal geschlossen, einen „first-of-its-kind deal“.
Eine spannende Frage bleibt, wie sich die Friedrichshain-Kreuberger Bezirksregierung zur Umbenennung des zentralen öffentlichen Platzes in „Uber Platz“ verhalten wird. In diesem Bezirk sind nämlich laut einem Parlamentsbeschluss alle neuen Straßen- und Platznamen mit weiblichen Namen zu versehen – AEG hatte sich vor acht Jahren mit dem Hinweis aus der Affäre gezogen, „Mercedes“ Benz sei ja schließlich ein Frauenname.
Uber gehört wie AirBnB zu den Plattform-Konzernen, die die Gesellschaft zulasten der Schwachen zerstören, die z.B. Ferienwohnungen dem Mietmarkt entziehen oder Taxifahrer:innen nicht ordentlich bezahlen – die Ubermacht unserer Tage.
Um den Berliner Maler Liebermann zu variieren: Man kann sich gar nicht so sehr uberfressen, wie man sich ubergeben möchte…

(Quelle: IQ Mag 19.1.2024)
 

21.02.2024

Warum lassen so viele Stars Berlin links liegen?

„Why are Major Tours bypassing Berlin?” “Warum lassen so viele große Tourneen Berlin links liegen?“, fragt das britische Branchenmagazin „IQ Mag“ am 14.2. dieses Jahres. Und versucht sich an einer Antwort: Die Fußballeuropameisterschaft 2024 sei schuld, das Berliner Olympiastadion sei ausgebucht – obwohl doch eigentlich nur sechs Spiele tatsächlich in Berlin stattfinden und das Olympiastadion spätestens nach dem Finale am 14.Juli wieder zur Verfügung stehen könnte.

Und was ist die Ausrede dafür, dass vergangenes Jahr, nachweislich ohne Fußball-EM, Beyoncé in Köln, Hamburg und Frankfurt auftrat, nicht aber in Berlin? Oder ausgerechnet die Tour von Bruce Springsteen an Berlin vorbeiführte? Bruce Springsteen trat stattdessen in, ähem, Hannover auf, obwohl er nicht zuletzt dank seines legendären Auftritts vor 160.000 Fans 1988 in Weißensee/Ost-Berlin, dem größten Konzertereignis in der Geschichte der DDR, eine ganz besondere Beziehung zu Berlin hat. Dass Springsteen letztes Jahr nicht in Berlin, sondern in Hannover auftrat, war nicht nur für die Berliner Fans schmerzhaft, sondern auch ein kultureller Verlust für die Hauptstadt.

Angeblich eignet sich in Berlin ja nur das Olympiastadion für ein derartiges Konzert, so jedenfalls die „Berliner Zeitung“. Aber was ist eigentlich mit dem ehemaligen Flughafen Tempelhof, wo die Ärzte und die Toten Hosen bereits 2022 in ähnlichen Dimensionen gespielt haben und die Ärzte es 2024 wieder tun? Oder ist das Problem möglicherweise, dass eine Tochterfirma eines bestimmter Großkonzerns einen Exklusivdeal für das Tempelhofer Feld mit der landeseigenen „Tempelhof Projekt GmbH“ hat und dort keine konkurrierenden Veranstalter duldet? Just guessing, Zwinkersmiley…

 

21.02.2024

Solidaritätszuschlag zahlen nur noch Reiche - und ausländische Musiker:innen!

„Solidaritätszuschlag“ anybody?
Wir erinnern uns: 1991 als eine „Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer“ zur Unterstützung der ostdeutschen Bundesländer erfunden und ursprünglich auf ein Jahr (!) befristet. Seit 1995 existiert der „SolZ“ unbefristet bis heute, wird aber laut Finanzminister Lindner (FDP) seit 2019 sowieso „nur noch bei den obersten Steuerklassen“ und bei Unternehmen erhoben.
 
„Nur noch bei Spitzeneinkommen“, also ab einem Bruttoeinkommen von mehr als 74.000 Euro? Iwo. Denn bis heute zahlen fast alle ausländischen Musiker:innen weiterhin die 5,5 Prozent Zuschlag auf ihre „Ausländersteuer“-Beträge. Also nicht nur die Großverdiener:innen, sondern auch grundsätzlich alle Musiker:innen in kleinen Bands, wenn diese mehr als 250 Euro pro Musiker:in und Show erhalten – was ja, nebenbei bemerkt, eine Umsatzzahl ist und keineswegs ein „Einkommen“, denn von diesem Geld müssen die Musiker:innen ja noch ihre Kosten bestreiten, also Miete von Tourbus und Equipment, Kosten für die die internationalen Flüge, für Tourmanager:innen, Tontechniker:innen usw.
 
Es wäre allerhöchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich die Pflicht zur Zahlung des Solidaritätszuschlags für ausländische Musiker:innen beendet und aufhört, gerade kleineren und mittleren ausländischen Bands bei ihren Tourneen in Deutschland zusätzliche Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

 

21.02.2024

Ausländersteuer für Musiker:innen reformieren!

Und wo wir gerade dabei sind:
Ein weiteres Hindernis für alle ausländischen Musiker:innen und ihre deutschen Tourveranstalter ist die hierzulande extrem hohe sogenannte Ausländersteuer (also die „Beschränkte Einkommensteuer“ laut § 50a des Einkommensteuergesetzes): 15 Prozent ihrer Gagen müssen die Musiker:innen an den deutschen Fiskus abführen – mehr als in praktisch allen Nachbarstaaten, wo es entweder gar keine entsprechende Steuer gibt (wie z.B. dank Doppelbesteuerungsabkommen in den Niederlanden) oder relativ hohe Freibeträge, unterhalb derer keine Ausländersteuer zu zahlen ist (wie z.B. in Belgien oder in Österreich).

In Deutschland gibt es auch eine Art „Freibetrag“, der aber sehr niedrig definiert ist und seit fünfzehn Jahren nicht mehr angepasst wurde: 250 Euro Einnahmen (wie gesagt, in dem Fall „Umsatz“, siehe oben!) pro Musiker:in und Show sind Ausländersteuer-befreit. Ab 251 Euro Einnahmen ist der gesamte Betrag (!) mit 15,825 Prozent zu besteuern (15% ESt plus darauf 5,5% SolZ). Wenn man dazu noch die mittlerweile auf 5 Prozent gestiegenen Beiträge zur Künstlersozialkasse hinzuzählt, die alle ausländischen Musiker:innen zu entrichten haben, obwohl sie von dieser Sozialversicherung gar nicht profitieren, kommt man auf mehr als ein Fünftel Abgaben, die ausländische Musiker:innen in Deutschland zu leisten haben. Eindeutig eine wesentliche Behinderung des kulturellen Austauschs, der gerade kleinere und mittlere Bands betrifft. Und natürlich im Vergleich zu Nachbarländern ein Standortnachteil für Veranstalter, die ausländische Bands ins Land holen.
 
Wenn es schon keine Anpassung an die entsprechende Förderung des Kulturaustauschs in Nachbarländern gibt, dann sollte wenigstens der Freibetrag pro Musiker:in endlich an die wirtschaftlichen Realitäten angepasst werden. Der Deutsche Kulturrat hat bereits im November 2022 gefordert, die sogenannte „Milderungsregel“ (ich nenne sie oben „Freibetrag“) „von 250 Euro (Bruttovergütungsvereinbarung) pro Person pro Auftritt auf 500 Euro anzuheben“. Damit werde „das Ziel einer fairen Vergütung von Künstlerinnen und Künstlern“ verfolgt.
 
Wann wird sich die Ampel, wann werden sich die Parteien und Fraktionen endlich dieser langfristigen Verbesserungen annehmen? Freibetrag von 500 Euro pro Person und Auftritt sowie Abschaffung des SolZ für ausländische Musiker:innen jetzt!

 

21.02.2024

Retro-Konzertbusiness, Folge 4058: Talking Heads-Reunion?

Retro-Konzertbusiness, Folge 4058:
Talking Heads-Reunion?
Laut “Billboard” hat Coachella-Chef und Goldenvoice-Präsident Paul Tollett Kontakt mit den Talking Heads-Musiker:innen und ihren Managements aufgenommen, um sie von einem Headliner-Auftritt beim Coachella-Festival zu überzeugen. Offensichtlich gab es keine Chance, die Band von einem Auftritt zu überzeugen.
Kurz darauf hat der Live Nation-Konzern laut „Billboard“ den Talking Heads sage und schreibe 80 Millionen US-$ für „sechs bis acht Festivalgigs und Headlining Slots“ angeboten. Die Band hat das Angebot letztlich abgelehnt.
Ein wesentlicher Teil des Superstar-Geschäfts der Super-Konzerne mit den Super-Profiten besteht heutzutage im Reunion-Business – wenn schon die Beatles (aus Gründen) oder Abba nicht mehr auftreten können oder wollen, wie wäre es dann mit anderen 70er & 80er Jahre-Helden? Das Geld ist da, und für Retro-Bands sitzt es locker – was nicht unwesentlich mit der zunehmend schwieriger werdenden Suche nach Festival-Headliners zu tun hat.
Umso erfreulicher, dass sich die Talking Heads dem Reunion-Theater verweigern. Und so muss sich Coachella dieses Jahr mit den Reunions von No Doubt und Sublime begnügen…
(und damit wir uns nicht missverstehen: The Talking Heads live? ich würde nicht nur hingehen, sondern dafür auch sehr weite Wege in Kauf nehmen…)

 

21.02.2024

500 beste Alben aller Zeiten?

Der „Rolling Stone“ präsentiert wieder mal die angeblich „500 besten Alben aller Zeiten“. Ganz schön selbstbewusst. Kein einziges Klassik-Album, kaum Jazz, wenig Hip-Hop, das sollen die „500 besten Alben aller Zeiten“ sein? Lustig.

Und dann Bilderbuch und zwei Mal Tocotronic, aber keine Tortoise, kein Lambchop, to name just two. Und in der Jury der vor über acht Monaten verstorbene Kristof Schreuf – wie geht das? Aus dem Jenseits zugeschaltet?

Nicht weiter ernst zu nehmen das alles, außer für die Jungs mit ihrem Listengetue…

(Platz 1-3 und 9 u.a.m. gehen natürlich völlig in Ordnung, und auch z.B. Platz 492 find ich primawink)

20.02.2024

Scholz und Signa

Aus der Reihe „schlecht gealterte Aussagen“:
Signa sei ein „hervorragendes Immobilienunternehmen“, so der damalige Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundeskanzler Scholz 2018.
„Es wurde ein (...) Auswahlverfahren durchgeführt, bei dem von Beginn an der Anspruch an (…) eine verlässliche Realisierung und Finanzierung gekoppelt wurde.“
Tschah.

 

18.11.2023

Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie

Hübsch, wie sich alle Manager:innen und Akteur:innen der Musikindustrie anlässlich des 30jährigen Jubiläums der „Musikwoche“ tief vor dem Branchenblatt verbeugen – in dem die Akteur:innen sicher auch künftig ihre Produkte anpreisen und selbst in allerlei Fotos vorkommen wollen und werden.
Dass die „Musikwoche“ im Vergleich zu kompetent analysierenden, Hintergründe ausleuchtenden und journalistischen internationalen Magazinen (zum Beispiel „Musik Business International“) eher als Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie daherkommt, das brav die Presseerklärungen der Musikindustrie abdruckt, ist vermutlich mehr der deutschen Musikindustrie zu verundanken als den Leuten, die mit einem eingebundenen Vereinsblättchen, das von den Abos und Anzeigen der Musikindustrie lebt, ein wenig Profit vom Kuchen der Musikindustrie abhaben wollen. Und ja, es gibt hin und wieder auch gute Interviews und interessante Beiträge in der „Musikwoche“, etwa von Knut Schlinger. Aber eben selten. Sehr selten. Wie dann aber all die Gratulant:innen das großflächige Abschreiben von Presseerklärungen der Musikindustrie zu einem „objektiven“, „unabhängigen“ (selten so gelacht…), „vielfältigen“, „kompetenten“, „großartigen“ usw. Journalismus hochjazzen, ist schon ein besonders skurriles Leckerli der an Absurditäten und Skurrilitäten nicht eben armen hiesigen Musikindustrie…

 

25.10.2023

Richard Hawley über künstlerische Integrität

Ebenfalls ein „guter Mann“ und noch dazu ein formidabler Musiker und Songwriter: Richard Hawley! In einem schönen Interview mit Jakob Biazza im Schweizer „Tagesanzeiger“ antwortet er so lässig wie selbstbewusst auf das nachvollziehbare Insistieren des Interviewers, dass viele von Hawleys Songs doch „ganz große Pop-Hits“ seien und „die Welt doch offensichtlich schlecht“:

„Und der Interviewte erwidert, man solle ruhig fluchen, sein Vater sei Stahlarbeiter gewesen (er war außerdem auch ein fantastischer Gitarrist und Songwriter). Im Übrigen stimme das mit der Welt vermutlich, man möge ihn aber bitte trotzdem mit der These verschonen, ihm sei kommerziell irgendein Unrecht widerfahren.
Nicht Teil des Mainstreams zu werden, sei eine wirklich bewusste Entscheidung gewesen. Er betrachte sie als große Lebensleistung. Es gebe nun mal so etwas wie «künstlerische Integrität», und die sei für ihn: absolut. Er wisse, wie die Alternative aussehe in diesem Gewerbe und wie hoch der Preis sei, und er habe deshalb ein Mantra, und das funktioniere prächtig für ihn.“

(Hervorhebung von mir)

Musik von Richard Hawley: Alben, Lieder, Songtexte | Auf Deezer hören

02.10.2023

Was Filmemacher Robert Rodriguez sagt - "Kreatives Problemlösen"...

Der Filmemacher Robert Rodriguez über seine Zeit an der Filmhochschule der Universität von Texas (lässt sich auch über praktisch jedes Popmusik-Studium sagen…), in einem tollen Interview mit Maria Wiesner im „FAZ“-Feuilleton:
 
„Das ist eine große Uni, und das Filmdepartment war damals klein, die haben nur 30 Leute angenommen, und es ging nach Notenschnitt. Nur sind diese Leute nicht zwangsläufig die besten Filmemacher. Die hatten zwar gute Noten, wollten aber nur aus Spaß ein bisschen Film studieren, ohne Ambitionen in dem Fach. Und ich kam mit meinem Schnitt nicht rein, habe aber in einem Kurzfilmwettbewerb gegen diese Studenten gewonnen. Also bin ich mit meinem Gewinnerfilm zum Professor gegangen, und er hat mich dann zugelassen. Ich wollte eigentlich nur hinein, um deren Filmkameras zu benutzen. Das war dann aber eine große Enttäuschung, sie hatten total altes Material, als stamme es noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Das hätte ich auch mit 50 Dollar zusammenbekommen. In dem Sommer habe ich dann den Film „El Mariachi“ gemacht und bin gar nicht mehr in die Filmschule ­gegangen, weil ich festgestellt hatte, dass sie mir eigentlich nichts mehr beibringen können.“
 
Aber woher kam das Geld für seinen ersten Film?
 
„Ich bin eines von zehn Kindern, von meinen Eltern konnte ich keine Zuschüsse erwarten. Um für die Filmschule und mein Apartment aufkommen zu können, hatte ich schon zwei Jobs angenommen. Da blieb aber nichts für das Filmen übrig, also habe ich Medikamententests gemacht. Ich habe mir Löcher in die Arme schneiden lassen, um ein Mittel zur schnellen Wundheilung zu testen. Dafür lag ich sieben Tage im Krankenhaus, habe Untersuchungen an diesen Stellen über mich ergehen lassen und dafür 2000 Dollar bekommen. Damals war das viel Geld. Mit ein paar solcher Tests hatte ich die Mittel für den Film zusammen.“
 
Und sein Ratschlag für junge Filmemacher:innen:
 
„Kreatives Problemlösen ist die Kernfähigkeit, die man lernen muss. Dann gelingt das.“
 
Guter Mann!

 

02.10.2023

FDP: Der Markt regelt...

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), zum Stichwort „Wettbewerbsfähigkeit“: „Gefahr ist im Verzug. Wir brauchen mehr private Investitionen und Innovationen und nicht mehr Subventionen und Transferleistungen.“


 
Die Bundesregierung unter Beteiligung von FDP-Finanzminister Lindner und FDP-Ministerin Stark-Watzinger: Bis zu 5 Milliarden Euro staatliche Subventionen (also die Hälfte der Gesamtinvestitionen) für die Halbleiter-Fabrik des taiwanesischen TSCM-Konzerns (aktuell 34 Milliarden Euro jährlicher Gewinn) in Dresden.
 
Der Markt regelt?

 

02.10.2023

Unbestreitbare Vorteile der Künstlichen Intelligenz

Ich weiß ja nicht, was die Leute immer gegen KI haben. Ich finde, Künstliche Intelligenz hat ein paar unbestreitbare Vorteile.
Mehr als 90 Prozent des ganzen Charts-Krams und des Zeugs, was unsere Radiosender so als „Musik“ ausstrahlen, könnte von einer KI mindestens genauso gut, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar besser geschrieben werden. Einfach das Urheberrecht ändern und für KI-Musik keine Honorare und keine GEMA bezahlen, und schwupps, haben wir ne Menge Geld gespart, das wir dann gerne den wirklich guten Musiker:innen und jungen und neuen Acts auszahlen werden.
Oder nehmen wir so üble Jungtüchtigen-„Berufe“ wie Influencer:innen oder Immobilien“entwickler“. Allein schon diese „Berufs“bezeichnungen für Werbeclowns und Immobilienhaie! Aber deren Job kann mit Erfolg eine KI übernehmen – und die arbeitslos gewordenen Influencer:innen oder Immobilienentwickler treffen wir dann heulend und wehklagend am Wegesrand an und gehen mitleidlos an ihnen vorbei.
 

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