20.09.2012

Telekom & Spotify

Die Deutsche Telekom hat mit dem
Musik-Plattformanbieter Spotify eine exklusive Marketing-Kooperation
geschlossen. Wer einen bestimmten Telekom-Tarif kauft, bekommt Spotify Premium
für denselben Preis kostenlos dazu.

An dieser Stelle soll nicht über Streaming-Dienste
an sich verhandelt werden. Man kann dazu unterschiedlicher Ansicht sein. Man
kann, wie der britische Indie-Musikvertrieb STHoldings, sagen, „die Streaming-Dienste liefern schlechte
Umsätze und haben eine schädliche Wirkung auf Verkäufe“, und seinen Katalog
vom Streaming abziehen. Oder man kann, wie der Gründer von „Beggars“, Martin
Mills, das Gegenteil feststellen: „Einige
unserer Künstler – gerade die, die wir im Katalog führen – stellen bei der
Honorarabrechnung fest, daß sie bei einigen Tracks via Streaming mehr verdienen
als durch andere Quellen. Für Beggars zahlt sich das um ein vielfaches mehr aus
als Radio-Airplay. Deshalb sind wir große Streaming-Unterstützer.“

Interessant an der Kooperation von Telekom und
Spotify ist aus meiner Sicht eher zweierlei:

Erstens
findet die Telekom, wie ihr Chef mehrfach gesagt hat, die Netzneutralität
„überflüssig“. In dem neuen Tarif werden die Musik-Daten von Spotify
interessanterweise nicht auf die Datenmenge des gebuchten Tarifs aufgeschlagen.
Während der deutsche Netz-Konsument sich in der Regel eine extrem beschränkte
Datenqualität (je nach Vertrag von 300 MB bis 2 GB) als „Datenflatrate“
andrehen läßt, besteht das Ziel der Deutschen Telekom darin, unterschiedliche
Datenarten zu schaffen, die unterschiedlich abgerechnet werden können. Konsens
im Internet ist eigentlich, daß es die Provider nichts angeht, welche Daten
über das Netz transportiert werden – der Begriff „Netzneutralität“ meint ja
ausdrücklich, daß es die Sache des Nutzers ist, ob er Texte, Musik oder Videos
mit einer Plattform oder mit Freunden austauscht. Eben: die „diskriminierungsfreie Übertragung aller
Datenpakete, unabhängig von Herkunft oder Ziel, Form oder Inhalt“ (Jens
Best, auf dessen lesenswertem Artikel in „Carta“ dieser Teil des Textes beruht).
„Man kann eben im Internet nicht filtern,
ich kann einem Bit nicht ansehen, was es beinhaltet“, erklärt der
Rechtswissenschaftler Thomas Hoeren.

Die Telekom hat jedoch ein massives Interesse
daran, bei der Datenübertragung eine Unterscheidung in Qualitätsklassen zu
erzielen, um langfristig die unterschiedlichen Datenübertragungsklassen
unterschiedlich abrechnen zu können. Die Telekom verletzt mit ihrem
Spotify-Deal die „vertikale Netzneutralität“, weil „nun Musik-Daten anders behandelt und abgerechnet werden als der
restliche Internet-Verkehr“ (Best).

Zweitens: Ein
anderer interessanter Aspekt ist natürlich die Rolle von Spotify. Im Grunde
verletzt Spotify die „horizontale Netzneutralität“, weil die Firma durch die
Kooperation mit der Deutschen Telekom, einem der hiesigen Marktführer, eine
wettbewerbsschädigende Bevorzugung erhält, denn „die Ungleichbehandlung der Musikdateien anderer Musik-Plattformen,
monetär wie technisch, ist ein Bruch der innovationsschützenden
Netzneutralität“ (Best). Es lohnt sich, an dieser Stelle Spotify genauer
unter die Lupe zu nehmen. An dem schwedischen Streaming-Dienstleister sind
mittlerweile ja auch die großen Musikkonzerne beteiligt, die nach dem
Niedergang ihrer Plattenverkäufe verzweifelt daran arbeiten, wieder die
Vertriebswege unter ihre Kontrolle zu bringen. Und die Dominatoren des
Weltmusikmarkts haben natürlich wenig Interesse an Netzneutralität, aber extrem
starkes Interesse daran, daß die Musikdateien im Internet bevorzugt vertrieben
werden können, damit daß Monopol der Musikkonzerne nicht Schaden nimmt – zur
Erinnerung: die drei größten Musikkonzerne bestimmen etwa 80 Prozent des
Weltmusikmarkts. Außerdem freuen sich die Musikkonzerne, die Beteiligungen an
Spotify halten, aus naheliegenden Gründen über jede Möglichkeit, den Austausch
von Musikdateien auf allen Ebenen kontrollieren zu können.

Die exklusive Marketing-Kooperation von Deutscher
Telekom und Spotify ist ein vielfacher Angriff aus die Netzneutralität und auf
die kurz- wie langfristigen Interessen der Verbraucher.