26.11.2012

Streamingdienste und Qualitätsjournalismus

Qualitätsjournalismus in der „Süddeutschen
Zeitung“:

„Um heute
auf Platz sieben der meistverkauften Alben (in den USA, BS) zu kommen, benötigt
man heute 39 000 verkaufte Tonträger“, schreibt ein Bernd Graff in der
bairischen Renommierzeitung mit doppeltem „heute“, aber leider auch doppelt
falsch. Es stimmt zwar, daß in der Woche, in der die Band „Grizzly Bear“, an
der Graff seinen vor Unsinnigkeiten nur so strotzenden Artikel über
„Musiker-Einkünfte im Internet-Zeitalter“ aufhängt, die von ihnen verkauften 39
000 Tonträger für Platz 7 der US-Charts ausreichten. Es gab aber auch Wochen,
in der man mit dieser Zahl auf Platz 1 oder 2 gelandet wäre. Während es auch
Wochen gibt, in der man mit dieser Zahl auf Platz 10 oder noch tiefer landet.

Doch es kommt noch schlimmer. Graff behauptet in
einem Absatz zu Streaming-Diensten, deren Modell der Journalist sowieso nicht
kapiert hat, daß „Adele ihre letzten
Alben nicht bei Spotify platziert haben wollte“. Was einfach eine unwahre
Behauptung ist und sich durch kurzes Einwählen auf Spotify hätte klären lassen,
wo sich die Adele-Alben sofort finden. Aber dann wäre die Behauptung, die den
Kern seines mißlungenen und inkompetenten Artikels darstellt, in sich
zusammengefallen, nämlich, daß Künstler angeblich bei Spotify kein Geld
verdienen. Der Gründer und Chef von Adeles Plattenfirma, Martin Mills, eines
der Urgesteine der unabhängigen Plattenindustrie, erklärt das genaue Gegenteil,
wir hatten es an dieser Stelle schon einmal zitiert: „Einige
unserer Künstler – gerade die, die wir im Katalog führen – stellen bei der
Honorarabrechnung fest, daß sie bei einigen Tracks via Streaming mehr verdienen
als durch andere Quellen. Für Beggars zahlt sich das um ein vielfaches mehr aus
als Radio-Airplay. Deshalb sind wir große Streaming-Unterstützer.“

Aber wenn man eine kompetente Geschichte zu diesem
durchaus wichtigen, aber eben auch recht komplexen Thema hätte schreiben
wollen, dann hätte der Herr Journalist, der seinen Behauptungsjournalismus für
die bairische Qualitätszeitung betreibt, natürlich etwas tun müssen, was ihm
ein Fremdwort ist, nämlich: recherchieren. Sowas können sie, so was wollen sie
heutzutage in aller Regel nicht mehr. Gedruckt wird in München scheinbar alles,
und mit erfundenen Stories hat das Magazin der Qualitätszeitung ja seine ganz
eigenen Erfahrungen (wobei Tom Kummer wenigstens schreiben konnte...).

(und damit wir uns nicht mißverstehen: ich bin kein
Fan von Streaming-Diensten, eher im Gegenteil, aber darum geht es hier auch gar nicht)