08.12.2012

Leistungsschutzrechte auf Musikaufnahmen verlängert

Hat irgendjemand jüngst, als die Bundesregierung die Schutzfristen für
Musikaufnahmen von 50 auf 70 Jahre verlängert hat, einen Jubelsturm in den
hiesigen Altersheimen vernommen? Jubelschreie von heute 70 oder 80 Jahre alten
Musikern, die sich gegenseitig um den Hals gefallen sind, weil die
Leistungsschutzrechte auf Aufnahmen, die sie vor 50 Jahren, also mit 20 oder
30, getätigt haben, auf 70 Jahre verlängert wurden, also bis zu ihrem 90. oder
100. Geburtstag?

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, von dem Kulturstaatsminister
Neumann plappert, er sei ein „wichtiger
Beitrag zur finanziellen Absicherung ausübender Künstlerinnen und Künstler im
Alter. Künftig stehen ihnen die Einnahmen aus ihrer Arbeit während des gesamten
Lebens zur Verfügung“, ist übrigens ein echtes, dem Lobbybemühen der
deutschen Musikindustrie sich unterwerfendes Bubenstück. Denn in dem
Gesetzentwurf steht, daß die Künstler nun zusätzlich gerade mal 20 Prozent der
Gewinne bekommen sollen, die die Plattenfirmen mit den Songs machen. Aber das
auch erst, wenn 50 Jahre vergangen sind. Denn: der „Vergütungsanspruch besteht für jedes vollständige Jahr unmittelbar im
Anschluß an das 50.Jahr nach Erscheinen des die Darbietung enthaltenen
Tonträgers“.

„Nochmal von vorn.
Die Bundesregierung will also dafür sorgen, daß Plattenfirmen 20 Jahre länger
Geld mit Tonträgern verdienen können als bisher. Diesen Zugewinn – und nur
diesen – müssen sie mit den Musikern teilen.“ (Kai Biermann auf „Zeit Online“). Den
Zugewinn müssen sie allerdings nicht hälftig teilen, was das Minimum an Anstand
gewesen wäre – nein, die Plattenfirmen müssen nur gerade mal ein Fünftel ihres
Extraprofits an die Künstler abgeben.

Aktuell liegt
der Anteil an Einnahmen aus Leistungsschutzrechten bei ausübenden Künstlern
durchschnittlich bei unter 300 Euro jährlich. Nicht die ausübenden Künstler,
sondern die Majorlabels sind im Besitz fast aller Rechte, deren Leistungsschutz
nun verlängert wurde. Diese multinationalen Konzerne streichen etwa 72 Prozent
aller Einnahmen aus Aufnahmen ein; das erfolgreichste Fünftel der Künstler
erhält weitere 24 Prozent all dieser Einnahmen. Die verbleibenden 4 Prozent
verteilen sich also auf 80 Prozent aller ausübenden Künstler – jeder dieser
Künstler erhält durch die Verlängerung der Leistungsschutzrechte lediglich
zwischen 4 und 58 Euro pro Jahr zusätzlich. In der Realität sind Musiker nur
Almosenempfänger, den Profit macht die Verwertungsindustrie.

So ist es
logisch, daß kein Jubelsturm aus den Altersheimen zu vernehmen war, sondern nur
einzig und allein die Funktionäre des Bundesverbandes der Deutschen
Musikindustrie die Verlängerung der Schutzfristen begrüßt haben.