02.05.2013

Und Ansonsten 05/2013

Eine journalistische Pest sind die plumpen Schubladisierungsversuche
anhand selbst festgelegter, dumpfer Normen. Etwa „der Jimi Hendrix des...“.
Also: der Jimi Hendrix der Harfe, der Jimi Hendrix des Saxophons, der Jimi
Hendrix der Drehleier, was weiß ich.

Artikel, in denen so etwas vorkommt, sollten mit einem Strafhonorar in
doppelter Höhe des Autorenhonorars belegt werden (na gut, also faktisch mit 2 x
praktisch nichts...).

In der Reihe derartiger Einfallslosigkeiten und journalistischer
Offenbarungseide ist auch die Zuschreibung „ist Pop“ bzw. „ist Rock“ zu sehen.
Leute, die offensichtlich in ihrem Leben nur wenige Einsichten gewonnen und
sich nur wenige Differenzierungsmöglichkeiten erarbeitet haben, sortieren
kräftig in Pelikan und Geha, in Adidas und Puma, in Yin und Yang. Mercedes? Ist
Rock. Porsche? Ist Pop.

So auch in einem taz-Interview mit Lars Rudolph. Schon die Titelzeile
schreit: „Kleist war ein Rocker“.
Aha. Doch wie kommt das?

Es liegt, natürlich, an einer selten dämlichen Journalistenfrage, und an
der situativen Überforderung des Befragten, angemessen auf eine derart dämliche
Frage zu reagieren (nämlich zum Beispiel den Raum zu verlassen).

Also, Frage taz: „Nun haben Sie
eine Novelle von Kleist vertont. Ist Kleist eher Pop oder Rock?“

Antwort Lars Rudolph: „Rock.“

Wenn es nicht so hoffnungs- und sinnlos wäre, könnte man dem
taz-Redakteur empfehlen, sich Kleists „Lehrbuch der französischen Journalistik“
von 1809 zu besorgen, da könnte er ne Menge lernen. Oder auch nicht. (Kleist
sprach sich übrigens sogar gegen „Freibillets“ für Kulturveranstaltungen aus,
mit denen Berliner Theaterkritiker „bestochen“ würden. Erklären Sie das heute
mal den Zuständigen am Gästeliste-Schalter eines angesagten Popkonzerts...)

Aber daß Lars Rudolph dem taz-Redakteur ein absolut ebenbürtiger
Gesprächspartner ist, zeigt sich später: „Im
16. Jahrhundert hatte Musik ganz andere Kraft auf Leute, da gab es keine
Massenmedien. Da wurde zu Hause Musik gemacht oder in der Kirche.“

Im 16.Jahrhundert waren also alle glückliche Hausmusiker? Schöne
Vorstellung. Dumm nur, daß das Musikmachen (wie das Lesen) im 16.Jahrhundert
auf einige wenige tausend Menschen beschränkt blieb, während weit über 90% der
Menschen weder schreiben noch lesen, noch auch nur im entferntesten daran
denken konnten, selber Musik zu machen. Aber Leute, die Sätze sagen wie „Kleist
war ein Rocker“, haben halt auch sonst wenig Ahnung vom Leben und der Welt.

Das taz-Interview endet übrigens so:

taz: „Mögen Sie den
Showbusiness-Effekt von Religion?“

Lars Rudolph: „(...) Gute
Predigten sind Gold wert. Wenn es gute Pastoren gäbe (...), ist das wie Pop.
Wie Iggy Pop, wenn er sich malträtiert.“

Es wird so getan, als ob das Problem des deutschen Journalismus die
Bezahlmodelle seien. Ich würde dagegen sagen, daß das eigentliche Problem die
Qualität des Geschriebenen ist. Warum soll man Zeitungen kaufen, die von Leuten
vollgeschrieben werden, deren geistiger und kultureller Horizont nur von einer
Schubladenwand namens Rock zur anderen Schubladenwand namens Pop reicht?
Trostlos.

* * *

Aber nichts ist heute zu dämlich, als daß es nicht unbedingt irgendwo
abgedruckt werden müßte. Und wenn es nur in der „FAZ“ ist. Dort darf ein Felix
Johannes Enzian (Namenswitze sind verboten) über das Berlin-Konzert von Lana
del Rey drei Spalten mit Promo-Prosa vollsülzen, die so bescheuert und
inkompetent sind, daß man konstatieren muß: Das Feuilleton, der sogenannte
„Qualitätsjournalismus“ wird die Popkritik auch nicht mehr retten.

Nun kann man nicht von jedem erwarten, daß er ein derartiges Konzert so
souverän, arrogant  und originell
rezensieren kann wie unser „Kreuzberger Medienpreis“-Gewinner Jens Balzer in
der „Berliner Zeitung“ (von „Frauen, wie
sie von Lana Del Rey in idealtypischer Weise verkörpert werden, haben keinen
Motorradführerschein. Sie haben auch keinen Beruf und kein eigenes Konto“
bis zum Schlußsatz: „Nachdem sie zu Beginn des Abends noch einen
distanzierten und angestrengten Eindruck erweckt, fällt die Anspannung im
letzten Drittel sichtlich von ihr. Selten sieht man Künstlerinnen, die sich so
sehr auf das Ende ihres Konzerts freuen wie Lana Del Rey.“).

Daß Herr Enzian aber in jedes Stereotyp der Hilflosigkeit
verfällt, mit dem schlechte Schreiberlinge Konzerte zu fassen suchen („Morbide Mädchenhymnen“, „Pop in
Perfektion“, die Stimme ist „hypnotisch“,
das Seufzen ist „wimmernd“ und „schraubt sich zart-kunstvoll in die Höhe“,
die Lippen sind, natürlich, „üppig“,
die Verse sind „perfekt verknappt“
und „in Stein gemeißelt“, die Diva
ist „entrückt“, der „Star freut sich ganz ungekünstelt über die
Begeisterung, die ihm entgegenschlägt.“) – sorry, liebes FAZ-Feuilleton, so
haben wir nicht gewettet, für so einen blöden Schmarrn zahl ich keine EUR 46,90
Abogebühr monatlich, das können Sie für die Hälfte vielleicht den Erstsemestern
als Studentenabo andrehen, ich dagegen verlange Schmerzensgeld von Ihnen, wenn
ich morgens so etwas lesen muß! Damit das ein für alle mal geklärt ist.

Und Herr Enzian hat nicht nur von Sprache und Musik,
sondern auch vom Konzertwesen keine Ahnung, wahrscheinlich hat ihn seine kleine
Schwester das erste Mal auf ein Konzert mitgenommen: „Alle Songs haben Hitqualität. Daher kann die Newcomerin es sich
leisten, ihre Singles erst am Ende des Abends zu spielen...“ Gut, Herr
Enzian, diese Lektion in der Ersten Stunde der ersten Klasse der Popgrundschule
gebe ich Ihnen kostenlos: Es ist guter Brauch, daß Künstler auf ihren Konzerten
ihre Hits erst gegen Ende spielen. Jetzt denken Sie mal ein Grundschulhalbjahr
lang darüber nach, warum das so ist. Vielleicht bekommen Sie’s selbst raus.
Wahrscheinlich aber nicht.

* * *

„Seliger, wo bleibt das Positive?!?“ Ich weiß ich weiß. Aber Sie haben
ja sicher auch gelesen, was ich eben über Jens Balzer gesagt habe, ja? Und in
der FAZ schreibt ja auch regelmäßig Eric Pfeil Konzertrezensionen, zum
Beispiel, und das ist dann ein Vergnügen und verhilft dem FAZ-Feuilleton zu
mildernden Umständen vorm apokalyptischen Musikgericht, sozusagen.

Und dann lese ich ausgerechnet in der „Zeit“ den Artikel „Leben wie im
Countrysong“ von Franz Dobler, und ich bin hingerissen und würde Ihnen am
liebsten von A bis Z aus diesem Artikel über den Film „The Broken Circle“
vorlesen.

Nun ist es kein Geheimnis, daß Franz Dobler einer der besten deutschen
Schriftsteller ist, und ich schau fast täglich auf seinen Blog, wo’s immer
interessant zugeht. Und er kann natürlich schreiben, da will unsereiner gleich
aufhören, selbst zu bloggen...

Wie auch der Film einige gute Lektionen bereithält, etwa über Bluegrass:
„Arme Glücksritter aus der ganzen Welt
lebten in den Appalachen und arbeiteten hart in den Minen. Um Hunger und Elend
zu ertragen, sangen sie Lieder über ihre Angst vor dem Tod, die Hoffnung auf
ein besseres Leben im Jenseits und ihr hartes Schicksal.“ Sagt der
Banjospieler Didier. Sagt Dobler.

Bluegrass, das ist schon eine andere Welt. Hören Sie zum Beispiel Roscoe
Holcomb (ich habe auch einen Track von ihm auf unsere Spotify-Playlist im Mai
gepackt), „I Am A Man of Constant Sorrow“
zum Beispiel, da wissen Sie, was los ist. Die großen Bad Livers haben es leider
nie nach Deutschland geschafft in den 90ern, die hätten Sie sehen sollen!

„Unberechenbar
krachen Gegenwart/Unglück und Vergangenheit/Glück permanent gegeneinander (...)
Was nicht heißt, komische Elemente würden hier die Wucht rausnehmen. Wie auch
die Band nicht Erholung, sondern vierter Hauptdarsteller ist, auch Teil des
Schlachtfelds (...) Als sei die Botschaft: Musik ist das, was uns in größter
Not am Leben hält, sonst nichts“, schreibt Dobler und berichtet abschließend
(immer wieder Townes...):

„Aus dem The Broken
Circle-Soundtrack ist es ausgerechnet die ungeschönte Version von Townes Van
Zandts If I Needed You, die in
Belgien ein Hit ist. Ist das Belgien? Der ultimative Reterotrend? Sollte man
nicht wieder anfangen, an das Gute im Menschen zu glauben?“

* * *

Was Herr Bushido so treibt, wenn er nicht gerade den Integrations-Bambi
des Burda-Verlages entgegennimmt oder ein Praktikum bei
CDU-Bundestagsabgeordneten absolviert, das wissen Sie als LeserInnen dieses
Rundbriefs natürlich längst. Jetzt haben es auch „Stern“, „Spiegel“ und die
Tagespresse entdeckt: Bushido singt also homophobe und frauenfeindliche Texte,
und seinen Songtext „Wir vergasen jede Tunte“ hat Bushido brav in „Wir
verarschen jede Tunte“ geändert, was natürlich jeden Integrationsbambi
rechtfertigt. Und nun fanden die Investigationsjournalisten von „Stern“ bis
„Spiegel“ heraus, was Herr Bushida selbst seit Jahren sagt, nämlich: der
Berliner Rapper steht einem „berüchtigten Mafia-Clan“ nahe.

Uiuiui.

Ein Künstler erzählt (vor mehr als einem Jahr bereits), daß er Politik
nach dem Prinzip „Der Pate“ machen wolle; und auf die Frage nach seiner
Verbindung zur Mafia sagt der Künstler, das sei bei Berlusconi nicht anders:
„Wir sind, was wir sind.“

Und was fällt Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) zu diesem Thema
ein? Henkel fordert laut „Berliner Zeitung“ allen Ernstes, dem „Rap-Barden den Bambi abzuerkennen, den er
2011 erhielt“. Sie merken, der CDU-Politiker fährt allerschwerste Geschütze
auf...

Die Aberkennung des „Bambi“. Was für eine Kühnheit!

Und gleichzeitig sieht man, wie verblödet und wie lächerlich die Politik
heutzutage ist – da wird so getan, als ob irgendein „Bambi“ irgendeine
gesellschaftliche Relevanz habe, quasi eine Art Verdienstkreuz oder Doktortitel
oder Nobelpreis, den man dringend aberkennen müsse, wenn sich einer nicht
ordentlich verhält. Wahnsinn. Vielleicht sollte man dem Herren Innensenator mal
erklären, welche Möglichkeiten die Gesetze hergeben, um gegen homophobe und
frauenfeindliche Aussagen, vor allem aber gegen mafiöse Strukturen vorzugehen.
Wenn da vom Innensenator alle Mittel und Möglichkeiten ausgeschöpft wurden,
kann Bushido wegen mir seinen Bambi gerne behalten. Ob der dann im Regal seiner
Villa oder in einer Gefängniszelle steht, mögen die zuständigen Stellen
entscheiden.

* * *

Verändern Sie die Welt mit einem Klick!

Sie können zuhause auf dem Sofa sitzen bleiben, ist ganz einfach! Gehen
Sie einfach auf die Website von „Change.Org“, und schon werden Sie gefragt „Was
wollen Sie verändern?“

Und wenn es nur der Kampf für eine bessere, irgendwie „faire“ Nutella
ist:

„Sind Sie auch für
Nutella, aber fair? Dann unterschreiben Sie jetzt die Petition von Heike
Heider“, flötet die Website. „Nutella ist
beliebt, aber wird nicht fair produziert. Deswegen fordert Heike Heider
gemeinsam mit anderen – Fairtrade-Siegel aufs Glas!“

Und wenn dann erst das Fairtrade-Siegel auf jedem Nutella-Glas klebt,
ist die Welt quasi gerettet, und Sie können sich als Gutmensch fühlen und sich
wieder bequem auf Ihrem Sofa zurücklehnen. Das Gute auf der Welt ist nur einen
Klick entfernt. Oder, wie Change.org selbst sagt: „Menschen bekommen eine Stimme, die nicht glaubten, daß sie eine
hatten.“

Stand so in der „Berliner Zeitung“. Vielleicht kann man bei Change.org
eine Petition für die korrekte Verwendung der deutschen Sprache einreichen.
Wäre auch irgendwie einen Klick wert, oder?

* * *

Sie wissen ja, der Berlin-Flughafen ist das Ding, das es nicht gibt und
nie geben wird, das die Steuerzahler aber zig Milliarden kostet. Das Geld ist
da, hurra!

Im Gegensatz zum Flughafen, den Berlin irgendwie nicht hinkriegt, gibt
es in Berlin aber Radwege. Ganz konkret, die Dinger gibt’s wirklich. Nur: für
Radwege ist kein Geld mehr da! Der Berliner Finanzsenator Nußbaum hat jetzt die
Ausgaben für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr in Berlin drastisch gekürzt. „Die ohnehin schon relativ geringen
Investitionen in Radwege und in Radfahr- und Zebrastreifen sollen um zwei
Millionen Euro sinken“ (Berliner Zeitung). Tschah, wer Milliarden für einen
nicht vorhandenen Flughafen zum Fenster raus schmeißt, muß natürlich unbedingst
schnell zwei Millionen bei den Fahrradwegen einsparen, ist schließlich kein
Geld mehr da. So sieht Verkehrspolitik von SPD und CDU im 21. Jahrhundert aus.

* * *

„Berlin war eine
Zeit lang besonders. Heute sind da zu viele Künstler, zu viele Leute mit
Karottenjeans. Idioten.“ (Iggy
Pop)

* * *

Die schönste Schlagzeile des vergangenen Monats las ich allerdings auf
Musikmarkt.de: „Helene Fischer wird
Werbegesicht für Meggle.“ Die Kräuterbutter, Sie wissen schon (also Meggle,
nicht Frau Fischer...). Toll, oder?

Man redet heutzutage natürlich geschwollen daher, also sagt man nicht
einfach, „Helene Fischer ist unsre neue Kräuterbutter-Schnute“, sondern: „Die Molkerei Meggle hat Helene Fischer als
neues Testimonial gewonnen.“

„Meggle ist in den
Köpfen der Verbraucher nicht mit Bildern hinterlegt“, barmt ein Ralph
Biermann, seines Zeichens „Group Product
Manager von Meggle“. Wo er Recht hat, hat er Recht. Ob sich das nun ändern
wird, wenn Helene Fischer „ich bin das Kräuterbutter-Gourmeggle“ haucht, kann
ich nicht beurteilen. Unseren Spaß werden wir aber alle haben.

* * *

Nicht nett fand ich dagegen die Schlagzeile „Deutsche Wähler immer noch
dumm“ auf Telepolis. Wobei, nun ja, ganz falsch liegen sie nicht: Denn weniger
als die Hälfte der wahlberechtigten Deutschen weiß laut einer Infratest
dimap-Umfrage, daß die Zweitstimme bei der Bundestagswahl über die
Mandatsverteilung entscheidet.

Bedenklich, oder?

Noch bedenklicher allerdings ist nur, daß man, egal ob für Erst- oder
für Zweitstimme, praktisch keine Auswahl hat. Was immer Sie als WählerInnen
tun, es kommt immer eine Mitte-Regierung heraus. Was nun wirklich irgendwie
dumm ist.

* * *

Der Lieblingsfeind der deutschen Content-Industrie, die Firma Google,
forciert laut einer Meldung auf „Musikmarkt.de“ in den USA „den Ausbau
schneller Glasfaserleitungen mit der Bandbreite von einem Gigabit“.

Während „die Telekom in Deutschland den umgekehrten Weg geht und
Internetverträge mit Volumenbegrenzung einführt“. Und die sogenannten
„Internet-Flatrates“ deutscher Provenienz ja sowieso schon bisher dubiose Mogelpackungen
darstellen, in denen alles andere als eine „Flatrate“ drin ist...

Google bietet in den USA jedenfalls für circa 32 Euro pro Jahr (!) „fünf
Megabit ohne Datenbegrenzung und ohne weitere Gebühren für sieben Jahre
garantiert“ – das ist „der Preis, den der Nutzer in Deutschland für 6.000
Kilobit pro Sekunde Download durchschnittlich im Monat zahlen muß.“

Amerika, Du hast es besser! Oder Frankreich. Sascha Lobo erklärt uns auf
"SPON":

"Anfang 2013
dekretierte die französische
Regierung, 20 Milliarden Euro in Glasfasernetze zu stecken, um 'Schluss zu
machen mit Kupfer'. Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt dagegen zum Thema
Breitbandausbau: 'In einigen Fällen kann
auch der Einsatz von Fördermitteln erforderlich sein, wenn andernfalls
eine Erschließung auf mittlere Sicht nicht darstellbar ist.' Noch lascher lässt
sich kaum erklären, dass man kein Geld
in die Hand nehmen möchte."

Und Sascha Lobos Forderung können wir uns nur entschieden
anschließen: "Es führt kein Weg an
massiven staatlichen Investitionen in eine netzneutrale Glasfaserinfrastruktur vorbei."

* * * 

Und keine sogenannte Initiative ist natürlich zu popelig, als daß die
Münchner Vereinspostille  für den
deutschen Urheberrechtsfan nicht groß über sie berichten würde. Laut
„Musikwoche.de“ hat also eine Initiative „Don’t Fuck With Music“ in Berlin ein
„Guerilla-Konzert“ veranstaltet. „Vor dem Reichstag wurde während der Aktion
ein Transparent (...) ausgerollt. Lautstark begleitet wurde die Aktion von der
Berliner Band The Toten Crackhuren im Kofferraum.“

Was aber sah man auf dem Foto, das zur Meldung in der Vereinspostille
abgedruckt wurde?

Keine Massen, keine Demonstration at all, keine Protestaktion von zig
Künstlern, sondern vier oder fünf armselige Hanseln und Greteln, wahrscheinlich
die Toten Crackhuren selbst, ich kenn die nicht, aber wer sich schon so nennen
muß...

Und unter einem „Protesttruck“, wie die Musikwoche das nannte, stell ich
mir auch irgendwie was anderes und vor allem was Größeres vor als einen
Kleintransporter.

Echt Guerilla, diese Freunde des Urheberrechts mit ihrem Manifest!

* * * 

Und, gähn, die GEMA? Hat eine ganz schöne Bauchlandung fabriziert.

Selbst das der Gema traditionell sehr gewogene Patentamt hat der „Gema-Tarifreform eine weitgehende Absage
erteilt“ (FAZ). „Die Schiedsstelle
schlägt vor, die elf Tarife beizubehalten, die die Gema ursprünglich auf zwei
reduzieren wollte. Eine Abschaffung der Vielzahl an Tarifen würde gegen das
Gleichbehandlungsgebot verstoßen“, mußte sich die Gema ins Stammbuch
schreiben lassen. Den absurden „Mondtarife“ mit durchschnittlich 500 Prozent
höheren Gema-Tarifen für Diskotheken und bis zu 2000 Prozent höheren Tarifen
für Musikkneipen hat das Patentamt eine völlige Abfuhr erteilt. Diese
Auswüchse, die die Gema-Oberen seit geraumer Zeit vorangetrieben haben, sind
nun endgültig vom Tisch.

Es gibt jedoch immer noch Klärungsbedarf hinsichtlich einiger erhöhter
Tarife. Wobei man vielleicht jetzt doch erwarten darf, daß die Arroganz der
Gema-Funktionäre ein wenig kleiner wird, nachdem sie nicht nur in der
Öffentlichkeit, sondern jetzt sogar vor der Schiedsstelle mit ihren maßlosen
Forderungen Schiffbruch erlitten haben. 

* * * 

Nun mal ehrlich: Daß Uli Hoeneß, dieser selbsterklärte Saubermann und
CSU-Amigo, der gerne in Talkshows mit erhobenem Wurstfinger rechte Moral lehrt,
auch nur ein dumpfer Steuerhinterzieher ist – das wundert uns nicht, oder? Das
hatten wir uns eh längst gedacht. Allerdings verfolgt unsereiner mit einer
gewissen klammheimlichen Freude, wie dem Hoeneß Uli seine Sprüche wie man müsse
„die Reichen“ im Lande behalten, „damit
sie hier gemolken werden können“ (FAZ) nun auf die Adidas-beschuhten Füße
fallen. Fair enough. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Noch bescheuerter und dumpfer ist eigentlich nur Herr Rummenigge, der sich
aus Katar kommend mit zwei Rolex-Uhren, die er nicht ordnungsgemäß angemeldet
hat, beim Zoll erwischen läßt. Aber so sind sie halt, die Reichen, die ihr
langweiliges Leben nur mit dem Kauf von Rolex-Uhren aufpeppen können...

* * *

Was also ist mit den Reichen los?

Eine Frau mit dem sinnigen Namen Denise Rich hat für Céline Dion, Patti LaBelle, Diana Ross oder Aretha
Franklin Hits wie „Love Is A Crime“, „Frankie“ oder „Candy“ geschrieben und
damit offensichtlich eine ganze Menge Geld verdient. So viel Geld, daß sie es
anscheinend in sonnigen Steueroasen verstecken mußte – ihr Name ist laut „FAZ“
in der „Datenlawine  aufgetaucht, durch die sich im Auftrag des
Washingtoner Center for Public Integrity seit mehr als 15 Monaten 86
Journalisten wühlen.“

Ganze 144 Millionen Dollar wurden unter dem Namen von Frau Rich auf den
Cook-Inseln, einem beliebten Offshore-Gebiet, entdeckt – und die Frau Rich dort
wohl „nicht ganz nach international
gültigen Geldverkehrsvorschriften geparkt hat“.

Die „FAZ“ weiß auch, daß Frau Rich für ihr Penthouse auf der New Yorker
Fifth Avenue eigentlich 65 Millionen Dollar haben wollte, es dann vor einem
halben Jahr aber für nur 54 Millionen Dollar an den Medienmogul David Geffen
verkauft hat – ein Schnäppchen, ein 
Freundschaftspreis sozusagen!

Ihr einstiger Ehemann, Herr Rich also, wurde vor Jahren in den USA wegen
Steuerbetrugs verurteilt und ging ins, genau, Schweizer „Exil“, weil er lieber
nicht im Knast sitzen wollte. Laut „FAZ“ hat Frau Rich der Demokratischen
Partei „Schecks“ zukommen lassen, die „üppig
genug waren, um als ‚FOB’, als ‚Friends of Bill’ bei dem damaligen Präsidenten
eine Sonderstellung zu genießen.“ Und Bill Clinton hat dann tatschlich an
seinem letzten Amtstag noch schnell den verurteilten Steuerbetrüger Herrn Rich
begnadigt.

Frau Rich dagegen hat 2011 ihren US-Paß zurückgegeben und verwaltet
seither ihren Reichtum „lieber und
vorteilhafter“ in Österreich. Oder eben auf den Cook-Inseln.

Geschichten, die das Leben schreibt. Geschichten, wie Sie und ich sie
tagtäglich erleben.