14.04.2011

Und Ansonsten 2011-04-14

Wofür hält sich die bürgerliche
Presse ein Feuilleton? Unter anderem, damit sich in regelmäßigen Abständen
moralisch aufgeplustert werden darf. War Gaddafi für Politiker und Wirtschaft
hierzulande fast ein Jahrzehnt lang ein willkommener Ansprechpartner, erhielt
deutsche Wirtschafts- und Waffenhilfe, so ist er binnen Monatsfrist zum brutalen
Diktator, zum Gröfaz gewissermaßen mutiert. Wovon man vorher natürlich
keinsterlei Ahnung haben konnte. Und welche Rolle darf das Feuilleton spielen?
Tobias Rapp darf sich im „Spiegel“ damit großtun, was Springers „Welt“ auf der
Titelseite breit tritt: Popstars und Popsternchen wie Beyoncé, Lionel Ritchie,
Mariah Carey oder Nelly Furtado spielten für Millionengagen dem Diktator auf.
Was eigentlich nur beweist, was auch vorher schon jeder wußte: Für Geld tun
Popstars alles. Was man vom bürgerlichen Feuilleton natürlich nie nicht
behaupten könnte. Und wie wir alle wissen, haben alle Medien von „Welt“ bis
„Spiegel“ ja schon seit Jahr und Tag recherchiert und berichtet, welche
Popstars für die Gaddafi-Posse spielen... genauso, wie all die Politiker
jeglicher Coleur und Nationalität ja schon seit Jahren, ach was: seit
Jahrzehnten Sanktionen und Bomben gegen Gaddafis Libyen fordern – die Medien
waren bekanntlich jahrzehntelang voll davon...

* * *

Eine Bitte hätte ich in dem
Zusammenhang an die Medien: Wenn jetzt immer darüber berichtet wird, daß
irgendwelche „Altlinken“ die Bombardements in Libyen fordern würden – lassen
Sie das Wörtchen „Altlinke“ doch einfach weg. Mag ja sein, daß sich mal vor
Ewigkeiten als „Linker“ geriert hat, wessen politische Vorstellungskraft heute
nichts anderes kennt als das Bombardement von Libyen, möglichst mit
moraltriefendem Pathos, das kennen wir ja, daß sich mindestens Auschwitz nicht
wiederholen dürfe. Mit Linkssein allerdings hat das alles wenig zu tun. Und zum
laut Sarkozy und Cohn-Bendit „alternativlosem“ Militäreinsatz gegen Gaddafi
gibt es einige Alternativen – wie es in der Politik „immer einen dritten
Weg“ (Alexander Kluge) gibt. Selbst der ehemalige CDU-Politiker Todenhöfer,
der im libyschen Kriegsgebiet war und dort bei einem Luftangriff
regierungstreuer Truppen einen guten Freund verlor, bezeichnet die militärische
Intervention von USA, Frankreich und Großbritannien als eine „tragische
Niederlage der westlichen Politik. Die Bombenangriffe unterstreichen dieses Versagen
der Politik. Sie sind ein Feigenblatt, um vierzig Jahre Feigheit vor einem
psychopathischen Tyrannen zu verbergen (...) Bomben töten immer auch
unschuldige Zivilisten. Sie bergen stets die Gefahr einer unkontrollierbaren
Eskalation.“ Und Todenhöfer macht eine ganze Reihe sehr konkreter
Vorschläge, was die UN und die Politik leisten könnten, um dem Land wirklich zu
helfen.
Aber im Westen haben ja die Hardliner das Sagen: Leute, die Gaddafi noch vor
kurzem ihre Waffen verkauft haben (Sarkozy etwa); Länder, die ihr Öl aus Libyen
beziehen, lassen jetzt das Land bombardieren. Und man vergesse nicht den guten
alten Militärkeynesianismus.
„All das stinkt kilometerweit nach Heuchelei (...) Diese Länder sind uns
doch völlig egal. (...) Deshalb werden wir unsere Demokratie, unseren
Liberalismus, unseren freien Markt, unsere Zivilgesellschaft bis ans Ende der
Welt exportieren – solange sie nur alle bleiben, wo sie sind, solange sie in
ihren Hütten aus Lehm, Gras, Pappe oder Wellblech sitzen. (...) Wir schauen ohne
große Emotionen auf die arabische Revolte. Wir warten, bis sie verblutet. Wir
warten darauf, daß jemand dort endlich Ordnung macht. Im Grunde ist es uns
egal, wer dort die Macht übernimmt. Er soll sie nur endlich übernehmen und
stabilisieren. Wir können doch nicht bei jedem Besuch an der Tankstelle aufs
neue diesen Streß erleben.“ (Andrzej Stasiuk)

* * *

Die „Berliner Zeitung“ berichtete:
„Carsten Maschmeyer, Ex-König der Drückerkolonnen, hat Gerhard Schröder eine
Million Euro für Memoiren gezahlt“ und zog das Fazit: „Nichts Neues!“
In der Tat. Wobei ich schon finde, daß eine chronologische Anordnung der
bekannten Tatsachen eine gewisse bestechende Faktizität aufzeigt:
1998: Maschmeyer, „Chef des ebenso erfolgreichen wie schlecht beleumundeten
Finanzvermittlers AWD“, spendet 650.000 D-Mark für eine Anzeigenkampagne für
Gerhard Schröder, damals Ministerpräsident Niedersachsens: „Der nächste Kanzler
muß ein Niedersachse sein“.
1998: Gerhard Schröder (SPD) wird Bundeskanzler.
Als Bundeskanzler erklärt Schröder den Menschen, daß sie für ihre Rente selbst
vorzusorgen hätten, und schafft entsprechende Anlagemodelle („Riester-Rente“),
von denen u.a. der Finanzkonzern AWD profitiert (Maschmeyer hat den Ex-Minister
Riester, SPD, laut „Spiegel“ übrigens vertraglich an sich gebunden). Mehr als
14 Millionen Bundesbürger haben bis heute einen Riestervertrag unterschrieben.
2003 erklärt Maschmeyer in einem Firmenvideo: „2005 werden 10,9 Billionen Euro
in die private Altersvorsorge und Krankenversicherung bereitgestellt. Das ist
der größte Geldklumpen, der je angelegt wurde, und wir mittendrin.“
2004 erklärt Bundeskanzler Schröder als Ehrengast auf einer Tagung von
AWD-Managern: „Sie als AWD-Mitarbeiter erfüllen eine staatsersetzende Funktion.
Sichern Sie die Rente Ihrer Mandanten, denn der Staat kann es nicht.“
2004 darf Maschmeyer Schröder auf eine Auslandsreise nach China begleiten
(siehe weiter unten).
2005 wird Schröder abgewählt.
2005 zahlt Maschmeyer an Schröder ca. eine Million Euro für seine Memoiren, die
im Herbst 2006 erscheinen.
2008: Mit einer halben Million Euro fördert AWD-Vorstandsvorsitzender Carsten
Maschmeyer die Uni Hildesheim.
2009: Maschmeyer wird Ehrendoktor der Uni Hildesheim, ist „gerührt“ und „dankt
auch seiner Mami“ (laut „Hildesheimer Allgemeine Zeitung“). Die Laudatio hält
der damalige Ministerpräsident Christian Wulff („mich reizt der Mensch
Maschmeyer“...), der Monate später als Bundespräsident seinen Urlaub in
Maschmeyers Villa auf Mallorca verbringen darf.
2009 feiert Schröder seinen 65. Geburtstag „auf eigene Kosten“ („Spiegel“) in
Maschmeyers Hotel Seefugium. Und „wenn die Scorpions ein Konzert geben, nimmt
Maschmeyer den Ex-Kanzler schon mal in einem schwarzen Learjet mit“
(„Spiegel“).
2010 eröffnet Maschmeyer mit dem ehemaligen „Wirtschaftsweisen“ Rürup eine
Beratungsfirma, die Versicherungskonzerne und ausländische Regierungen in
Rentenfragen berät – China zum Beispiel... Ex-Bundeskanzler Schröder erklärt:
„Ich bin mit beiden Gründern persönlich befreundet.“
Noch Fragen?

* * *

Die „New York Times“ berichtet im
Nachruf auf den „Black Panther“ D.L.Cox von anderen Zeiten, nämlich von einer
Fundraising-Party mit Liberalen in Leonard Bernsteins New Yorker Appartement
zugunsten von zu Unrecht angeklagten Mitgliedern der Black Panther-Bewegung,
auf der D.L.Cox mit einigen anderen Mitgliedern seiner Bewegung auftauchte:
„Mr. Bernstein: „Now about your goals. I’m not sure
I understand how you’re going to achieve them. I mean, what are your tactics?“
Mr. Cox: „If business won’t give us full employment, then we must take the
means of production and put them in the hands of the people.“
Mr.
Bernstein: „I dig absolutely.““
Stellen Sie sich nur mal kurz vor, daß ein Christian Thielemann oder selbst ein
Simon Rattle sagen würde: „Klar, dem stimme ich völlig zu, daß Sie die Fabriken
übernehmen müssen, wenn Sie sonst keine Arbeit finden“, und Sie wissen, wie
weit die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in den USA von den 10er Jahren
unseres Jahrhunderts hierzulande entfernt sind. Und was einen Leonard Bernstein
von einem Christian Thielemann und all den anderen unterscheidet...

* * *

Die einen sagen so, die anderen
sagen so.
Eine Mitarbeiterin dieser Agentur sagte letzten Monat mit größter
Selbstverständlichkeit: „Die Zeit von Newslettern ist vorbei“, in Zukunft gebe
es quasi nur noch Blogs und sogenannte soziale Netzwerke. Fühlen Sie sich als
Leser dieses Newsletters also ruhig ein wenig als Fossil, so wie der Autor
dieser Zeilen...
Andrerseits sagt Moderatoren-Sternchen Katrin Bauerfeind, von der man eher das
Gegenteil erwartet hätte, diesen Monat auf die Frage „Facebook oder
Twitter?“: „Gerne nichts von beidem. Aber wenn, dann Twitter, denn Facebook
geht gar nicht.“
Facebook geht also gar nicht. Hm. Wenn Sie also unser Freund auf dem komischen
Gesichterbuch werden wollen... aber wissen Sie ja schon. Und wenn Sie weiterhin
lieber unseren Newsletter lesen – freuen wir uns umso mehr!

* * *

„Ain’t singing for Pepsi / ain’t
singing for Coke“, so sang Neil Young vor Jahrzehnten, als Michael Jackson den
bis dahin größten Sponsoring-Deal der Musikgeschichte mit einer der braunen
Brausen einging. Weit, weit weg... wer dieser Tage in Texas bei der SXSW war,
konnte u.a. feststellen, daß dort praktisch alle Popmusik irgendwie gesponsort
wird: Kanye West und Jay-Z, zwei der wichtigsten Popmusiker unserer Tage,
spielen gar nicht mehr im Rahmen der Musikmesse und des Festivals, sondern auf
einer eigens vom Autokonzern Fiat gebauten Bühne, einem eigenen
Werbe-Festival... Chevrolet sponsort das ganze SXSW-Festival, Miller Lite ist
das „Beer for the People“ beim Festival („Great Beer. Great
Responsibility“...), AOL präsentiert Künstler auf einer eigenen Messebühne
(„...first look at the next big thing“...), Pepsi ist die offizielle
braune Brause der SXSW („Pepsi Refresh Project: it has been a good year“...),
die Modefirma „Maurices“ präsentiert den „Girls rock Austin Showcase“
mit u.a. den Bangles, undundund... von den staatlichen Exportbüros (Kanada!
Spanien! Quebec! Frankreich! England! Wales! Australien! Deutschland, „Initiative
Musik rockt Austin – Wirtschaftsministerium zeigte sich sehr zufrieden“,
heißt es in einer Pressemitteilung...) ganz zu schweigen. Wahnsinn.
Wenn man sich die US-amerikanischen Verhältnisse betrachtet, weiß man, was auf
einen hierzulande noch zukommt. Und da ist der „Coke Sound Up Kick Off“ in
München diesen Monat nur der Anfang: „Der smarte Womanizer Pharrell Williams
und sein Buddy Chad Hugo produzierten schon als „The Neptunes“ Hits (...) Ihre
musikalische Handschrift ist speziell und einzigartig, das beweist auch das
mittlerweile fünfte Album „Nothing“, mit dem das Trio seinen „Future Pop“ noch
ein Lichtjahr weiter entwickelt hat. N.E.R.D spielen am 9. April die weltweit
erste Show des neuen Musikprogramms Coke Sound Up. Die exklusiv inszenierten
One-off Gigs überraschen durch einmalige, gemeinsam mit den Künstlern
entwickelte Specials und Aktionen, die das Konzert zum Once-In-A-Lifetime
Erlebnis machen und die spezielle Beziehung von Künstler und Fans in den
Mittelpunkt stellen.“
Aha.
Oder Becks sogenanntes Bier, für das nach Phoenix nun die unvermeidlichen
„Fantastischen Vier“ Werbung laufen. Wiglaf Droste hat es in einer Glosse in
seiner unnachahmlichen und unübertrefflichen Art auf den Punkt gebracht (leider
gekürzt):
„Beck’s Gold“ ist der Name einer Industriebrühe, die nichts mit Bier zu tun
hat und stattdessen nach Chemiebaukasten für Anfänger schmeckt. (...) Die
„Beck’s Gold“-Zielkundschaft betrachtet sich, wie man sich heute eben online
vor dem Spiegel sieht: als „freiheitsbetont und individualistisch“; das sind
die beiden Hauptneowörter für konsumfreudig und vollkonform. Die Plakatreklame
für das Pipi-artige Gesüppel – oder das artige Pipi-Gesüppel? – sagt dann auch
klar, wo es langgeht: „Sei dabei“. So ist die Welt beschaffen, in der Mitläufer
zu Vorreitern erklärt und als Avantgardisten verklärt werden, damit man ihnen
ein Avantgarde-Haarspray verkaufen kann – das aber auch als Getränk durchgeht,
denn als solches gilt „Beck’s Gold“.
Die immerfitten, allzeit bereiten Jungs vom Verkaufsförderungspop sind auch mit
im Boot: „ ... alles ist wie es ist?“, fragt die „Beck’s Gold“-Werbung – und
hat sogleich eine Waschmittelkopfantwort parat: „Gemeinsam mit den
Fantastischen Vier erfindet Beck’s Gold deine Welt neu.“
„Neu erfinden“ ist das Gegenteil von verändern und heißt: verkleiden. In
Pipi-Bier und Fanta vier fließt zusammen, was zusammengehört. Sogar das Bier /
heißt Fanta hier. – / Na dann Prost. / Doch gibt es auch Trost: Die Münchner
Agentur, die den PR-Schwindel für „Beck’s“ in den derzeitmodernen Klatschmedien
FaceBook, StudiVZ, MeinVZ et cetera organisiert, heißt Coma – Coma mit C, wie
Creativabteilung.“
Wir danken Wiglaf Droste für die Abdruckgenehmigung!

* * *

In der „Musikwoche“ werden „Die
Atzen“ anläßlich ihres neuen Albums als „Party-Philosophen“ im Geist
ausgerechnet der Beastie Boys bejubelt.
Wir haben dies zum Anlaß genommen, einen der Hits dieses Albums, „Strobo Pop“
von „Die Atzen“ & Nena, näher zu betrachten:
„Es flackert das Licht.
Dann kommt die Musik.
Auf der Tanzfläche herrscht Krieg.
Schwitzende Menschen.
Basstherapie. Wir machen Strobo Party.
STROBO POP. STROBO POP.
Ich hab voll das Brett vorm Kopf
Flattermann
Flimmerlicht
Ich seh dich nicht (...)
Alkopopper Strobopopper
Atzen sind viel viel bekloppter
Flacker Flacker
Atzen macht euch locker locker locker
Blitze in der Disco
Viele schwitzen ich so oben ohne
Ich kenne die Dame nackt die sagte
Zack die Bohne
Party machen nicht abkacken
Weiter lachen schnell aufwachen
Weiter zappeln weiter zappeln
Lasst uns heute den Club abfackeln (...)
STROBO POP. STROBO POP.“
Mal jenseits dessen, daß ich sehr dafür bin, daß Leute, die Krieg auf Musik und
abfackeln auf zappeln reimen, alle verfügbaren Literaturpreise dieser Republik
erhalten sollten – aber „Party-Philosophen“?!? Gewiß doch. Und DJ Ötzi ist
Theodor Wiesengrund Adorno auf Speed.

* * *

Der große
David Thomas beantwortete der Programmzeitschrift des Berner Clubs
Dampfzentrale die Frage „what is the importance of art in the society of today
as compared to the beginning of your artistic career?“:
„I'm not sure there's a difference in importance. The main difference, I'd
say, is that we are swamped by trivial sludge, pop culture noise and the notion
of the celebrity as arbiter of wisdom. This tsunami of dross takes up all
available space and time and minimizes the role and value of "true"
culture. By that I don't mean "high culture" - pop culture is as
important as "high culture" but even the value of pop culture has
been wiped away in the flood.“
Wir freuen
uns wie verrückt auf die Tour von Pere Ubu im Mai 2011!

* * *

Schön, wie vielfältig die beiden
führenden deutschsprachigen bürgerlichen Tageszeitungen, die „FAZ“ und die
„NZZ“, ihren Qualitätsjournalismus betreiben.
Am Mittwoch, dem 30.März, berichtet die Neue Zürcher Zeitung groß über
„innerkoreanische Gespräche um einen Vulkan“: „Während die Welt im Bann der
Erdbebenkatastrophe von Japan und ihrer Folgen steht, eröffnet ein anderes
Naturereignis neue Aussichten auf einen Dialog auf der koreanischen Halbinsel.“
Am Freitag, dem 1.April, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung groß über
einen „Geologendialog“ in Korea: „Während die Welt im Bann der
Erdbebenkatastrophe von Japan und ihrer Folgen steht, eröffnet ein anderes
Naturereignis neue Aussichten auf einen Dialog auf der koreanischen Halbinsel“,
heißt es in dem gleichgeschalteten Artikel.
Urheberin des einen wie des anderen Artikels ist eine Petra Kolonko, die in
Tokyo (bzw. mittlerweile in Seoul) sitzt, Agenturmeldungen liest und Fernsehen
schaut und darüber seit Jahr und Tag in NZZ und FAZ in praktisch
gleichlautenden Artikeln berichtet. Wie eine Tokyo-Korrespondentin für die
Spökenkiekerei der führenden bürgerlichen Medien in Deutschland und der Schweiz
verantwortlich ist, kann man im „Konkret“-Artikel „Pjöngjang im Kaffeesatz“ von
Berthold Seliger auf unserer Homepage unter „Texte“ nachlesen.

* * *

Tschah, irgendwie verlassen sie alle
Tokyo – und selbst der dunkelbraune, übelriechende  Zaubertrank der
Partygeneration scheint nicht mehr zu helfen:
„The Red Bull Music Academy 2011 will not be held in Tokyo“, erfahren
wir per Rundmail.

* * *

Ich darf an dieser Stelle noch mal
auf meinen Rundbrief vom September 2010 zurückkommen und an die schmierige
Anzeigenkampagne erinnern, mit der die Atomindustrie Lobbyismus für ihre Sache
betrieben hat. Vielleicht kann man die Herren Clement, Schily, Bissinger oder
Bierhoff mal fragen, was sie aktuell so von mehr Atomenergie halten, die sie
letzten Sommer noch so vehement vertreten haben...
Und ansonsten gilt: laßt uns die Firmen, die so massiv die Atomenergie
propagieren, boykottieren – ich wiederhole aus dem alten Rundbrief: „Mein
Vorschlag: man hänge die Liste in der Küche auf und boykottiere fortan die
Firmen, die die Unterzeichner der Kampagne vertreten - wer immer noch ein Konto
bei der Deutschen Bank hat - kündigen! Wer immer noch Strom der Atomkonzerne
RWE, Eon oder Vattenfall bezieht - es ist höchste Zeit, auf Ökostrom und
korrekte Energieanbieter umzusteigen! Bahlsenkekse schmecken sowieso nicht, man
greife zu den leckeren Plätzchen der Konditorei ums Eck oder in Ermangelung
derselben zum Beispiel zu den Produkten französischer Provenienz und erlebe,
wie ein Keks schmecken kann. Oetkers Fertigprodukte? Sowieso bäh. BASF, Bayer,
Metro (denen u.a. "Saturn" und "Media Markt" gehören), Gerry
Weber? Man weiß, was man zu tun hat“, wer dort bzw. deren Produkte einkauft,
fördert nicht nur die Atomenergie...
Es reicht nicht aus, alle vier oder fünf Jahre den Grünen die Stimme zu geben
und die Atomkraft-Nein danke-Sonne am Revers zu tragen!

* * *

Konzentrationsprozesse in der
Musikindustrie: nachdem CTS letztes Jahr Ticket Online gekauft hatte, bietet
„Live Nation“ jetzt laut „Wall Street Journal“ auch für „Warner Music“. „Live
Nation“ ist eine der größten Tourneefirmen der Welt und hat u.a. Madonna und
Jay-Z mit sogenannten 360-Grad-Deals eingekauft. Warner Music ist einer der
zwei kleineren der vier multinationalen Konzerne, die über 80% des weltweiten
Tonträgergeschäfts unter sich aufteilen.
Neben Live Nation bieten angeblich auch Sony Music Entertainment und BMG Rights
Management für Warner Music.
Das eigentlich Interessante an dieser Meldung ist jedoch: Allein im vierten
Quartal 2010 machte Live Nation laut „Musikwoche“ einen Nettoverlust von 124
Millionen US-Dollar, womit der Nettoverlust von Live Nation im Geschäftsjahr
2010 auf sage und schreibe 228,38 Millionen US-Dollar stieg. Eine Firma, die in
einem Geschäftsjahr mal eben 228 Millionen Dollar Verlust macht, bietet um eine
Firma wie Warner Music mit! Diese kleine Konzertagentur hier hat im
Geschäftsjahr 2010 dagegen erneut keinen Verlust gemacht – hey, wenn mir die
Banken mal eben 200 Millionen Dollar leihen, biete ich auch bei Warner mit.
Oder sollte ich doch besser ins Bietergeschäft um die EMI einsteigen?

* * *

„Dylans unwahrscheinliche Pop-Stimme
ist einer der Orte ihrer vollkommenen Materialisierung... nicht zu finden in
den Büchern unserer Top-Ten-Philosophie-Beamten... da ist eher kühles Valium...
verabreicht Lesern, die die Power des (sur)Realen nicht ertragen... den Klang
der Wirklichkeiten... Leute, die sich zu den Denkern flüchten... und denken, da
sei was... Entertainment für Anspruchslose.“
Klaus Theweleit in „How Does It Feel“

* * *

Heute Disko, morgen Umsturz,
übermorgen Landpartie!