02.01.2011

Und Ansonsten 2011-01-02

„Frohe
Weihnachten...“

Auf der Website der „Grünen“ lief tagelang ein Video mit dem Titel „Claudia
Roth & Cem Özdemir wünschen frohe Weihnachten“, und man fragte sich, wen
man nun ekliger finden sollte – die „grüne Gurke“ („taz“) Claudia Roth, per se
sozusagen, oder den schwäbischen Vorzeigemigranten, wie er sich an das
bürgerliche Wahlvolk ranwanzt und erzählt, was er die Tage vor „dem Fest“ so treibt,
„Postkarten schreiben, Weihnachtskarten schreiben...“

Doch schließlich schlägt das Pendel doch zugunsten von Claudia Roth aus – wie
sie tief betroffen und nachdrücklich und mehrfach „und wir wünschen euch
natürlich alles Gute zu Weihnachten“, „wir wünschen euch friedliche
Weihnachten“, „wirklich friedliche Weihnachten, wir wünschen euch das, was wir
uns auch wünschen, Besinnlichkeit, Ruhe“ – das allein reicht schon, um
angewidert zu sein – daß Claudia Roth dann aber allen Ernstes als Fernsehtip
das Anschauen von „Sissi“ empfiehlt, und dabei Taschentücher bereitzuhalten,
ist auf eine spießige Art derart unglaublich, wie man es selbst den Grünen
nicht zugetraut hätte.

 * * *

Und dazu passend: Die deutsche Politik war sich einig, daß Religionsführer Benedikt
XVI. bei seinem Deutschland-Besuch im September diesen Jahres auch im Bundestag
sprechen soll. Eine „große Ehre“ (CSU), ein „willkommener Gesprächspartner“
(SPD) – und Grünen-Politikerin Renate Künast pfiff ihre Fraktion, die sich
zunächst gegen die Papst-Rede im Bundestag ausgesprochen hatte, zurück: „Der
Papst ist eingeladen, das ist in Ordnung so. Da gehen wir hin, und zwar
respektvoll.“ Denn den Grünen „liegt am Herzen, alle Religionsgemeinschaften
gleich zu behandeln“ – Vertreter anderer Religionsgemeinschaften haben
allerdings bisher nicht im Bundestag sprechen dürfen. Oder spricht Benedikt
XVI. als Staatschef des Vatikans, so wie bisher die Vertreter anderer
Kleinstaaten, wie George W. Bush, Michail Gorbatschow oder Jacques Chirac? Und
wann darf der Präsident Liechtensteins im Bundestag sprechen?

 * * *

Interessante Umfragen: Fast alle Deutschen denken ökologisch. Als
„überzeugteste Verfechter von Naturschutz und strikter Umweltpolitik bekannten
sich“ laut „Berliner Zeitung“ „die jüngeren, moderner lebenden, besser
verdienenden Deutschen. Sie würden mit großer Mehrheit umweltschädliche
Subventionen sofort streichen und Gesetze zum Schutz von Natur und Klima
verschärfen.“ Allerdings: „die Vertreter dieser Gruppe, meist mit höherem
Einkommen, (...), wohnten im Grünen und würden mit mehreren Autos zu ihren Jobs
in der Stadt fahren. Im Urlaub könnten und wollten sie sich häufige und weitere
Flugreisen leisten. (...) Dadurch hinterlassen sie einen viel kräftigeren
ökologischen Fußabdruck als Rentner und Unterschichtler“. Die schärfsten
Kritiker der Elche...

Und die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet von einer anderen Studie: „Je reicher,
desto rabiater“ lautet der Titel – „mit Toleranz gegenüber den schwachen
Mitgliedern der Gesellschaft, etwa Behinderten und Obdachlosen, Zuwanderern und
Arbeitslosen ist schnell Schluß, wenn sich Wohlhabende vom Abstieg bedroht
sehen“, zeigt die Studie des Bielefelder Forschres Wilhelm Heitmeyer. Bei den
Höherverdienenden nimmt demnach nicht nur die Zustimmung zu Islamfeindlichkeit
und zu Privilegien für die Alteingesessenen „besonders deutlich“ zu. Auch
„Fremdenfeindlichkeit insgesamt, Rassismus, Sexismus sowie die Abwertung von
Langzeitarbeitslosen“ sind bei den Wohlhabenden deutlich ausgeprägter als
früher. Heitmeyer spricht vom „eisigen Jargon der Verachtung, der sich in den
Eliten breitgemacht“ habe, von einer „rohen Bürgerlichkeit“.

 * * *

Beim sogenannten „Hamburger Kultursommer 2011“ spielen Schandmaul, In Extremo,
Wir sind Helden und Unheilig. „Hamburg“, „Sommer“ und „2011“ habe ich kapiert –
aber „Kultur“?

 * * *

Ich weiß ja, daß Namenswitze verboten sind, aber vielleicht kann man
nachvollziehen, warum ich schmunzeln mußte, als ich las, wer im Zeughaus-Kino
zu Berlin den Vortrag „Don Juan / Don Giovanni: ein europäischer Mythos“ halten
würde: Ein Thomas Macho.

 * * *

Wer im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“ heutzutage über Bertolt Brecht
schreibt, muß Brecht nicht mehr gelesen haben, es reicht, wenn er den Lesern
weiß machen will, daß Brecht quasi ein schwäbischer Heimatdichter war. Also
hebt ein Stefan Mayr seinen Artikel über den Fund eines unveröffentlichten
Brecht-Fotos in Augsburg wie folgt an: „Ob Bertolt Brecht ein Kommunist war,
darüber wird noch bis weit nach dem Zusammenbruch der Regimes in Kuba und
Nordkorea diskutiert werden.“ Klar, die Lektüre der „Mutter“ oder der
Notizbücher wäre für einen bürgerlichen Feuilletonisten des Jahres 2010 zu
mühsam.

Behauptungsjournalismus aber ist erlaubt: Mayr schreibt, Brecht und seine
Freundin Paula Banholzer säßen „in einem großbürgerlich anmutenden Wohnzimmer
des 20.Jahrhunderts“ – auf dem Foto, das die Zeitung abbildet, sind neben vier
Personen, die für das anmutende Wohnzimmer von keiner Bedeutung sind, freilich
nur zu erkennen: ein Sofa. Ein Vorhang vorm Fenster. Ein Foto an der Wand.
Großbürgertum im frühen 20.Jahrhundert, wie es leibt und lebt also. Und der
Unterschied von Blöd- und süddeutscher Zeitung? In der Blödzeitung kommen 
die Fotos in aller Regel ohne Beschreibung aus...

 * * *

Es wird gemeldet, daß der ehemalige Volontär der „Fuldaer Zeitung“ und zuletzt
Feuilletonchef der „Zeit“, Florian Illies, in die Geschäftsführung des
Kunstauktionshauses Villa Grisebach eintritt, wo er für das 19. Jahrhundert
zuständig sein wird. Mit dem 21. Jahrhundert war er ja nun auch wirklich
überfordert...

 * * *

„In mancher Hinsicht verschaffen zwanzig Minuten Kampfgeschehen mehr
Lebensintensität, als man sie während eines Daseins zusammenkratzen kann, das
mit anderem beschäftigt ist. Der Kampf ist nicht der Ort, an dem man stirbt –
obwohl auch das geschieht –, sondern der Ort, an dem man herausfindet, ob es
einem gegeben ist, weiterzuleben. Die Kraft dieser Offenbarung möge niemand
unterschätzen. Und niemand unterschätze das, was junge Männer einsetzen, um das
Spiel noch einmal mehr zu spielen.“

„Es ist typisch für Kampfeinheiten, daß auf jeden physisch Verwundeten ein
psychischer Krankheitsfall kommt.“

Keine angenehme Lektüre, „War – Ein Jahr im Krieg“ von Sebastian Junger. Vor
allem, weil Junger aufzeigt, wie grausam der Krieg in Afghanistan ist, ein
Krieg zum Beispiel mit von der Schulter abgefeuerten Raketen namens „Javelin“ –
„jede Javelin kostet 80.000 Dollar, und die Vorstellung, daß so eine Rakete von
einem Mann abgefeuert wird, der diese Summe in einem Jahr nicht verdient, und
einen Mann trifft, der so viel in seinem ganzen Leben nicht verdient, ist
ungeheuerlich...“ – ein Krieg, aus dem junge Männer verhaltensgestört und
hochtraumatisiert ins „Zivilleben“ zurückkehren werden – ein Krieg, den Politik
und Medien hierzulande aus taktischen Gründen so nicht benennen. Und die Medien
hierzulande berichten nicht über diesen Krieg, sondern wälzen lediglich die
Frage, ob es korrekt war, daß „Frau Guttenberg an der Front“ („Blödzeitung) war
bzw. „Eine FREIFRAU an der FRONT“ (Großbuchstaben so im Original), wie es die
„Bunte“ nannte. Stillgestanden! Rechts um! Marsch!

* * *

„Da kann einem dann schon einmal ganz weihnachtlich zumute werden: wenn die
knapp tausend im SO 36 sardinenbüchsenmäßig aneinandergequetschten Slime-Hörer
(...) noch einmal das traditionelle Liedgut des Linksradikalismus anstimmen.
„Deutschland verrecke / Deutschland muß sterben, damit wir leben können!“ (...)
Würden mehr junge Leute auf Popkonzerten „Nein zu Sexismus“ und „Nein zum
Rassismus“ rufen statt bloß zu den trüben Takten von Bushido & Co. mit den
Extremitäten zu schaukeln – für den Fortbestand der Zivilisation wäre etwas
gewonnen.“

Jens Balzer in der „Berliner Zeitung“ in einer Rezension eines
„Slime“-Konzertes, in der er auch beschreibt, wie „im Getümmel“ vor ihm Dimitri
Hegemann „mit einem leitenden Angestellten des Axel Springer Verlags schunkelt,
der sich besonders an dem Stück „Linke Spießer“ erfreut.“

Eine andere Publikation des Axel Springer Verlags als die, für die der genannte
„leitende Angestellte“ arbeiten dürfte, freut sich am Slime-Konzert weit
weniger, sondern titelt anderntags über die Randale nach dem Slime-Konzert in
Kreuzberg: „Ist euch das Hirn gefroren? (...) Krawallnacht in Kreuzberg. Der
vermummte Mob...“

Der „leitende Angestellte“ des Axel Springer-Konzerns wird da schon beim
Weißweinschlürfen gewesen sein.

 * * *

Tapfer brüllt ein(e) Kito Nedo im Jahresrückblick-Heft der „Spex“ zum Thema
„Kulturoffensive Springer“: „Im April wurde Cornelius Tittel vom Berliner Kunstmagazin
Monopol zum Feuilleton-Chef der Springer-Gruppe ernannt und ist somit zuständig
für Welt, Welt am Sonntag, Welt Kompakt und auch die Berliner Morgenpost.
Tittel war, bereits bevor er 2007 zur Monopol ging, Kulturredakteur der Welt am
Sonntag und davor auch irgendwann mal bei der taz. Das Geheimnisvolle an dieser
Personalie aber ist, daß er schon im März 2002 in einem Ulf-Poschardt-Porträt
für die taz seinen neuen Arbeitsplatz liebevoll beschrieben hatte (...)

Das Grundproblem bei Springer ist der Geist des Hauses, der alle anderen
Verlagsprodukte kontaminiert (...) Man muß sich das Axel-Springer-Hochhaus als
einen verwunschenen Ort vorstellen.“

Das Geheimnisvolle an diesem Artikel ist, daß er verschweigt, daß auch der bis
vor kurzem Chefredakteur der „Spex“ seit Jahren regelmäßig für die
„Verlagsprodukte“ des Springer-Verlages schreibt, aktuell circa einmal
monatlich für die „Welt am Sonntag“, für die er etwa nach Venedig fahren
durfte, um dort einen ganz speziellen Cocktail zu beschreiben. Wenn da der
gewesene „Spex“-Chefredakteur mit der Bar in Venedig mal nicht liebevoll seinen
neuen Arbeitsplatz beschrieben hat...

Und was unterscheidet nun die beiden Journalisten-Ausbildungsplätze „taz“ und
„Spex“? Von taz zur Springerpresse dauert es anscheinend knappe acht Jahre. Von
der Nudelpresse „Spex“ in den Schoß der „Welt am Sonntag“ nicht mal Monate...
ach was, man kann sogar bequem gleichzeitig für Spex und Springer brabbeln –
„das Grundproblem ist der Geist des Hauses“...

 * * *

Karl Bruckmaier schreibt in einem überaus lesenswerten Nachruf auf Captain
Beefheart in der „Zeit“: „Animalisches stieg da auf, zugleich aber etwas
renitent der Moderne Verpflichtetes, Antireaktionäres, Unversöhnliches (...) Im
englischen „Guardian“ hieß es vor ein paar Jahren, ach, dieser Beefheart, den
hört, den guckt doch eh keiner mehr. Ich möchte dazu nur sagen, das merkt man
der Welt aber auch an.“

R.I.P., Captain Beefheart! (und von Karl Bruckmaier möchten wir mehr und öfter
lesen)

 * * *

Und wo wir schon dabei sind, für guten Journalismus (der bekanntlich selten
genug vorkommt, und das merkt man der Welt auch an...) unbezahlte Werbung zu
machen, hier noch der Hinweis, daß der Eintrag im Pop-Tagebuch des Eric Pfeil
(via FAZ.net) am 30.12. alle Berichte über bescheuerte Echo- oder
Wasweißich-Verleihungen der hiesigen Musikindustrie um viele Längen schlägt.

Am Tag danach notiert Eric Pfeil, was zu Facebook zu sagen ist:

„Pünktlich zum Jahresende, nach Monaten des digitalen Herumdümpelns in
lustloser Halbanwesenheit, habe ich endlich mein Facebook-Konto
deaktiviert.Dass ich Menschen, die bei Facebook an ihrem Nicht-vergessen-werden
schnitzen und wüst vor sich hinschnatternd und -plappernd dort öffentlich alles
ausbreiten, was ich nicht wissen will, skeptisch beäuge, habe ich ja hier
bereits dargelegt. Auch habe ich schon dem Standpunkt, dass die bei Facebook
gepflegte Freundschaftskultur noch schlimmer als jene ist, für die Menschen,
die keine Ahnung von Freundschaft haben, Wörter wie „Kegelfreund" oder
„Partfeifreund" erfunden haben, hier schon ausgiebig Ausdruck verliehen.
(...)Allerdings gibt es bei Facebook ja nicht nur plaudersüchtige Bipolare und
dauerhektische Haltlose, netzwerkgeile Nudeln und Community-Clowns, sondern
sogar ein paar Menschen, die ich für ihre Meinung, ihren Geschmack oder
manchmal gar für ihre seelischen Reize durchaus schätze und die mir immer
wieder versuchen, die vermeintlichen Vorteile von Facebook darzulegen. Einer
dieser Vorteile besteht angeblich darin, daß alle gleichzeitig zu allem etwas
sagen können. Ehrlich gesagt: Das ist meine Definition von Hölle.“

Konzertagentur Berthold Seliger ist konsequenterweise (wer jetzt meckert, „weiß
nicht um die süßen Wonnen der Widersprüchlichkeit“, wie Eric Pfeil sagen
würde...) natürlich ebenfalls auf dem bescheuerten Gesichterbuch zu finden:
www.facebook.com/AgenturSeliger

Neil Tennant of Pet Shop Boys Fame sagt dazu übrigens: „There's a sickly strain
of fake friendship which goes across the internet, which I find insincere and
dislikeable.“

Yep. Werden Sie also ruhig unser Facebook-Freund!

 * * *

Wenn in China Google mal nicht alles zeigt, was Google hierzulande zeigen
würde, ist das mediale und politische Aufgeheule groß. Daß aber im Land der
Freien permanent eine Zensur stattfindet, wird gern übersehen. Es geht um
kleinere wie größere Fälle – darum, daß ein Buch wie Mark Twains „Abenteuer von
Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ nicht mehr im Original erscheinen darf und
längst aus absurden Gründen von den Lehrplänen der Schulen gestrichen wurde. Oder
es wird in Apples digitalem Bücherladen Melvilles „Moby Dick“ zensiert, weil
ein anstößiges Wörtchen namens „sperm“ den „sperm whale“ (Pottwal) definiert.
In der Apple-Version steht da jetzt „s... whale“. Man muß nun nicht gleich wie
in einigen Blogs von „Apple Gestapo“ schreiben – aber wenn man sich anschaut,
wie der reaktionäre Sektenführer des angebissenen Apfels nicht nur von „Stern“
bis Melville ihm als anstößig erscheinende Seiten und Apps zensiert, sondern
auch zum Beispiel aktuell die „Wikileaks“-App verbietet, dann muß man sich doch
sehr wundern, daß der Apfel immer noch als hip und toll gilt, wo doch klar ist,
daß diese Firma das offene Internet bekämpft und ansonsten nur darauf aus ist,
die Nutzer aus dem freien, unkontrollierten Netz in ihren ummauerten Garten
voller Bezahlinhalte zu locken.

(und, ja, dieser Text wurde auf einem Apple-Rechner geschrieben, die Welt ist
voller Wonnen der Widersprüchlichkeit...)

 * * *

Was tut aber Jean-Luc Godard, der letztes Jahr den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk
erhielt, gerade? Er hat dem französischen Fotografen James Climent, der wegen
der „Verletzung musikalischer Urheberrechte“ nach dem französischen
„Hadopi“-Gesetz eine Strafe von 20.000 Euro zu zahlen hat, 1.000 Euro
gespendet, damit Climent seinen Fall vor den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg bringen kann.

Ein Sprecher des legendären Regisseurs betonte, Godard wollte eine symbolische
Geste zur Unterstützung des Angeklagten machen. Godard hat Climent dem
Vernehmen nach auch ein Bild eines Segelboot-Modells mit der Aufschrift
„Surcouf, Jean-Luc Godard“ geschickt – Robert Surcouf war ein Pirat (!) der
Meere zu Zeiten der französischen Revolution.

 * * *

Ergebnisse der jüngsten „Pisa-Studie“ in einer Grafik der „Berliner Zeitung“,
die sich auf die OECD-Länder beschränkt: „1. Südkorea 2. Finnland 3. Kanada 4.
Neuseeland 5. Japan (...) vorgerückt auf Platz 16: Deutschland.“

Ergebnisse der gleichen Pisa-Studie in einer Grafik der „Zeit“, die betont, daß
sich „an Pisa 2009 mehr Staaten als je zuvor beteiligt haben“: „1. Südkorea 2.
Finnland 3. Kanada (...) 20. Deutschland.“ Immerhin gibt die „Zeit“ zu, daß sie
nur „jene OECD-Staaten“ zeige, „die seit der ersten Pisa-Studie dabei sind“,
während mittlerweile „Dutzende weiterer Länder und Regionen an Pisa
teilnehmen“, und „Neuzugang Schanghai zum Beispiel im Lesen die Tabelle
anführt“ – nur, das findet sich in der Tabelle nicht wieder, weil man sich eben
dafür entschieden hat, die Tabelle so zu gestalten, daß China nicht vorkommt.
Aber Deutschland, bei der „Berliner Zeitung“ noch im Hurra-Stil „vorgerückt auf
Platz 16“ plötzlich nur noch auf Platz 20...

Ergebnisse der gleichen Pisa-Studie in einer Grafik der „FAZ“, als einzige
seriös unterteilt in drei Grafiken zu Lesekompetenz (dem Schwerpunkt der
Pisa-Studie), Mathematik und Naturwissenschaften:

„Lesekompetenz: 1. Schanghai (China) 2. Südkorea 3. Finnland 4. Hongkong
(China) 5. Singapur 6. Kanada (...) 20. Deutschland.“  „Mathematik: 1.
Schanghai (China) 2. Singapur

3. Hongkong (China) 4. Südkorea 5. Taiwan 6. Finnland 7. Liechtenstein (...)
16. Deutschland.“

„Naturwissenschaften: 1. Schanghai (China) 2. Finnland 3. Hongkong (China) 4.
Singapur

5. Japan 6. Südkorea (...) 13. Deutschland.“

Man mag von der Pisa-Studie halten, was man mag – wenn man aber über sie
berichtet, sollte man den Lesern schon mitteilen, daß in allen Bereichen der
Pisa-Studie „Schanghai (China)“ auf Platz 1 liegt. Was aber in einem
wesentlichen Teil der deutschen Presse nicht sein kann, weil es nicht sein
darf.

* * *

„Der Weg aus Armut und Ausgrenzung ist mühsam, aber zielführend.“

Ursula von der Leyen (CDU), Bundesarbeitsministerin

 * * *

„Emihosting im Auftrag von PUR“ lassen nicht locker und bieten eine Box für
limitierte Fans oder so ähnlich an: neben den drei bereits erschienenen
Live-Alben von Pur (die die Fans garantiert alle noch nicht haben...) und
„natürlich“ der neuen „Live – die Dritte (Akustisch)“ gibt es „obendrauf
exklusiv nur in dieser Box“ eine DVD „Pur & Friends auf Schalke“, ein
44-seitiges Fotobuch und, man halte mich fest, „ein PUR-Schlüsselband mit
nummerierter Membercard, welche die Seriennummer der Box enthält und als
Tickethalter bei Konzerten dient“ (scheinbar rechnet Emihosting im Auftrag von
Pur mit der fortgeschrittenen Senilität der Pur-Fans, die ihr Ticket nicht mehr
selbst festhalten können und dazu ein, ähem, Schlüsselband benötigen). Ganz
ehrlich: hätte ich mir fast zu Weihnachten selbst geschenkt, diese streng
limitierte PUR Fan Box. Wenn da nicht der Haken käme (paradise doesn’t bekanntlich
come without mistakes...), im letzten Absatz: in drei Boxen der Auflage nämlich
ist ein „Golden Ticket versteckt“ – „die glücklichen Finder dürfen mit einer
Begleitperson Pur hautnah erleben (...) auf einem exklusiven Sitzplatz auf der
Bühne!“ Das war mir dann doch zu riskant.

 * * *

„Meine Theorie über den Umgang mit Leuten von Plattenfirmen lautet: außer bei
gesellschaftlichen Anlässen nie persönlich mit ihnen reden, nie warm werden mit
ihnen, sich nie in das tägliche Gelaber hineinziehen lassen. Dafür läßt man
seine Leute für sich arbeiten. Wenn man Fragen über Budgets oder Werbung
stellt, wird man persönlich erreichbar für diese Burschen.“

Keith Richards, „Life“

 * * *

„Der sicherste Unterschlupf für Verfassungsfeinde ist derzeit ein Job im
Kabinett Merkel. Nach Art. 30 GG ist Polizei Ländersache, so wie diese
Regierung sich auch bei Wehrpflicht, Asyl, Verteidigungsarmee und anderem einen
Dreck ums Grundgesetz schert. Die Letzten, die aus Länderpolizeibehörden eine
nationale Polizei zusammentricksten, waren Himmler und Heydrich – mit Tumoren
wie Reichsicherheitshauptamt, SiPo und – ursprünglich Görings Folterwerkzeug –
der Gestapo. Interessanter Umgang, Herr Innenminister.“

Friedrich Küppersbusch in der „taz“ über Pläne des Innenministers de Maizière
(CDU)

 * * *

Musikindustrie – Rätsel über Rätsel. Das Künstlerangebot des Monats ist eine
Schlagersängerin, die „den 1. Preis“ gewonnen hat („nachstehend die
Pressemitteilung über (...) und den Gewinn des 1.Preises“, heißt es da).

Die Künstlerin holte u.a. 2009 „beim Weihnachtslied-Hitcontest im
Schlagerportal den ersten Preis. Die prominente Fachjury (EMI, Sony/BMG,
Universal Koch, GoldStarTV, Sepp Adlmann, Gustl Viertbauer u.a.) und Fans haben
sich hierfür entschieden“, heißt es in dem Angebot. Sie können sich unschwer
vorstellen, welch ungeahnten Reiz dieses Angebot auf mich ausgeübt hat, denn
schon lange finde ich, daß die Künstler dieser Agentur im
Weihnachtsliedgeschäft eine viel zu untergeordnete Rolle spielen (auch wenn
überraschenderweise ausgerechnet Lambchop bereits ein Weihnachtslied
eingespielt haben – wer bis zum 20.1.2011 per Email mitteilt, wie der Song
heißt und wann er eingespielt wurde, erhält eine gute Flasche burgundischen
Rotweins, unter Ausschluß des Rechtsweges, wie es bei PREISAUSSCHREIBEN so
hübsch heißt...).

Besonders gefallen hat mir jedoch der sagenhafte Absatz:

„Wir werden von dieser Sängerin noch sehr viel hören! Ihre Fangemeinde wird
immer größer, wie z.B. beim Schlagerportal, wo sie schon seit Monaten Platz 8
belegt, mit 1443 Voter und 113562346 Stimmen.“ Ja, Sie haben richtig lesen: das
sind über 113 Millionen Stimmen!

Puh.

Ich weiß nicht, wie EMI, Sony/BMG, Sepp Adlmann und Gustl Viertbauer zu diesem
Rundbrief stehen, ich hoffe aber sehr, dieser Rundbrief belegt auch bei Ihnen
seit Monaten Platz 8, und ich hoffe inständig, daß auch Sie als Leserin oder
Leser dieses bescheidenen Newsletters mit viel Stimmgewalt ausgestattet ins
neue Jahr gelangen – wenn auch vielleicht nicht gleich mit 7.869 Stimmen...

Alles Gute jedenfalls in 2011! Bleiben Sie uns gewogen!