Mensch und Profit
Herr Schneider, Ihr Buch richtet sich gegen die Verkehrung von Mensch und Profit: Der von Menschen erzeugte Profit wird über den Menschen gestellt. Woher kommt diese Verkehrung? Ulrich Schneider: Dahinter stecken vor allem Profitinteressen, die seit Jahrzehnten den gesellschaftlichen Bereich durchdringen. Das hat zur Folge, dass immer weniger Menschen über immer mehr Einkommen verfügen, während für den Rest die wirtschaftliche Lage immer prekärer wird. Letztere werden immer mehr rein als Kostenfaktor gesehen.
Welche Rolle spielt Hartz IV bei der Ökonomisierung des Lebens?
Ulrich Schneider: Wenn man sich ansieht, wie sich die Gesellschaft in Richtung dieser Verwertungslogik verändert hat, ist Hartz IV ein wichtiger Faktor. Mit Hartz IV ist zum ersten mal ganz offiziell der Rechtsgrundsatz abgeschafft worden, dass die Hilfe für den Menschen so gestaltet wird, dass sie der Würde des Menschen auch gerecht wird. Hartz IV wird dazu genutzt, den Menschen deutlich zu machen, dass jede Arbeit, ganz egal welche, unabhängig davon, wie bisher die Biographie dieses Menschen gelaufen ist und was er an Hilfe wirklich braucht, zumutbar ist. Damit wurden die Etablierung eines Niedriglohnsektors und den Unternehmen letztendlich noch mehr Gewinne ermöglicht. Hartz IV ist also ein weiteres Paradebeispiel für die Ökonomisierung des Menschen. (...)
Von Hartz IV kann man definitiv nicht leben, das Geld reicht einfach nicht aus, um über den Monat zu kommen. Wir brauchen deshalb vernünftige Regelleistungen. Das würde rund 7 Milliarden Euro im Jahr kosten. Ansonsten brauchen die Menschen einfach Arbeit, denn sie wollen ja arbeiten. Einige Hunderttausend sind nicht mehr ohne weiteres auf den festen Arbeitsmarkt unterzubringen, also brauchen wir einen sozialen Arbeitsmarkt, der diesen Menschen die Möglichkeit gibt, für sich selber zu sorgen.
(Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, im Gespräch mit Reinhard Jellen, Telepolis 3.9.2014)