11.05.2017

Urheberrecht in der Praxis - so werden Autoren um ihre Honorare beduppt!

Vor kurzem erschien in der „Süddeutschen Zeitung“ ein großartiger, langer Artikel meines Freundes Wiglaf Droste unter der Überschrift „Des Lebens Saftigkeit“:
„Am Anfang kochte Gott Himmel und Erde. Dann wurde aus Essen Kunst. Eine Reise zu den Sensationen des Kulinarischen und zu einer Gesellschaft, die sich auf unappetitliche Weise vom bodenständigen Genuß entfremdet.“
Ich las den Artikel in China, via „Blendle“ (warum müssen diese Internetdinger eigentlich immer schwäbisch-verniedlichende Namen tragen? Blendle? Kindle?...), und gratulierte Wiglaf zu dem schönen Text und zur Veröffentlichung.
Seine Antwort ist interessant und darf ich mit seinem Einverständnis hier zitieren:

„Lieber Berthold,
(...) klingt prima, war zwar bloß so einigermaßen honoriert (aber dem hatte ich zugestimmt, also stimmt bis dahin alles.)

Perplex war ich allerdings, als Freund Vincent mich aus Stuttgart anrief und mir gratulierte; er hatte den Text in der Sonntagsausgabe der 'Stuttgarter Zeitung' gelesen. Weder hatte die 'SZ'-Redakteurin mündlich oder schriftlich ein Wort darüber verloren, es gab auch keinen Vertrag, noch hatte die 'Stuttgarter Zeitung' gefragt. Da beide Blätter denselben Verleger haben, können Texte weitergegeben werden, ohne Nachfrage, Autorisierung und ohne einen Cent zusätzliches Honorar.
Die Zürcher 'SonntagsZeitung' fragte, ob sie den Text ebenfalls drucken dürfe, ein Honorar werde allerdings nicht gezahlt, da es eine "Verlagskooperation" gebe. Da die Redaktorin mir angenehm war, sagte ich zu und schickte ihr sogar die ganze Version; die 'SZ' hatte aus Platzgründen kürzen müssen (völlig in Ordnung, obwohl die Kürzungen nicht mit mir besprochen wurden.)
So kommt der Text also auch in der 'Sonntagszeitung'. Die hatten ja wenigstens gefragt :-)
Einen guten 1. Mai -
Herzlich
Dein Wiglaf“

So ist das heutzutage in der bundesdeutschen Verlagslandschaft, die sich so gerne öffentlich um die Interessen der „Kreativen“ zu tun macht und in Wahrheit bei Leistungsschutz- und Urheberrechtsreformen nur an die eigenen Profite denkt: Die Autoren bekommen ihre ohnedies nicht sehr üppigen Honorare nur noch einmal bezahlt, dann gehören die Texte den Verlagskonsortien und dürfen ohne weitere Bezahlung, ja sogar ohne weitere Mitteilung allüberall abgedruckt werden. Der Verleger erwirbt mit einer geringen Einmalzahlung Inhalte für all seine Publikationen – ein fürwahr profitables Modell. Nur leider nicht für diejenigen, die die Texte herstellen, also für die Autor*innen, die vielzitierten „Kreativen“ – die schauen bei dieser Mehrfachausbeutung ihrer Werke in die Röhre.