11.11.2019

Fanta 4 go Aldi - Neues vom Ticketing

Kennen Sie die Fantastischen Vier? Diese schwäbische Rap-Schlager-Band, von den Medien gerne „Rap-Urgesteine aus Stuttgart“ genannt und von ihren Fans auch „Fanta 4“ gerufen?
Der zu früh verstorbene Berliner Musikjournalist (und frühes Ärzte-Bandmitglied) Hagen Liebing fragte sich und uns mal, eher rhetorisch: „Was war bei den Fantastischen Vier diesmal wohl zuerst da? Das Album, die Tournee-Verträge oder doch eher ein lukrativer Kampagnen-Sponsor? Es gibt wohl kaum eine Band in Deutschland, die in den letzten Jahren so viel Geschick und Eifer dabei bewiesen hat, neben der eigenen Musik auch gleich noch zahllose Konsumprodukte, Technikinnovationen und Sender zu bewerben. (...) Die Schwaben sind sich für keinen Werbedeal zu schade.“
Nun, diesmal war es wohl der Ticketing-Partner, der zuerst da war: Fanta 4 lassen jedenfalls bei ihrer 30-Jahre-Jubiläums-Stadiontournee (unter dem Titel „30 Jahre Mauerfall“... nein, Scherz...) ihre Konzerttickets exklusiv von ALDI vertreiben. Aldi? Im Ernst jetzt? Also ein Konzern, dessen Besitzerfamiien zu den reichsten Menschen hierzulande gehören? Ein Konzern, der die Rechte seiner Arbeitnehmer*innen, der Verkäufer*innen in den Filialen mit Füßen tritt, der die Wahl von Betriebsräten hintertreibt beziehungsweise versucht, sie dort, wo sie unvermeidlich sind, mit Vertreter*innen der arbeitgeberfreundlichen „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte“ zu besetzen? Wie Hagen Liebing schon sagte: „Die Schwaben sind sich für keinen Werbedeal zu schade“...

Man erzählt sich in der Branche, daß Aldi Fanta 4 eine hohe einstellige Millionensumme als Marketingbudget für die Tour zur Verfügung gestellt hat (die Rede ist von etwa 8 Millionen Euro). Für Geld tun die Schwaben eben alles... Und stellen sich sogar noch als Freunde ihrer Fans dar: Sie behaupten, mit ihrer Aldi-Aktion den Ticketmarkt zu „demokratisieren“ (der Slogan der Kampagne lautet sinnigerweise „Exklusiv für Alle“). Fanta 4-Rapper Smudo stellt fest: „ALDI ist für jedermann erreichbar. Außerdem können wir durch die Kooperation unsere Tickets ohne Gebühren und versandkostenfrei anbieten. Es gibt klare Kategorien und klare Preise, keine versteckten Zusatzgebühren.“

Mal abgesehen davon, daß eine Band wie Fanta 4 natürlich auch sonst jederzeit für „klare Kategorien“ und „klare Preise“ sorgen könnte und durchaus auch die Macht hätte, die „versteckten Zusatzgebühren“ transparent zu machen oder sogar ganz abzuschaffen, dazu bedarf es keiner Kooperation mit Aldi – aber besonders pikant ist, daß die Konzertagentur von Fanta 4, Four Artists, sich noch 2017 vom größten deutschen Konzertkonzern CTS Eventim kaufen lassen wollte, der bekanntlich auch der deutsche Ticketing-Quasi-Monopolist ist und für allerlei Zusatzgebühren berühmt ist, von „Print at home“- und Kreditkarten-Sonder- bis hin zu überhöhten Versandgebühren. Das Bundeskartellamt hat den geplanten Erwerb der Mehrheitsanteile an den Gesellschaften von Four Artists durch die CTS Eventim AG im November 2017 untersagt. Hätte das Kartellamt vor zwei Jahren nicht eingegriffen, würden die Tickets der Fanta 4-Stadiontournee heute mit allen „versteckten Zusatzgebühren“ von CTS Eventim vertrieben werden. Wes Marketingbudget ich ess, des Lied ich rap...

Daß Fanta 4 alles andere als Fan-freundlich agieren, hat sich bei der Aldi-Aktion gezeigt: In den ersten zwei Verkaufswochen mußten die Fans ausnahmslos in eine Aldi-Filiale kommen, wo es die Tickets (bis zu 4 pro Person) exklusiv zu kaufen gab – beziehungsweise einen „Ticket-Gutschein“, einen Kassenbon „mit eurem individuellen Ticket-Code“. Der mußte dann umständlich „innerhalb der nächsten 5 Tage online auf aldi-tickets.de“ eingelöst werden. Nach „erfolgreicher Einlösung“ wurde das Ticket dann zugeschickt. Warum einfach, wenns auch kompliziert geht und wenn man über das Zeitbudget der Fanta 4-Fans einfach so verfügen kann, die extra in einer Filiale Schlange stehen müssen, um einen Gutschein zu erwerben, den sie dann aufwendig im Netz einlösen, bis ihnen die Tickets endlich zugeschickt werden...
Hauptsache, es bringt extra Kohle in die Kasse der geschäftstüchtigen Schwaben-Rapper!

Und wollen wir wetten, daß demnächst weitere deutsche Superstars mit Aldi ihre Ticketing-Geschäfte machen? Es gibt einfach keinerlei Bewußtsein bei den deutschen Bands dafür, daß sie es sind, die die Macht haben, die unzumutbaren Verhältnisse im Ticketinggeschäft zu ändern. Sie werfen sich entweder hasenfüßig in die Arme der Monopolisten und lassen, wie zum Beispiel Deichkind, ihre Tickets exklusiv von CTS Eventim verdaddeln, weil sie Angst haben, daß ein Weg jenseits der Monopole sie Fans kosten könnte – oder sie dealen gleich mit einem Konzern wie Aldi, der mit Marketingbudgets nur so um sich wirft.

Und die Fans? Machen alles mit, lassen sich alles gefallen. Die ersten Stadien der Fanta 4-Tour sind bereits ausverkauft.

11.11.2019

Die Grünen betreiben und kritisieren "menschenunwürdige" Politik

Wenn die „Grünen im Bundestag“ am 5.11.2019 angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Hartz IV-Sanktionen twittern, daß es ein „Etappensieg“ sei, daß das Gericht der „menschenunwürdigen“ Sanktionspraxis der Jobcenter „einen Riegel vorschiebt“, dann darf man die „Grünen“ freundlich daran erinnern, daß sie es waren, die zusammen mit der SPD das Agenda 2010-HartzIV-Paket beschlossen haben. Die „menschenunwürdige“ Politik war Grünen-Politik! Ja, die Grünen waren seinerzeit sogar stolz darauf, daß ihr Parteitag der Agenda 2010 mit noch größerer Mehrheit beschlossen hat als der SPD-Parteitag...

11.11.2019

Klasse Satz: Marius Müller-Westernhagen sagt...

Klasse Satz:

„SZ: Ist die Musikbranche wirklich so schlimm?
Marius Müller-Westernhagen: Da werden alle so zurechtgebogen. Und das Schlimme ist: Es ist eine Generation nachgewachsen, die das einfach gewohnt ist. Da kommt einer und sagt: Spring mal durch den brennenden Reifen, das ist gut für dich. Ich schwöre, 99 Prozent springen. (...)
Ich habe bei einer Plattenfirma damals natürlich unter für mich sehr ungünstigen Bedingungen unterschrieben.

SZ: Was waren da die Bedingungen?
MMW: Das waren zehn bis zwölf Prozent der Gesamteinnahmen. Bis Udo Lindenberg, mit dem ich damals in Hamburg in einer WG gelebt habe, für die ganzen Dummen, die da rumliefen, einschließlich mir, die Türen geöffnet hat. (...)
Wir sind die, die das Produkt liefern, aber richtig Geld verdienen die, die es vermarkten.“

(Marius Müller-Westernhagen im Gespräch mit der „SZ“ am 8.11.2019)

11.11.2019

SPD-Müller als Dealmaker für Live Nation

Die Geschäfte von Live Nation, dem weltgrößten Konzertveranstalter und Tickethändler, stehen weltweit in der Kritik und zum Teil unter Beobachtung der Wettbewerbsbehörden, etwa in den USA oder in Großbritannien. Immer mehr Menschen sind über die Imperiengeschäften von Live Nation verärgert und kritisieren den Konzern, der das Konzertgeschäft unserer Tage zu weiten Teilen dominiert.

Und was tut der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD)? Er lobt Live Nation für die „Ansiedlungs-Entscheidung zugunsten unserer Stadt“, weil Live Nation das brachliegende Musical-Theater am Potsdamer Platz als neuer Betreiber übernimmt und damit seiner Reihe von über 230 weltweiten Spielstätten eine weitere hinzufügt, die das Monopolgeschäft von Live Nation noch mehr perfektioniert. Und Müller lobt sich auch gleich selbst, weil angeblich „durch erste diesbezügliche Gespräche auf meiner Reise nach Montreal im Juni 2017“ die Kontakte zum ersten Live Nation-Untermieter, dem kanadischen Show-Unternehmen Cirque du Soleil, „angebahnt und dann auch von mir begleitet worden“ seien.

SPD-Müller als Dealmaker. Oder nicht doch eher als Bettvorleger der Zirkusnummer von Live Nation?

11.11.2019

Museum der Moderne in Berlin - Monika "Antoinette" Grütters-Gedächtnisbau ohne Personal und Budget, aber teuer

In Berlin wird ein neues Museum der Moderne gebaut. Und wie das so ist: erst war von Kosten in Höhe von 130 Millionen Euro die Rede, dafür bekomme man eine „Kathedrale der Moderne“. Dann stiegen die geplanten Kosten auf 200 Millionen Euro, sowas kommt halt vor. Mittlerweile ist man, wohlgemerkt noch bevor überhaupt mit dem Bau begonnen wurde, bei 450 Millionen angekommen, das sind 354 Prozent mehr als ursprünglich geplant und vom Bundestag beschlossen. Man hat sich halt bisserl vertan. Einige Medien berichten, daß der Bau, ein backsteinernes Haus, das aussieht wie eine Scheune respektive wie „ein Brot mit einer Kruste“ (so der Juryvorsitzende), am Ende mindestens 600 Millionen Euro kosten werde.

Wie nun?

Das ist selbst Haushaltspolitikern, die gerne mal fünfe grade und 130 Milliönchen 450 Millionen werden lassen, doch etwas sehr gewagt. Und so treiben Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur des Bundes, und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) das Projekt mit allerlei Fake-News voran, koste es, was es wolle, im Wortsinn wie auch etwaige Kollateralschäden betreffend. Niklas Maak berichtet in der „FAZ“, daß Grütters und die SPK erklären, es sei „richtig, an das Haus höchste Qualitätsansprüche zu stellen“, und Maak fragt zurecht: Hatte man diese Qualitätsansprüche bei der ursprünglichen Kostenschätzung etwa vergessen? Die Taktik von Grütters ist klar: „Es wird so lange hartnäckig eine Alternativlosigkeit behauptet, bis die Kritiker resignieren“ (Maak).
Und Maak weist darauf hin, daß es Grütters noch um etwas ganz anderes gehe: Sie wolle ein Bauwerk in Berlin, „das an ihre Amtszeit erinnere“, ein Bundes-Moni-Denkmal gewissermaßen – und sie läuft Gefahr, daß, wenn das neue Museum nicht gebaut wird, nur die alberne Gedenkwippe dereinst an Monika Grütters erinnern wird. Und das wäre natürlich bitter, und das rechtfertigt natürlich die „Marie-Antoinette-hafte Vergeudungsorgie“. Monika Antoinette Grütters wird uns doch wohl 450 Millionen Euro wert sein. Nicht?

Aber in einem neuerlichen Artikel macht Niklas Maak in der „FAS“ noch eine ganz andere Rechnung auf: „Für die 15 Sammlungen und vier Institute der Staatlichen Museen sind im Haushalt zusammen gerade mal knapp 1,6 Millionen Euro vorgesehen; sie können ihren Betrieb überhaupt nur durch die Ausbeutung überqualifizierter Mitarbeiter aufrechterhalten.“
Kommt es etwa gar nicht auf die Kunst an? Nicht auf Museumspädagogik, nicht auf Ausstellungsetats und nicht darauf, die Museen zu beleben? Nur auf einen teuren Repräsentationsbau? Die Besucherzahlen der Berliner Museen sind in sieben Jahren von 4,7 Millionen auf 3,5 Millionen zurückgegangen. Kostenloser Eintritt wäre eine Lösung, doch das scheitert an ein paar Millionen Euros. Während man offensichtlich mal eben 320 Millionen für die Kostensteigerung beim Repräsentationsbau von bzw. für Frau Grütters übrig hat. Es kommt allein aufs Gebäude an, aufs Denkmal, nicht auf die Menschen, die das Gebäude besuchen werden oder dort arbeiten.

„Was wäre das für ein Donnerschlag, wenn es gelänge, ein Museum für 200 Millionen zu bauen, und man die restlichen 250 Millionen nehmen würde, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen zu bezahlen, neue einzustellen, Ausstellungsetats und Zuschüsse auch für kleinere Institutionen zu erhöhen?“, fragt Niklas Maak, und frage ich mich und Sie und vor allem Frau Grütters und die Kultur- und Haushaltspolitiker*innen von CDU, CSU und SPD, die sich diese Woche entscheiden müssen, ob sie verantwortungsvolle Kulturpolitik betreiben oder endgültig zu einer „Groko-Durchwinkanstalt“ herunterkommen wollen.

11.11.2019

Ein Hinterhof in Kreuzberg & der Popjournalismus

„Ein Hinterhof in Berlin-Kreuzberg, unweit des Görlitzer Parks. Über einen nur mit Schlüssel zu öffnenden Lift fährt man hoch ins Hauptquartier jener Band, die einst...“
Und da will ich dann schon nicht mehr weiterlesen, obwohl ich die Band Seeed durchaus sympathisch finde und ihre Musik sehr gerne mag. Aber es ist dieser muffige Musikjournalismus, wenn einem immer erstmal erzählt wird, wo (natürlich in Kreuzberg) und wie man die Band trifft, und wo einem der Journalist erstmal mitteilt, daß er der Checker ist, der auf dem Schoß der zu interviewenden Band sitzt und sogar deren Lift, der nur mit Schlüssel zu bedienen ist, benutzen darf. WTF?!?
Merke: Nicht jeder Musikjournalist, der „ich“ sagt, ist schon ein Hunter Thompson oder ein Lester Bangs.

11.11.2019

Klebrige Winter-Brause

Von Red Bull gibt’s im Winter die klebrige Brause mit dem Geschmack von Spekulatius-Kirsch.
Was uns alles noch gefehlt hat...

10.11.2019

Klasse Satz: Adorno sagt...

„Im innersten Gehäuse des Humanismus, als dessen eigene Seele, tobt gefangen der Wüterich, der als Faschist die Welt zum Gefängnis macht.“
(Adorno, Minima Moralia, „Schwabenstreiche“)

10.11.2019

Vorsicht! Passivbewaffnung! Gehen Sie nicht mit Klarsichtfolie aus dem Haus!

Seien Sie bitte auf jeden Fall vorsichtig, wenn Sie mit Plastikfolie unterwegs sind und auf Polizisten treffen! Sie laufen Gefahr, vom Fleck weg inhaftiert zu werden. Jedenfalls in Frankfurt. Dort nämlich hat die Polizei 2015 ein Schreiben an alle 16 Staatsschutzbehörden verschickt, in dem über 200 Personen aufgelistet waren, die für das Tragen von handelsüblichen Klarsichtfolien zur Fahndung ausgeschrieben waren. Der Vorwurf: „Passivbewaffnung“ im Vorfeld der Demonstrationen gegen die EZB.

Passivbewaffnung mit Plastikfolie! Muß man auch erstmal drauf kommen. „Passivbewaffnung“ ist eine Wortschöpfung, die sich unter Paragraph 17a im Versammlungsrecht findet. Und Demonstranten wurden 2015 tatsächlich wegen des Mitführens von handelsüblicher Klarsichtfolie zu Geldstrafen verurteilt.

Ich bin am 24.11. mit meiner Lecture-Show „Vom Imperiengeschäft“ zu Gast im Frankfurter Mousonturm. Meine Klarsichtfolie werde ich vorsorglich zuhause lassen. Haben Sie aber bitte Verständnis dafür, daß Sie am Eingang auf das Mitführern von Utensilien passiver Bewaffnung kontrolliert werden...

10.11.2019

Huch: Es fehlen 26.300 Grundschullehrer*innen!

Ich glaube, ich hab das in diesem Rundbrief vor Jahren schon mal konstatiert: Wenn ich Meldungen lese wie „Es fehlen weit mehr Grundschullehrer als vermutet“ (in diesem Fall in der „FAZ“ vom 10.9.2019), verstehe ich ehrlich gesagt die Welt nicht mehr so richtig.

Bis zum Jahr 2025 fehlen demnach etwa 11.000 Grundschullehrer mehr, als von der Kultusministerkonferenz (KSK) ausgerechnet wurde. Insgesamt gibt es 2025 dann etwa 26.300 Grundschullehrer*innen zu wenig.

Das Problem liegt daran, daß es „2025 rund 168.000 Grundschüler mehr geben dürfte, als bisher von der KMK geschätzt wurde“. Ich weiß ja nicht, wie all diese Berechnungen entstehen, aber nach meiner nun mehr fast 60jährigen Lebenserfahrung kommen Menschen als Babys und nicht als sechsjährige Grundschüler auf die Welt. Man kann also relativ einfach aufgrund der Geburtenzahlen prognostizieren, wieviele Grundschüler*innen es sechs Jahre nach geburt der Babys geben wird. Sicher, da mag es ein paar Variablen geben, etwa Zuzug, und wieviele Grundschüler in welchen Bundesländern leben werden, mag auch ein wenig offen sein, aber in einem Land, wo man uns unmittelbar nach Schließung der Wahllokale allen Ernstes weismachen will, exakt zu wissen, wieviele Wähler*innen von Partei A zu Partei B oder C gewechselt sind, sollte es nicht allzu schwer sein, auch derartige Zahlen einigermaßen sinnvoll vorauszusagen.

Wo also ist das Problem? Warum gibt es zu wenig Grundschullehrer*innen?
Wenn mir das bitte mal jemand erklären könnte. Danke.

10.11.2019

"Must See": Lobbyverband der Musikindustrie

Ich war ja dieser Tage als Redner zur Berliner „MostWanted:Music“-Konferenz (MW:M19) eingeladen.

Der größte Stand auf dieser Konferenz, zentral postiert, so daß alle, wirklich alle dran vorbei mußten, war interessanterweise vom Lobbyverband der deutschen Musikindustrie, dem BVMI. Indies? Nicht in Sicht. Und logisch, wer bezahlt, der schafft auch an, und so wurde von der MW:M19 in einer Rundmail zum ersten Konferenztag zwar die Session zum Thema „Copyright Law – aktuelle Perspektiven zur Umsetzung der EU-Richtlinie“, auf der der BVMI-Vorstandsvorsitzende Florian Drücke einen zehnminütigen Beitrag leistete, als eine der „Must-See Sessions“ angepriesen, mein 45-minütiger Vortrag zum Thema „Imperiengeschäft vs. kulturelle Vielfalt“ an gleicher Stelle allerdings geflissentlich verschwiegen.

Kein Problem. Bei Drücke saßen vielleicht 20 oder 30 versprengte Hanseln und Greteln im Saal, bei meinem Vortrag wars dagegen knackevoll. So ist das eben, I don’t mind it ;-)

Und jetzt raten Sie mal, worüber das eingebettete Vereinsblättchen der deutschen Musikindustrie, die „Musikwoche“, berichtet, und was es verschwiegen hat? Genau, über meinen Vortrag kein Sterbenswörtchen, Drücke und sein Lobbyistengeschwätz dagegen wurde ausführlichst berichterstattet. Man weiß eben, wem man verpflichtet ist.

(...war übrigens durchaus Klasse auf der MW:M19, gutes, zu weiten Teilen junges Publikum, viele interessante Gespräche. Ich glaube, da geh ich wieder mal hin...)

10.11.2019

Warum geht es in der EU eigentlich mit der Klimapolitik nicht so recht voran?

Nur falls Sie sich ab und zu mal fragen, warum es mit der Klimapolitik in der EU nicht so recht vorangeht: Die fünf größten Ölkonzerne (BP, Chevron, ExxonMobil, Shell und Total) und die mit ihnen verbundenen Industrieverbände haben zwischen 2010 und 2018 beachtliche 251 Millionen Euro ausgegeben, um EU-Institutionen in ihrem Sinn zu beeinflussen. Und diese Konzerne beschäftigen allein in Brüssel eine Heerschar von 200 Lobbyisten, wie eine unabhängige Untersuchung dieser Tage herausgefunden hat (lt. Telepolis v. 25.10.2019).

Es geht um die Verhinderung von Klimaschutz, darum, die Interessen der Industrie durchzusetzen und den ökologischen und sozialen Protest zu diskreditieren und an den Rand zu drängen. Oder, wie Pascoe Sabido von Corporate Europe Observatory, sagt: Die großen Verschmutzer wie Shell, BP und ihre Lobbyorganisationen haben mit Einsatz erheblicher finanzieller Mittel die Reaktion der EU auf die Klimakrise verzögert, verwässert und sabotiert.“

It’s the economy, stupid!

05.10.2019

Unsere Jugend voller Rätsel...

Unsere Jugend...

Ich komme ja in ein Alter, in dem man aufpassen muß, nicht in so eine dubiose „Opa erzählt vom Krieg“- oder „Die Jugend heutzutage“-Haltung hineinzurutschen, deswegen mal unkommentiert:

Die „fünf beliebtesten Persönlichkeiten“ der Jugend hierzulande sind, so zitiert Andreas Borcholte jedenfalls eine Umfrage auf „SPON“: Heidi Klum, Pietro Lombardi, Cristiano Ronaldo, Greta Thunberg und Shirin David.
Ich gebe zu, Pietro Lombardi und Shirin David mußte ich erst googeln...
Jedenfalls hat der weltgrößte Musikkonzern Universal diese Umfrageergebnisse wohl ebenfalls zur Kenntnis genommen und ein Album mit der Selbstdarstellerin Shirin David produziert. Fair enough, so wächst zusammen, was zusammengehört, und die Berliner Einkaufshölle „Alexa“, diese Architektur gewordene Trostlosigkeit, mußte gesperrt werden wegen des überbordenden Andrangs bei einer Autogrammstunde von Shirin David. So war Frau David dann doch zu etwas nutze. (Klasse Text von Borcholte zu Shirin David übrigens!)

A propos Jugend:
Die beliebtesten Arbeitgeber bei Schüler*innen („gib bitte drei Arbeitgeber an, bei denen du dich bewerben würdest“) sind laut „Trendence (sic!) Schülerbarometer 2019“, in dieser Reihenfolge: Polizei (mit weitem Abstand auf Platz 1), Adidas, Bundeswehr, Daimler/Mercedes-Benz, BMW, Audi, Zoll, Porsche AG und Lufthansa.
Auf Platz 16: das ZDF. Aber immerhin noch klar vor der Sparkassen-Finanzgruppe, vor IKEA und Coca-Cola. Auf dem letzten Platz: Die Deutsche Bahn. Von wegen Flugscham oder Zugstolz, die Generation „Friday for Future“ zieht es mehrheitlich zu Polizei, Bundeswehr und Zoll, oder eben zu den großen Automobilkonzernen.

Eine Jugend voller Rätsel...

05.10.2019

Wohnungen in Berlin. Eine kleine Rechenfrage, eine kleine Denkfrage.

Vor einigen Jahren hat der Berliner Senat (damals: SPD und Linkspartei) bei der GSW-Privatisierung 65.000 Wohnungen für 400 Millionen Euro quasi verschenkt.
2019 kauft der Berliner Senat (jetzt: SPD, Linkspartei und Grüne) 6.000 Wohnungen für 920 Millionen Euro.
Kleine Rechenfrage: Wie hoch ist der Verlust, und wie hoch der Profit?
Kleine Denkfrage: Wer erzielt den Profit, und wer zahlt die Zeche?

05.10.2019

Ein paar Fakten zu "Hongkong"

Ein Unternehmer, nämlich der Vorstandschef der Alba Group, Axel Schweitzer, hält sich im Interview mit dem „Tagesspiegel“ in Sachen Hongkong nicht mit der gängigen Propaganda auf, sondern benennt ein paar Fakten, die sonst im hiesigen Medieneinerlei geflissentlich verschwiegen werden:

„Was viele Menschen (in Hongkong, BS) umtreibt, ist das Gefühl der Ungleichheit und mangelnder Aufstiegschancen. Statistiken zeigen, dass die Ungleichheit in Hongkong seit 1970 noch nie so hoch war wie heute – auch deutlich höher als in den USA. Mehr als 80 Prozent der Haushalte in China haben eigenes Immobilieneigentum. In Hongkong lebt fast die Hälfte der Bevölkerung in Mietwohnungen, die teilweise noch subventioniert werden müssen, weil die Wohnungspreise so hoch sind. In Schanghai ist die durchschnittliche Wohnung 36 Quadratmeter groß, in Hongkong 16 Quadratmeter. Kurzum: Die Probleme in Hongkong sind viel vielschichtiger, als hierzulande vermittelt wird und hängen auch mit den Lebensumständen und den Eliten zusammen.“

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