Gauck boykottiert Olympische Spiele
„Gauck boykottiert
Olympische Spiele in Sotschi.“
Ich wußte gar nicht, daß er sich qualifiziert hatte. Und in welcher
Disziplin. Pirouettendreher?
„Gauck boykottiert
Olympische Spiele in Sotschi.“
Ich wußte gar nicht, daß er sich qualifiziert hatte. Und in welcher
Disziplin. Pirouettendreher?
Um einen so zauberhaften wie traurigen Satz aus Peter Kurzecks „Ein Kirschkern im März“
zu paraphrasieren:
„Erst Lou Reed – schon sein Tod: das hätte nicht sein dürfen. Von Rechts
wegen! Und jetzt auch noch Peter Kurzeck! Wie sollen wir uns jetzt auch noch
den ersetzen?“
Und die Katholiken? Sind unter die Kommunisten gegangen,
bzw. sind mindestens veritable Antikapitalisten. Ihr Chef auf Erden, Papst
Franziskus, nennt in „Evangelii Gaudium“ das herrschende kapitalistische Wirtschaftssystem „in der Wurzel ungerecht". Die Welt lebe in einer neuen
Tyrannei des „vergötterten Marktes".
Da nimmt einer plötzlich die Bergpredigt ernst.
Erstaunlich. Doch nicht, daß Sie jetzt denken, da werde jetzt die Pieta
zugunsten der Flüchtlinge von Lampedusa versteigert. Nein, die mit größtenteils
verbrecherischen Mitteln über die Jahrhunderte angehäuften Reichtümer der
Kirche bleiben: Reichtümer der katholischen Kirche.
Die CD-Weihnachts-Tipps der SZ-Feuilleton-Redakteure („was SZ-Autoren
lesen, hören, schauen“...) am 30.11.2013 (die Literatur-CDs sind hier
weggelassen, nur Musik-CDs also, und es heißt dort auch ausdrücklich „CD“,
nicht „Album“ oder „LP“):
Neil Young/Psychedelic Pill, Jonas Kaufmann/The Verdi Album, Mieczyslaw
Weinberg/Complete Sonatas for Violin, Anna Prohaska/Enchanted Forest, The
Strypes/Snapshot, Nick Cae & The Bad Seeds/Live from KCRW, Vampire
Weekend/Modern Vampires of the City, John Eliot Gardiner/Bach Kantatas, Ute Lemper/Forever,
Tocotronic/Wie wir leben wollen, The Notwist/Close To The Glass (erscheint aber
erst im Februar 2014 – ts ts...), Daft Punk/Random Access Memories, Robbie
Williams/Swings Both Ways, Russian Circles/Memorial, Criolo/Nó Na Orelha („So
weich kann die Favela klingen“...), Junip/same.
So ist das. Kein HipHop, kein Jazz, kein R’n’B – keine Experimente!
Biedermeier! Was jetzt nicht heißen soll, daß diese Alben nicht auch gut sein
können, klar, aber vom Qualitäts-Feuilleton der größten deutschen „Qualitätszeitung“
kann man doch etwas mehr erwarten, oder?
Joschka Fischer und sein neuer BMW:
Während in Deutschland das Rundfunkgebührensystem zu Anfang des Jahres auf eine Haushaltspauschale umgestellt wurde, die zur Folge hat, dass auch jene Bürger in vollem Umfang Sportübertragungen, Volksmusiksendungen, Degeto-Fernsehspiele, Vorabendsoaps und Musiksendungen zweifelhafter Qualität mitfinanzieren müssen, die diese gar nicht nutzen (und häufig auch gar nicht nutzen wollen), schlägt die französische Kulturministerin Aurélie Filippetti laut „Telepolis“ ein faires, BürgerInnen-gerechtes Verfahren vor: Sie will, „daß die Bürger ihres Landes künftig in der Steuererklärung angeben können, ob sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen oder nicht. Wer sich lediglich über private Sender und das Internet informiert oder medienabstinent ist, müsste dann auch nichts mehr zur Staatsunterhaltung beitragen.“ Eine Überprüfung der Richtigkeit der von den Bürgern gemachten Angaben hat Filippetti angeblich nicht im Sinn, sie will den Menschen "vertrauen".In Frankreich beträgt die jedes Jahr mit der Inflation steigende Rundfunkgebühr derzeit 131 Euro im Jahr – 84,76 Euro weniger als die Zwangssteuer in Deutschland.
Der rechtskonservative Ministerpräsident Bouffier bastelt in Hessen eine schwarz-grüne Koalition. So wächst zusammen, was zusammen gehört.Das war der ursprüngliche Blogeintrag. Am Tag darauf lese ich in der „FAZ“, daß Grünen-Vorsitzender Al-Wazir seine Twitter-Meldung über die Koalitionsgespräche mit der CDU mit einem Song des einschlägigen Christen-Schmuse-Poppers und Afghanistan-Bundeswehr-Truppenbetreuers Xavier Naidoo verlinkt hat. Über das kulturelle Niveau der Grünen braucht man sich keine Illusionen zu machen, es wächst eben immer alles noch besser zusammen...
"Schön is' det nich', ne, überall heiraten se im Bekanntenkreis und bauen Häuser und alles, und selbst bleibt man irgendwie übrig."Aus „Bauer sucht Frau“, RTL
Zu Angela Merkels „Boygroup“ gehört der bisherige Kanzleramtsminister Eckart von Klaeden, der jetzt in neuer Rolle für Daimler arbeitet, nämlich als Cheflobbyist. Direkt aus dem Kanzleramt verpflichtet. Im Kanzleramt hatte Eckart von Klaeden laut „FAZ“ u.a. „mehrere interne Vorlagen des Bundeskanzleramts zur Regelung des Kohlendioxidausstoßes von Neuwagen in der EU erhalten“. Das Wirtschaftsministerium hatte „die Verbrauchseffizienzkenn-zeichnungsverordnung minutiös an die Wünsche der Automobilbranche angepaßt“, meldete die FAZ süffisant.Aber wollen wir nicht so tun, als ob uns das in der Musikindustrie fremd wäre, auch wenn hier die Dimensionen natürlich um etliche Klassen geringfügiger sind. Die führende Mitarbeiterin der quasi staatlichen „Initiative Musik“, Katja Hermes, etwa übernimmt laut einem Bericht der „Musikwoche“ dieser Tage die Leitung der in Berlin neu eröffneten internationalen Agentur „Sound Diplomacy“. Was diese Firma so treibt? „Wir verbinden Veranstaltungsmanagement mit Forschung und strategischer Beratung“, heißt es bei „Musikwoche.de“. Aha. Und: „Katja Hermes fungiert künftig als Ansprechpartnerin für deutsche Institutionen, Organisationen und Unternehmen, die sich international etablieren wollen, aber auch für internationale Einrichtungen und Unternehmen, die auf den deutschen Markt abzielen.“Zu den ersten Kunden von Katja Hermes und ihrem deutschen Büro von “Sound Diplomacy“ gehören – die Initiative Musik. Und das Musicboard Berlin. Und Berlin Partner. Eben all die staatlichen „nation building“- und Stadtmarketing-Institutionen, die sich der deutschen Popwirtschaft bemächtigt haben und für eine derer Frau Hermes zuvor als Funktionärin gearbeitet hat.
Ich weiß ich weiß, Namenswitze...Aber wenn Sie in Ihrer Tageszeitung die Schlagzeile „Todeskino will Kiel weiter führen“ („FAZ“) lesen – geben Sie zu, dann müssen Sie doch auch schmunzeln, oder?
Tobias Künzel war mal bei den Prinzen und ist seit geraumer Zeit stellvertretendes Aufsichtsratsmitglied der GEMA. Dabei muß er schlimme Sachen gesehen haben, denn nun schrieb er ein Musical über Karl Marx. „Er wird langsam wieder sexy“, sagt Künzel laut „Berliner Zeitung“, und Marx „hatte oft recht“, und so hat der GEMA-Fan nun eine „schräge Verwechslungskomödie mit Rockmusik“ komponiert. Der Intendant des Plauener Stadttheaters, wo das Künzel-Musical und auch schon Musicals wie „Hasch mich, Genosse!“ Premiere hatten, meint laut „SZ“: „Marx gehört zum Osten einfach dazu, das interessiert die Leute.“Auf dem Programmflyer steht: „Lustiger als das Kommunistische Manifest! Romantischer als das Kapital!“ Ganz Musical eben, ganz Künzel eben, der laut Eigenaussage „keiner ist, der Straße auf Lampe reimt“.
Springers „Welt“ hat am 30.10. den Maler Neo Rauch eingeladen, die Ausgabe der Zeitung zu gestalten – „jede Seite ein Traum“. Laut „Welt“ setzt Neo Rauch „gegen das Schlagfeuer der Nachrichten Bild-Erzählungen voller Rätsel und versteckter Botschaften“.Nach der ersten Seite dieser Ausgabe, auf der ein Bild von Rauch und die zitierte Ankündigung zu sehen ist, erstmal zwei Seiten Anzeige eines Automobilkonzerns, „die Kunst, voraus zu sein“. Dann drei Seiten „Zeitung“ oder was man bei der „Welt“ dafür hält (mit „Bloß keinen Ingwertee für Merkel“ wird eine Seite gefüllt, auf den Meinungsseiten „Was ist ein Diktator?“ und „Chodorkowskis Mut“), dann eine Seite Uhrenanzeige („Wahre Schönheit währt ewig“), eine Seite Bankenanzeige („We ♥ NR seit 16.3.1990“ – wohl das Datum des ersten Ankaufs eines NR-Bildes durch die Bank...), und so geht es weiter im sogenannten Feuilleton mit weiteren fetten Auto- und Konsumgüter-Anzeigen – bisserl redaktioneller Text muß eben auch in einem Anzeigenblättchen heutzutage um die Anzeigen herum verstreut werden, damit sich die Inserate der Industrie besser verkaufen...
Apropos Qualitätsjournalismus: Was denken Sie, wo stand dieser Text, und über wen ist er geschrieben?„Sie will ein Album vorlegen, auf dem endlich ‚alles genau so klingt, wie ich es will’, sagt sie, das Visier aus Filz und Wolle für einen Moment geöffnet, das Gesicht gerötet von der Last des falschen Pferdes. Sie hat, auf den ersten Blick, noch immer die anrührend klaren Augen des Mädchens, das sie vor 15 Jahren war, in der Zeit vor dem Ruhm, vor der Heirat, vor den Kindern. Die blauen Augen der entschlossenen jungen Frau, die damals auch schon 22 war und die bei ihren allerersten Auftritten in vergammelten Kneipen ihren Traum besang, ein Popstar zu werden, auf der ganz großen Bühne (...)Sie konnte nicht wissen, wie es sich anfühlen würde ‚da oben’, im Licht, auf Platz eins der Charts, auf Festivals vor 80.000 zahlenden Zuschauern, wie es sich sitzt in den Fernsehstudios bei Maybrit Illner, bei Harald Schmidt, als er noch groß war, wie es ist, dem Dalai Lama die Hand zu schütteln. (...) Sie wußte nicht, wie erbarmungslos der Rummel um den Ruhm sein kann, wie tief Müdigkeit geht, wie schnell sich alles anfühlt, ‚als würde man sich nicht mehr selbst gehören’. Sie ahnte nicht, daß Popstar werden leichter ist als Popstar sein.Ihre Augen spiegeln diese Erfahrung heute, auf den zweiten Blick, eine Spur von Zweifel liegt manchmal in ihnen, eine kleine kichernde Angst, wenn sie sich die Reaktionen auf ihre neue Platte ausmalt, die Gemeinheiten, mit denen sie rechnen muß. (...) Dünn ist ihre Haut geblieben, ihr Panzer nur aus Wolle und Filz. (...) In den Liedern steht sie da, offen, verletzlich, erschütternd, den Kopf geneigt zum Nackenbiß.“Na? „Das neue Blatt“? „Gala“? Ein Lore-Roman? Susanne Messmer in der „Zeit“ über eine tibetanische Sängerin?Nein, das altherrenhafte Gesülze stand im „Spiegel“, und der Artikel ging über Judith Holofernes. Vor einiger Zeit hat sich die Künstlerin selbstbewußt gegen die Vereinnahmung der Blöd-Zeitung gewehrt. Daß leitende Redakteure der Blödzeitung jetzt leitende Redakteure beim „Spiegel“ sind und dort längst Artikel geschrieben werden, die so auch in der „Bunten“ stehen könnten – wer konnte so etwas ahnen. Ein derartiges Geschreibsel hat Judith Holofernes jedenfalls nicht verdient.
Aber es geht immer noch schlimmer. Oder können Sie sich ein Gespräch von Philipp Lahm und Margot Käßmann vorstellen? Wollen Sie das gar lesen müssen? „Chrismon“, das evangelische Umsonstblättchen, hat die beiden zusammen kommen lassen, „was uns stark macht“.Mir hat am besten Philipp Lahm gefallen, der ganz Fußballer-like (Abitur zu haben bedeutet heutzutage bekanntlich auch nichts mehr) plappert: „Ich denke, die Zeit, in der wir leben, ist sehr ungewiß. Und die Themen sind sehr kompliziert. Also brauchen wir Helden, zu denen man aufschauen kann, weil sie Mut bewiesen haben und ihre Erfolge Mut machen.“Die Zeiten? Sehr ungewiß, fürwahr.Die Themen? Sehr kompliziert.Erst hat man kein Glück, dann kommt auch noch Pech hinzu.
Klar, unsereiner macht sich über den Zustand des hiesigen „Qualitätsjournalismus“ in der Regel wenig Illusionen (was nicht heißt, daß es immer noch eine gewisse Anzahl seriöser und guter JournalistInnen gibt – aber das wissen Sie ja selbst, daß man aus dem Allgemeinzustand einer Branche nicht auf jeden einzelnen dort Arbeitenden schließen darf). Wenn es einem aber gerade wieder einmal passieret, dann... Reden wir vom Tod Lou Reeds. Kaum ein deutscher Artikel, der ohne die Beschreibung Lou Reeds als „schwierig“, als „Feind von Journalisten“, als „Todeszwerg“ gar (in der „Welt“, als Titelzeile Lester Bangs zitierend) auskam – im interessanten Gegensatz übrigens zur französischen Musikpresse („Les Inrockuptibles“ brachte ein lesenswertes, mehrseitiges Interview mit Lou Reed) oder zu US-Medien, wo gerade die Freundlichkeit und Kollegialität des Künstlers hervorgehoben wurde.Besondere Erwähnung verdienen jedoch zwei hiesige Medien. In der „taz“ findet deren Pop-Chef, der die letzten Konzerte von Lou Reed 2012 noch als „Flop des Jahres“ bezeichnet hatte und in seiner Rezension damals von Lou Reeds Musik offenkundig überfordert war und es deswegen vorzog, ausführlich über die Regenjacken seiner Fans zu berichten, daß „seine Songs mit zum Größten gehören, was die Popmusik je hervorgebracht hat“.Auch toll der Nachruf von Thomas Groß auf der Titelseite (!) der „Zeit“, dieses altjungfernhaften Hamburger Mediums, das bevorzugt zu spät kommt, dann aber mit großem Getöse. Thomas Groß jedenfalls hat eine Fantasie: „Zu schade, daß er es nicht mehr auf Tour geschafft hat“, beginnt er seinen Artikel. Und schwurbelt dann, daß eine Tour doch prächtig „gepaßt“ hätte „zu einem Jahr, in dem sie alle noch einmal vorbeigezogen kamen, der heilige Neil, der olympische Leonard, der sakrosante Bob“, doch allein, „auf seine Weise aber war es folgerichtig, daß er fehlte: An Verabredungen gleich welcher Art hat Lou Reed sich nie gehalten“, nicht einmal an Verabredungen mit einem „Zeit“-Schreiberling, die nur in dessen Fantasie stattfinden.Aber das ist eben das Dilemma weiter Teile des deutschen Musikjournalismus: weiter als bis zum eigenen Bauchnabel reicht der Horizont in aller Regel nicht. Und wenn der Herr Zeit-Autor und sein Bauchnabel bei der letzten Lou Reed-Tour 2012, zu der ja gut 16.000 Menschen kamen, nicht dabei waren, dann kann diese Tournee natürlich einfach nicht stattgefunden haben. Und im besten deutschen Bauchnabeljournalismus-Stil darf man dann auf der Titelseite der „Zeit“ beklagen, daß es Lou Reed „nicht mehr auf Tour geschafft hat“.Wie armselig.(was jetzt nicht heißen soll, daß es nicht auch hierzulande angemessene Lou Reed-Nachrufe gegeben hätte, z.B. von Dietmar Dath in der „FAZ“, von Jens Balzer in der „Berliner Zeitung“, von Andrian Kreye in der „SZ“ oder von Karl Bruckmaier in der „taz“).