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Blog Archiv - Jahr %1
22.05.2016

ESC 2016

Zu den irrelevantesten Dingen, die Jahr für Jahr in der Welt passieren,
die aber medial immens aufgeblasen werden, gehört zweifelsohne der sogenannte
Eurovision Song Contest. Das ist der ursprünglich mal europäische
Schlagerrockpop-Wettbewerb, an dem die musikalischen Repräsentanten von 26
Nationen (plus Halbfinalisten) teilnehmen und der bundesdeutsche Wettbewerb mit
schöner Regelmäßigkeit den letzten Platz einnimmt.2015 erhielt der deutsche Beitrag null Punkte. Germany: Zero points.
Diesmal war es ebenfalls deutlich abgeschlagen der letzte Platz, aber
irgendwelche europäischen Nachbarn haben sich erbarmt, und es gab elf Punkte
für die bundesdeutsche Interpretin, die „wie
eine betrunkene Weinkönigin aussieht, die beim örtlichen Faschingsfest als
Blumenkiste geht“, und die musikalisch „katatonische
Langeweile“ produziert („NZZ am Sonntag“).Wie gesagt, es ist irrelevant, mit welchem Dreck man an der
Festveranstaltung im Herzen der musikalischen Finsternis teilnimmt – aber daß
die Produkte der deutschen Musikindustrie und des eingebetteten
Staatsfernsehens selbst in diesem Rahmen der musikalischen Trostlosigkeit stets
auf dem allerletzten Platz landen, sollte in einem normalen Leben, in einer
normalen Geschäftswelt doch als Problem gesehen werden. Nicht so bei den
einschlägigen Claqueuren der Mitmachwelt: Dort wird der Blumenkiste einhellig
bescheinigt, „einen tollen Job gemacht“ zu haben, und die Chefclaqueurin
Barbara Schönberger rechnet hoch, daß dieses Jahr elfmal so viel Punkte
rausgesprungen seien als letztes; dabei bleibt elfmal null eben für all
diejenigen, die rechnen können, immer noch null.Ehrlich wäre, wenn die deutsche Mainstream-Musikindustrie und das
Staatsfernsehen zugeben würden, daß sie offensichtlich nichts Geeignetes
hervorbringen können, und in Zukunft nicht mehr am ESC teilnehmen würden.Den weltgrößten Tonträgerkonzern Universal Music, bei dem die deutsche
ESC-Vertreterin unter Vertrag ist, ficht dies alles nicht an. Am Tag nach dem
deutschen ESC-Debakel hat Universal Deutschland einen „Sondernewsletter“
verschickt, Titel: „Jamala gewinnt den
ESC 2016“ – denn auch die ukrainische Sängerin ist bei Universal unter
Vertrag. Vom deutschen Beitrag ist bei der deutschen Universal keine Rede mehr,
man hat ja so oder so gewonnen und kann ein Produkt zu Profit machen, ob es nun
aus der Ukraine oder aus Bennigsen in Niedersachsen stammt.

22.05.2016

DDR-Bildungspolitik: Es war nicht alles schlecht...

Laut Springers „Welt“, die fast bis zuletzt die DDR in Anführungszeichen
schrieb und jeder Sympathie für das DDR-System unverdächtig ist, sank der
Intelligenzquotient ostdeutscher Kinder von weit über dem europäischen
Durchschnitt liegenden 102 zu DDR-Zeiten seit der „Wende“ auf 95, also auf das
westdeutsche Niveau. Und der „Welt“-Autor schlußfolgerte, daß die BRD mit dem
DDR-Schulsystem im PISA-Ranking nicht abgeschlagen, sondern vorne gelandet
wäre.Auch Kanzlerin Merkel war ein Förderkind des DDR-Bildungssystems und
meinte mal, man habe „damals“ als Schüler*in in der DDR „ordentlich Physik und
Chemie gelernt“.

13.05.2016

Red Bull & neoliberaler Feudalismus

Wundert es uns, zu lesen, wes „Geistes“ Kind der Unternehmer Dietrich
Mateschitz mit seinem braunen Brause-Imperium ist? Anläßlich des Wunsches der
Mitarbeiter seines „Servus TV“, einen Betriebsrat gründen zu wollen, schrieb
der Red Bull-Chef an die „Salzburger Nachrichten“: „Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Unbeeinflussbarkeit insbesondere
durch politische Parteien, egal welcher Richtung, war von Anfang an ein
tragender Pfeiler von Servus TV. Die Betriebsratsgründung hätte diese Werte
insbesondere durch die Art und Weise ihres Zustandekommens - anonym,
unterstützt von Gewerkschaft und Arbeiterkammer - nachhaltig beschädigt. Dass
diese Vorgehensweise bei der Entscheidung in der aktuellen Situation des Senders
nicht gerade dienlich war, ist evident."

Ist ja auch wirklich eine bodenlose Frechheit, daß Arbeitnehmer*innen
schon knapp 230 Jahre nach der Französischen Revolution plötzlich ihre Rechte
einfordern wollen, und daß sie ihre Interessenvertretung am Ende auch noch
„anonym“ und unterstützt von Gewerkschaften zu wählen beabsichtigen.

Doch in der klebrig-süßen Brausewelt des Dieter Mateschitz bleibt alles
in althergebrachter Ordnung: Die Arbeitnehmer*innen von Servus TV verzichteten
auf die Gründung eines Betriebsrats, und der Brause-Boß machte seine
Ankündigung der Betriebsschließung rückgängig. Der Neoliberalismus als
Feudalherrschaft. Festivals und Bands, die jetzt noch Red Bull als Sponsoren
akzeptieren, sind Lumpen. Und wer jetzt noch Red Bull trinkt, setzt ein Zeichen
gegen Arbeitnehmerrechte und für die Feudalherrschaft der neuen Kapitalisten...

13.05.2016

Muzička, das Internet und die Weltmusikfans

Die ziemlich großartige slowakische Band Muzička war ihrer Zeit voraus
und hat ihre jeweils neueste Musik auf ihre Website gepackt, kostenlos zum
Download.Aber sie haben die konservativen Hör- und Kaufgewohnheiten des
Weltmusik-Publikums unterschätzt: „Material
man still wishes to grasp, insert, play, eject, lose etc.“, schreiben
Muzička in ihrem neuen Album „destilát“, auf dem sie nun, da es mit den
Downloads auf ihrer Website nicht so recht funktioniert hat, in CD-Form eine
Zusammenstellung ihrer besten Tracks vorlegen. Sehr hörenswert! Aber leider nur
sehr schwer zu bekommen. Kann man aber auch via Soundcloud oder Spotify
hören...

13.05.2016

Facebook & Trump

Nochmal zur Fressenkladde, nochmal zu den US-Präsidentschaftswahlen:Von wegen, daß die Internetfirmen der kalifornischen Ideologie alle
Bernie Sanders zuneigen.Facebook unterstützt den Parteitag der Republikaner, und Peter Thiel, der
frühere CEO von PayPal und erster Großinvestor von Facebook und bis heute
Vorstandsmitglied von Facebook, ist ein Trump-Delegierter (und finanziert die
Tea Party, und ist Mitglied im Steering Comitee der Bilderberg-Konferenz, und
investiert in Cannabis...).Wundert uns nicht? Genau, wundert uns nicht!

13.05.2016

Desert Trip & Profit

Worum geht es im Konzertgeschäft der
Großkonzerne, der Megastars und der Sponsoren? Natürlich: ums Geld. Um den
größtmöglichen Profit.Den garantieren vor allem einige wenige
Superstars. Die Bands und Künstler, die die Stadien ausverkaufen, sind rar. Es
sind vornehmlich Bands, deren Karrieren in den 60er und 70er Jahren des letzten
Jahrhunderts begannen. Und ihre Fans sind die damals jungen Menschen, die
sogenannten Babyboomer, also die vermutlich letzte Generation, deren
wirtschaftliche Situation dank Erbschaften und gesicherter Karrieren und daraus
resultierender Renten auch im Alter erfreulich ist.Wie also macht man das allermeiste Geld, den
allergrößten Profit? Man wirft möglichst viele der in den 60er und 70er Jahren
etablierten Superstars zusammen, für die sich die Babyboomer interessieren, die
über das nötige Geld verfügen, sich die Teilnahme an so einem außerordentlichen
Event leisten zu können.Genau dieses Event, ein sogenanntes
„Festival“, haben findige Großveranstalter jetzt als „Desert Trip“ auf dem
Gelände des Coachella-Festivals zusammengestellt.

Die Rolling Stones, Paul McCartney, The Who,
der eingefleischte Antisemit Roger Waters (Pink Floyd), Neil Young, Bob Dylan
an einem Wochenende – das wird kosten: Die Ticketpreise werden laut „Billboard“
von $ 700 bis $ 1.600 für Sitzplätze reichen; Stehplätze sollen $ 400 kosten.
Vor allem aber wollen die Veranstalter mit V.I.P.-Tickets und V.I.P.-Packages
auf ihre Kosten kommen – die in die Jahre und zu veritablem Wohlstand
gekommenen Rockfans sollen mit Luxus-Dining oder Golfplätzen angelockt werden,
beim Coachella-Festival längst Usus. Dazu kommen Nebenrechte aus Übertragungen
in Kinos, aus DVD- und Streaming-Rechten, aus Sponsoring und exzessivem
Merchandising. Die Veranstalter erwarten einen Merch-Umsatz von mindestens $ 25
pro verkauftem Ticket, bei gut 70.000 Teilnehmern wird da ordentlich was
zusammenkommen. So sollten sich auch die horrenden Künstlergagen finanzieren
lassen – Insider raunen von Gagen zwischen 7 und 10 Millionen Dollar für die
„Headliner“ Rolling Stones, Paul McCartney und Roger Waters, und selbst alle
anderen Künstler werden Gagen von mehr als einer Million Dollar erhalten.

Die Veranstalter bezeichnen ihren Event allen
Ernstes als „Konzert des Jahrhunderts“ – wobei eher das vergangene Jahrhundert
gemeint sein dürfte, denn nennenswerte Musik hat in unserem Jahrtausend mit Ausnahme
von Bob Dylan und Neil Young keiner der Künstler dieses Festivals
veröffentlicht. Aber darauf kommt es allem Anschein nach nicht an. Es geht um
einen letzten Großzahltag für die in die Rentnerjahre gekommenen
Multimillionäre der Rockmusik. Und um das Schwelgen in Erinnerungen für in die
Jahre und zu Geld gekommenen Rockfans (die meisten wohl ebenfalls im
Rentneralter), die dann Selfies an all ihre Freunde auf der Fressenkladde
schicken können: „Seht, ich war dabei! Ich hab Mick, Keith, Paul, Bob & Neil
nochmal gesehen, bevor sie sterben...“

13.05.2016

Wanda auf Bussi-Kreuzfahrt im Mittelmeer

Rockbands
in Theateraufführungen? Klar, geht gar nicht, d’accord.
„Rockbands in Theateraufführungen sind in
der Regel eine Peinlichkeit (...) Wenn eine kreuzlangweilige Band wie Kante
Schaubühnen-Inszenierungen als Dienstleistungs-Mucker dekoriert, fragt man sich
unwillkürlich, ob sie sich vielleicht besser als Bord-Kapelle auf einem
Kreuzfahrtschiff verdingen sollte“, meint Peter Laudenbach im
„Tip“-Magazin.
Und das sagte sich wahrscheinlich auch die österreichische Pop-Band Wanda. Mit
der kann man jetzt nämlich tatsächlich auf Kreuzfahrt gehen: Eine „Bussi Kreuzfahrt mit Bologna – Wanda – Der Nino aus
Wien“ wird von einer Firma namens „MS6 – Travel and Music“ angeboten. Mit dem
Bus nach Genua, mit dem Schiff nach Barcelona („Barcelona ist keine Stadt zum Betrachten, Bewundern und Bestaunen,
die richtige Perspektive gewinnt nur, wer sich selbst in Bewegung setzt“),
nach Marseille („Wer will schon die
arrogante Schnepfe, wenn er auch die scharfe Seemannsbraut kriegen kann?
Marseille ist aufregender, günstiger und entspannter als Paris“) und
Bologna („Tante Ceccarelli hat in
Bologna... Auch wenn hier als absolutes Highlight das Konzert von Wanda &
Freunden stattfindet, bleibt ein bißchen Zeit für Amore in Bologna“).„Um auch die Getränkekosten im Überblick
zu behalten“, empfehlen die Organisatoren „die Buchung eines Getränkepakets für die Schiffsreise im Voraus“.
Etwa „Allegrissimo Premium“ (mit Champagner-Cocktails, einem, haha, „breiten“
Angebot an offenen Weinen, hochwertigen Spirituosen einschließlich besonders
exklusiver Marken usw.) für € 44.- pro Tag. Oder das „Bier Paket ‚Taste The
World’“ für 59 €. Oder das „Eataly’s Vino Libero Paket“ für 185 €, mit Weinen
aus biologischem Anbau.

Da
können die Mitmachwüstlinge aus dem Wanda-Fanclub dann ordentlich angeschickert
und angeheitert den im Mittelmeer um ihr Leben kämpfenden Flüchtlingen von der Reling ihres
Kreuzfahrtschiffs wahlweise ein kräftig donnerndes „Bussi, Bussi“ oder ein
ebensolches „Amore!“ entgegengrölen.

Immer,
wenn man denkt, daß alles nicht mehr übler werden kann, wird man aufs
Unangenehmste überrascht. Wanda jedenfalls haben sich nicht nur musikalisch,
sondern auch gesellschaftlich auf Dauer als dumpfe Biederlinge disqualifiziert.„Love & Peace through
Tourism & Music“ wirbt Wandas Bussi-Kreuzfahrt. Wirklich obszön.

13.05.2016

02-Arena heißt jetzt Mercedes, und Lenin Lennon

Die Berliner Mehrzweckhalle am Ostbahnhof heißt seit letztem Sommer
bekanntlich nicht mehr „O2-Arena“, sondern „Mercedes-Benz-Arena“. Dieser
trostlose Ort ist eine stadtplanerische Bankrotterklärung, die sich demnächst
potenzieren wird, denn es ist jetzt ein ganzes Mercedes-Benz-Viertel um die
Halle herum geplant: eine weitere Halle mit etwas kleinerer Kapazität, eine
28-spuriges Luxus-Bowlingcenter, 10 bis 15 Cafés, zwei Hotels und Büros, und
selbstredend auch ein Mercedes-Flagship-Store 
– eben ein echter „Entertainment District“, wie die Anschutz
Entertainment Europe das neue Stadtquartier vollmundig bezeichnet. Und der
zentrale Platz heißt seit dem 1.Juli natürlich Mercedes-Benz-Platz, ohne
daß die Öffentlichkeit und die Bezirksversammlung da mitreden oder gar
mitentscheiden konnten, denn der Platz ist Privateigentum und gehört wie die
Mehrzweckhalle und die neu geplanten Gebäude, eben das ganze Viertel, der
Anschutz-Gruppe. Ein trauriges Beispiel der Privatisierung von öffentlichem
Raum und von Investorenarchitektur  nach
amerikanischem Vorbild.
Anderes, aber Ähnliches sah ich unlängst in Italien – in Florenz heißt die
einschlägige Konzerthalle, das ehemalige „Teatro di Firenze“, jetzt „OBI HaLL“
(das „a“ tatsächlich klein geschrieben, keine Ahnung, was das nun wieder zu
bedeuten hat).
„Gehen wir Rihanna schauen?“ „Klar, auf in die OBI Hall.“
Und Lenin heißt jetzt Lennon. Jedenfalls im ukrainischen Dorf Kaliny. Dies
teilte der Gouverneur von Transkarpatien mit. Im Zuge der „Dekommunisierung“
der Ukraine nach dem „Gesetz zur Verurteilung der kommunistischen und
nationalsozialistischen totalitären Regimes und zum Verbot ihrer Symbolik“
falle Lenin als Namenspatron für Straßen künftig aus, weswegen die Lenin-Straße
in Kaliny nun in Lennon-Straße umbenannt wurde.Ach, lieber Gouverneur von Transkarpatien, ich bitt, komm doch bitte mal nach Berlin und mach, daß das Mercedes-Benz-Viertel wenn schon nicht in Lenin-, dann doch wenigstens in Lennon-Viertel umbenannt wird! Von Transkarpatien lernen, heißt... Danke im Vorabbereich.

13.05.2016

Körperarbeit macht presenter im Alltag

Und wo
wir schon bei Skurillitäten aller Art sind: Im Berlin-Teil der „taz“ fand ich
eine Kleinanzeige.„Ich bin eine erfahrene
Physiotherapeutin und lerne im zweiten Ausbildungsjahr die Grinbergmethode,
eine Körperarbeit, in der ich euch zeige, euren Atem tiefer zu spüren“. Ich bin ja nun in den 70er Jahren
aufgewachsen und habe mich schon damals daran gefreut, daß die Deutschen alles,
was sie so tun, als „Arbeit“ bezeichnen müssen – wenn sie lieben, ists
„Beziehungsarbeit“, wenn sie einfach nur atmen, ists „Körperarbeit“.Doch die
„kostenlose Probestunde“ in der
Grinbergmethode wird schließlich so anempfohlen: „...in der ich euch zeige, presenter im Alltag zu werden.“Also
besser atmen, um im Alltag besser zu funktionieren, und wenn schon nicht
präsenter, dann doch presenter zu werden, als ein kleines
Selbstoptimierungsgeschenk gewissermaßen für all diejenigen, denen man nach
Grinbergmethoden-Arbeit dann in U-Bahn, Bus oder auf den Straßen so trifft...

13.05.2016

Ban Ki-moon über Flüchtlinge

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat Ende April im
österreichischen Parlament, also an geeigneter Stelle, etwas eigentlich
Selbstverständliches formuliert, das heutzutage jedoch eigens hervorgehoben
werden muß, in Wien, in Berlin, am Brenner und in Budapest oder Warschau: „Wir haben eine moralische und rechtliche Pflicht,
denen zu helfen, die vor Krieg, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung
fliehen. Es bereitet mir Sorge, daß europäische Länder nun eine zunehmend
restriktive Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik verfolgen. Solche
Politikkonzepte und Maßnahmen senden eine sehr negative Botschaft in Bezug auf
die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach dem humanitären Völkerrecht und
dem europäischen Recht aus.“

13.05.2016

Veganer Imbiß am Hermannplatz

Zur Eröffnung eines veganen Imbiß am Hermannplatz in Neukölln kamen fast
eintausend Menschen. Es gab ein Gedränge, daß die Polizei kommen und den
Verkehr regeln mußte.
Im Ernst jetzt? Im Ernst jetzt.
Der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop (aktuelles Buch „Ernährungswahn“)
erklärt das Phänomen im Gespräch mit Reinhard Jellen für „Telepolis“:
„Die Selbstoptimierer-Fraktion ist
naturgemäß empfänglich für den Ernährungswahn. Kontrolle über alles, über die
Blutwerte, über den Schlaf, über die Ernährung. Nicht zu unterschätzen ist der
Coolness-Faktor der Hipster. Das sieht man allein schon daran, dass im April bei
der Neueröffnung eines veganen Szenelokals in Berlin die Polizei wegen
Massenandrangs die Straße räumen musste. Hier ging es sicher nicht primär um
‚gesundes Essen’, sondern um ‚gesunde Präsenz’, also sehen und gesehen werden.
(...)
Frage: Könnten Sie sich vorstellen, dass darin auch der Wille zur sozialen
Abgrenzung nach unten als Motivationsmoment mit hineinspielt?
Uwe Knop: Die
Tatsache, dass die "coolen Esstrends" vorwiegend von gut gebildeten,
jungen Hipstern mit hohem sozioökonomischem Status in den Metropolen der
Republik ausgelebt werden, könnte darauf hindeuten. Ob gewollt oder unbewusst
sei dahingestellt. Soziale Abgrenzung nach oben und unten ist auf jeden Fall
ein Faktor bei der "Anders-Esser-Jugend", die über den Teller gegen
das Establishment rebelliert.“

13.05.2016

Veganer Fußball?

Was ich mich übrigens manchmal frage:
Dürfen Veganer denn Fußball schauen? Also, ich meine: gesinnungsethisch? Ist es
vertretbar?
Gut, heutzutage sind die Bälle nicht mehr aus tierischen Materialien, sondern
aus allen möglichen Kunststoffen, klar. Aber was machen die Veganer, wenn sie historische
Fußballspiele betrachten? Wenn urplötzlich ein sagenhaftes Tor von sagen wir
Stan Libuda aus dem Jahr 1966 oder 1969 im Fernsehen wiederholt wird? Als der
Ball definitiv noch aus Leder war? Wegschauen? Abschalten? Schnell zum
nächstgelegenen veganen Imbiß rennen und Kompensationsessen zu sich nehmen?
Und wie siehts mit Handball aus? Dort wird immer noch mit Lederbällen
gespielt... Schauen also alle veganen Ballsportfans ausschließlich Basketball
und Minigolf?

13.05.2016

Prince R.I.P.!

R.I.P. Prince!
Ich bin kein Fan von American Football oder der NFL und all dieses
Kommerzschmarrns, aber boy, was war das für eine Performance in strömendem Regen und Sturm vor
Hunderten von Millionen Zuschauern weltweit!
Kaum ein größerer Live-Künstler je als Prince.
Ich will den zahlreichen Nachrufen (sehr gut: Markus Schneider in der
"Berliner Zeitung" oder Tobi Müller auf SPON, Edo Reents in der „FAZ“
und Diedrich Diederichsen auf „Zeit Online“ und natürlich Klaus Walter im „Freitag“, selten dämliche BLÖDzeitungs-Schlagzeile "Jetzt weinen die Tauben" in
der SZ - was aber machen die Blinden? sie lesen Süddeutsche, nehme ich an...)
keinen weiteren hinzufügen. Nur kurz dieses:
Wir lernen von Prince: In der Musik (und ich möchte
hinzufügen: im Leben...) kommt es auf die Persönlichkeit an. Darauf, daß man
Risiken eingeht.
Wo die Musik spielt, ist LIVE! Es geht um die
Performance, um Charisma! Und ob die gespielte Musik Qualität hat. All das
zeigt dieser Ausnahmekünstler.
"Prince
never repeated himself. He always took risks. He demonstrated his influences.
He was about what felt right as opposed to what looked right. The business
rejected him, but the fans embraced him." (Bob Lefsetz)
"Purple Rain" ist nicht mein liebster
Prince-Song. Eher schon "Annie Christian", oder "Kiss",
oder "Have A Heart", oder „Sexy M.F.“ (muß hier abgekürzt werden,
weil Ihnen sonst wahrscheinlich die Email nicht zugeht...). Aber in
"Purple Rain" kommen diese wichtigen Zeilen vor, die man in diesem
merkwürdigen und mitunter recht scheißigen Musikgeschäft nie vergessen sollte:
"Hey, look me over
Tell me do you like what you see
Hey, I ain't got no money
But honey I'm rich on personality!"
Es kommt nicht aufs Geld an, Leute - es geht um
Persönlichkeit! Und eine der größten Persönlichkeiten der Musik unserer Tage
ist nun nicht mehr. Ich protestiere gegen den Tod von Prince!

13.05.2016

ZDF-aspekte bekommt Echo als "Partner des Jahres"

A propos ZDF-„Aspekte“ – wollen Sie wissen,
wer vom Lobbyverband der deutschen Musikindustrie mit dem „Echo“ als „Partner
des Jahres“ ausgezeichnet wurde? Eben: die „Aspekte“-Redaktion des ZDF.
Begründung:„Das traditionsreiche
TV-Format (...) zeichnet sich nach einem redaktionellen Relaunch als
erstrangige Plattform für aktuelle Musikthemen aus (...) Künstler und Labels
werten 'aspekte' als verlässlichen Partner..."Soll wohl heißen: Jetzt, wo „Aspekte“ keine anspruchsvolle
Kultursendung mehr ist, sondern undank des „Relaunch“ zu einem unerträglichen
und in aller Regel an Banalität kaum zu übertreffenden Plapperformat mutierte,
also zu einer Art „Kultur-Drehscheibe“, ist die Redaktion zu einem „verläßlichen Partner“, also zu einer
willigen Abspielstation für die Produkte der deutschen Musikindustrie
abgestiegen.Wer vom BVMI derart gewürdigt wird, dem kann man nur
Glück wünschen. Tiefer kann man, um es mit Flaubert zu sagen, in dem „Meer von
Scheiße, das den Elfenbeinturm umtost“, kaum mehr sinken...

13.05.2016

US-Vorwahlen: Clinton in New York

Die sogenannten
Vorwahlen, also dieses Theater, das seit ein paar Monaten in den USA unter
geballter Anteilnahme der staatstragenden deutschen Mainstreammedien von ARDZDF
bis SpiegelZeit stattfindet und mit Demokratie ungefähr so viel zu tun hat wie Pegida
und AfD mit Willkommenskultur, bietet ein paar schöne Eindrücke von der
Propaganda, die uns so umgibt.
Zum Beispiel: In den hiesigen Medien wird Bernie Sanders, ein
Präsidentschaftskandidat der Demokraten, ausnahmslos entweder als eine nicht
weiter ernstzunehmende Witzfigur oder als „Populist“ abqualifiziert. Über seine
Forderungen erfahren wir praktisch nichts, obwohl die ja nicht wirklich
„schlimm“ sind – eher sozialdemokratisch irgendwie, was in den USA natürlich
dazu führt, daß man sich mit derlei Forderungen als „sozialistisch“ bezeichnen
kann.
Oder: Seit Wochen hämmern uns die hiesigen Medien ein, daß Hillary Clinton
„klar in Führung“ liege – dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache:
Aktuell hat Clinton 1.700 Wahlleute gewonnen, ihr Konkurrent Sanders 1.410. Ein
Vorsprung, gewiß, aber geringer als der von Trump gegenüber Cruz und Kasich,
der uns ständig als „knapp“ verkauft wurde. Was Clinton den notwendigen 2.383
Parteitagsdelegierten näher kommen läßt, sind die 520 „Superdelegierten“, also
Leute aus der Nomenklatura der Partei, von niemandem gewählt, die sich aber
eben zum großen Teil der aus der Mitte des Establishments kommenden Clinton
zugewandt haben.
Noch übler wird das ganze, wenn man sich näher betrachtet, wie die Vorwahlen
der Demokraten in Wirklichkeit ablaufen. Beispiel New York: Dort errang die
Kandidatin Clinton mit 58 Prozent angeblich einen deutlichen Sieg über ihren
Rivalen Sanders, der nur 42 Prozent der Stimmen errang. Allerdings ist der Sieg
Clintons nur einem äußerst restriktiven und reichlich undemokratischem
Wahlverfahren zu verdanken. Bei dieser Vorwahl handelte es sich um eine quasi
geschlossene Veranstaltung, zu der ein großer Teil der Anhänger von Bernie
Sanders keinen Zugang hatte – es durften nur registrierte Wähler*innen der
Demokraten wählen gehen; der Termin für die Registrierung lief allerdings schon
im Oktober 2015 ab, zu einer Zeit also, da für die meisten Amerikaner*innen
Sanders noch ein unbeschriebenes Blatt war. „Im Klartext: Ein großer Teil der
Sanders-Anhänger konnte im Heimatland der Demokratie an dem demokratischen
Prozess nicht teilnehmen“ (Tomasz Konicz auf „Telepolis“). Drei Millionen
Menschen im Bundesstaat New York, die als „Unabhängige“ registriert sind, haben
ihr Recht auf eine Stimmabgabe in den Vorwahlen verloren, erklärte Sanders.
Hinzu kommt, daß es in einzelnen Wahlbezirken zu regelrechten Säuberungen der
Wählerlisten gekommen ist, wie sie in Bananenstaaten üblich sind; so wurden
rund 125.000 Wähler*innen in Brooklyn, dem Stadtteil, in dem Sanders geboren
wurde und aufwuchs, aus den Wählerlisten entfernt, ohne eine Möglichkeit zu haben,
sich wieder einzuschreiben – denn die Registrierungsfrist war ja im Oktober
2015...
All so etwas würde man gerne in den deutschen Qualitätsmedien lesen, die als
treuer Atlantiker derartige Fakten natürlich ebenso totschweigen wie die
Tatsache, daß Clinton in landesweiten Umfragen in den USA längst hinter Sanders
zurückgefallen ist und Sanders sogar gegenüber republikanischen Herausforderern
deutlich vor Clinton liegt. All dies sollen wir nicht erfahren. Das kann man
nur auf Telepolis
lesen...

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