Ein barrierefreies Erlebnis im Qualitätsfeuilleton
Qualitätsfeuilleton in der Qualitätspresse:
Am 8.1.2018 darf eine Jutta Czeguhn in der „Süddeutschen Zeitung“ Schuberts von Gerold Huber und Tareq Nazmi interpretierte „Winterreise“ rezensieren. Und das geht so:
„In dieser intimen Salon-Atmosphäre wird die Winterreise für das Publikum zum barrierefreien Erlebnis, wenn Huber – nicht ohne Ironie – aus dem Bösendorfer-Flügel die Krähen kreischen und die Hunde bellen läßt, Brüche provokant hart, fast modern setzt, am Ende sogar hörbar macht, wie erfrorene Hände die Leierkastenkurbel drehen.“
Die allerdings dummerweise gar keine Leierkastenkurbel ist, sondern die einer Drehleier, was jemand, der im „SZ“-Feuilleton über Schuberts „Winterreise“ schreiben darf, vielleicht wissen sollte und was man anhand des Textes („Der Leiermann“, oder „...willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?“) und anhand der gleichbleibenden Baßquinte, die die Drehleier imitiert, auch unschwer hören kann, was die Rezensentin aber, falls es zum Wissen und zum Hören nicht reicht, wenigstens kurz bei Wikipedia nachschauen hätte können, wenn sie sich sonst schon nicht weiter auf das Konzert vorbereitet hat. So eine inkompetente Fehlleistung wäre zu Joachim Kaisers Zeiten im SZ-Feuilleton nicht möglich gewesen.
Aber so sind sie, die Zeiten, es kommt eben hauptsächlich auf flapsige Formulierungen und auf Geschwurbel an, alles soll heute ein „barrierefreies Erlebnis“, aber gleichzeitig doch voller „provokant harter Brüche“ sein.