13.05.2016

Facebook & Trump

Nochmal zur Fressenkladde, nochmal zu den US-Präsidentschaftswahlen:Von wegen, daß die Internetfirmen der kalifornischen Ideologie alle
Bernie Sanders zuneigen.Facebook unterstützt den Parteitag der Republikaner, und Peter Thiel, der
frühere CEO von PayPal und erster Großinvestor von Facebook und bis heute
Vorstandsmitglied von Facebook, ist ein Trump-Delegierter (und finanziert die
Tea Party, und ist Mitglied im Steering Comitee der Bilderberg-Konferenz, und
investiert in Cannabis...).Wundert uns nicht? Genau, wundert uns nicht!

13.05.2016

Desert Trip & Profit

Worum geht es im Konzertgeschäft der
Großkonzerne, der Megastars und der Sponsoren? Natürlich: ums Geld. Um den
größtmöglichen Profit.Den garantieren vor allem einige wenige
Superstars. Die Bands und Künstler, die die Stadien ausverkaufen, sind rar. Es
sind vornehmlich Bands, deren Karrieren in den 60er und 70er Jahren des letzten
Jahrhunderts begannen. Und ihre Fans sind die damals jungen Menschen, die
sogenannten Babyboomer, also die vermutlich letzte Generation, deren
wirtschaftliche Situation dank Erbschaften und gesicherter Karrieren und daraus
resultierender Renten auch im Alter erfreulich ist.Wie also macht man das allermeiste Geld, den
allergrößten Profit? Man wirft möglichst viele der in den 60er und 70er Jahren
etablierten Superstars zusammen, für die sich die Babyboomer interessieren, die
über das nötige Geld verfügen, sich die Teilnahme an so einem außerordentlichen
Event leisten zu können.Genau dieses Event, ein sogenanntes
„Festival“, haben findige Großveranstalter jetzt als „Desert Trip“ auf dem
Gelände des Coachella-Festivals zusammengestellt.

Die Rolling Stones, Paul McCartney, The Who,
der eingefleischte Antisemit Roger Waters (Pink Floyd), Neil Young, Bob Dylan
an einem Wochenende – das wird kosten: Die Ticketpreise werden laut „Billboard“
von $ 700 bis $ 1.600 für Sitzplätze reichen; Stehplätze sollen $ 400 kosten.
Vor allem aber wollen die Veranstalter mit V.I.P.-Tickets und V.I.P.-Packages
auf ihre Kosten kommen – die in die Jahre und zu veritablem Wohlstand
gekommenen Rockfans sollen mit Luxus-Dining oder Golfplätzen angelockt werden,
beim Coachella-Festival längst Usus. Dazu kommen Nebenrechte aus Übertragungen
in Kinos, aus DVD- und Streaming-Rechten, aus Sponsoring und exzessivem
Merchandising. Die Veranstalter erwarten einen Merch-Umsatz von mindestens $ 25
pro verkauftem Ticket, bei gut 70.000 Teilnehmern wird da ordentlich was
zusammenkommen. So sollten sich auch die horrenden Künstlergagen finanzieren
lassen – Insider raunen von Gagen zwischen 7 und 10 Millionen Dollar für die
„Headliner“ Rolling Stones, Paul McCartney und Roger Waters, und selbst alle
anderen Künstler werden Gagen von mehr als einer Million Dollar erhalten.

Die Veranstalter bezeichnen ihren Event allen
Ernstes als „Konzert des Jahrhunderts“ – wobei eher das vergangene Jahrhundert
gemeint sein dürfte, denn nennenswerte Musik hat in unserem Jahrtausend mit Ausnahme
von Bob Dylan und Neil Young keiner der Künstler dieses Festivals
veröffentlicht. Aber darauf kommt es allem Anschein nach nicht an. Es geht um
einen letzten Großzahltag für die in die Rentnerjahre gekommenen
Multimillionäre der Rockmusik. Und um das Schwelgen in Erinnerungen für in die
Jahre und zu Geld gekommenen Rockfans (die meisten wohl ebenfalls im
Rentneralter), die dann Selfies an all ihre Freunde auf der Fressenkladde
schicken können: „Seht, ich war dabei! Ich hab Mick, Keith, Paul, Bob & Neil
nochmal gesehen, bevor sie sterben...“

13.05.2016

Wanda auf Bussi-Kreuzfahrt im Mittelmeer

Rockbands
in Theateraufführungen? Klar, geht gar nicht, d’accord.
„Rockbands in Theateraufführungen sind in
der Regel eine Peinlichkeit (...) Wenn eine kreuzlangweilige Band wie Kante
Schaubühnen-Inszenierungen als Dienstleistungs-Mucker dekoriert, fragt man sich
unwillkürlich, ob sie sich vielleicht besser als Bord-Kapelle auf einem
Kreuzfahrtschiff verdingen sollte“, meint Peter Laudenbach im
„Tip“-Magazin.
Und das sagte sich wahrscheinlich auch die österreichische Pop-Band Wanda. Mit
der kann man jetzt nämlich tatsächlich auf Kreuzfahrt gehen: Eine „Bussi Kreuzfahrt mit Bologna – Wanda – Der Nino aus
Wien“ wird von einer Firma namens „MS6 – Travel and Music“ angeboten. Mit dem
Bus nach Genua, mit dem Schiff nach Barcelona („Barcelona ist keine Stadt zum Betrachten, Bewundern und Bestaunen,
die richtige Perspektive gewinnt nur, wer sich selbst in Bewegung setzt“),
nach Marseille („Wer will schon die
arrogante Schnepfe, wenn er auch die scharfe Seemannsbraut kriegen kann?
Marseille ist aufregender, günstiger und entspannter als Paris“) und
Bologna („Tante Ceccarelli hat in
Bologna... Auch wenn hier als absolutes Highlight das Konzert von Wanda &
Freunden stattfindet, bleibt ein bißchen Zeit für Amore in Bologna“).„Um auch die Getränkekosten im Überblick
zu behalten“, empfehlen die Organisatoren „die Buchung eines Getränkepakets für die Schiffsreise im Voraus“.
Etwa „Allegrissimo Premium“ (mit Champagner-Cocktails, einem, haha, „breiten“
Angebot an offenen Weinen, hochwertigen Spirituosen einschließlich besonders
exklusiver Marken usw.) für € 44.- pro Tag. Oder das „Bier Paket ‚Taste The
World’“ für 59 €. Oder das „Eataly’s Vino Libero Paket“ für 185 €, mit Weinen
aus biologischem Anbau.

Da
können die Mitmachwüstlinge aus dem Wanda-Fanclub dann ordentlich angeschickert
und angeheitert den im Mittelmeer um ihr Leben kämpfenden Flüchtlingen von der Reling ihres
Kreuzfahrtschiffs wahlweise ein kräftig donnerndes „Bussi, Bussi“ oder ein
ebensolches „Amore!“ entgegengrölen.

Immer,
wenn man denkt, daß alles nicht mehr übler werden kann, wird man aufs
Unangenehmste überrascht. Wanda jedenfalls haben sich nicht nur musikalisch,
sondern auch gesellschaftlich auf Dauer als dumpfe Biederlinge disqualifiziert.„Love & Peace through
Tourism & Music“ wirbt Wandas Bussi-Kreuzfahrt. Wirklich obszön.

13.05.2016

02-Arena heißt jetzt Mercedes, und Lenin Lennon

Die Berliner Mehrzweckhalle am Ostbahnhof heißt seit letztem Sommer
bekanntlich nicht mehr „O2-Arena“, sondern „Mercedes-Benz-Arena“. Dieser
trostlose Ort ist eine stadtplanerische Bankrotterklärung, die sich demnächst
potenzieren wird, denn es ist jetzt ein ganzes Mercedes-Benz-Viertel um die
Halle herum geplant: eine weitere Halle mit etwas kleinerer Kapazität, eine
28-spuriges Luxus-Bowlingcenter, 10 bis 15 Cafés, zwei Hotels und Büros, und
selbstredend auch ein Mercedes-Flagship-Store 
– eben ein echter „Entertainment District“, wie die Anschutz
Entertainment Europe das neue Stadtquartier vollmundig bezeichnet. Und der
zentrale Platz heißt seit dem 1.Juli natürlich Mercedes-Benz-Platz, ohne
daß die Öffentlichkeit und die Bezirksversammlung da mitreden oder gar
mitentscheiden konnten, denn der Platz ist Privateigentum und gehört wie die
Mehrzweckhalle und die neu geplanten Gebäude, eben das ganze Viertel, der
Anschutz-Gruppe. Ein trauriges Beispiel der Privatisierung von öffentlichem
Raum und von Investorenarchitektur  nach
amerikanischem Vorbild.
Anderes, aber Ähnliches sah ich unlängst in Italien – in Florenz heißt die
einschlägige Konzerthalle, das ehemalige „Teatro di Firenze“, jetzt „OBI HaLL“
(das „a“ tatsächlich klein geschrieben, keine Ahnung, was das nun wieder zu
bedeuten hat).
„Gehen wir Rihanna schauen?“ „Klar, auf in die OBI Hall.“
Und Lenin heißt jetzt Lennon. Jedenfalls im ukrainischen Dorf Kaliny. Dies
teilte der Gouverneur von Transkarpatien mit. Im Zuge der „Dekommunisierung“
der Ukraine nach dem „Gesetz zur Verurteilung der kommunistischen und
nationalsozialistischen totalitären Regimes und zum Verbot ihrer Symbolik“
falle Lenin als Namenspatron für Straßen künftig aus, weswegen die Lenin-Straße
in Kaliny nun in Lennon-Straße umbenannt wurde.Ach, lieber Gouverneur von Transkarpatien, ich bitt, komm doch bitte mal nach Berlin und mach, daß das Mercedes-Benz-Viertel wenn schon nicht in Lenin-, dann doch wenigstens in Lennon-Viertel umbenannt wird! Von Transkarpatien lernen, heißt... Danke im Vorabbereich.

13.05.2016

Körperarbeit macht presenter im Alltag

Und wo
wir schon bei Skurillitäten aller Art sind: Im Berlin-Teil der „taz“ fand ich
eine Kleinanzeige.„Ich bin eine erfahrene
Physiotherapeutin und lerne im zweiten Ausbildungsjahr die Grinbergmethode,
eine Körperarbeit, in der ich euch zeige, euren Atem tiefer zu spüren“. Ich bin ja nun in den 70er Jahren
aufgewachsen und habe mich schon damals daran gefreut, daß die Deutschen alles,
was sie so tun, als „Arbeit“ bezeichnen müssen – wenn sie lieben, ists
„Beziehungsarbeit“, wenn sie einfach nur atmen, ists „Körperarbeit“.Doch die
„kostenlose Probestunde“ in der
Grinbergmethode wird schließlich so anempfohlen: „...in der ich euch zeige, presenter im Alltag zu werden.“Also
besser atmen, um im Alltag besser zu funktionieren, und wenn schon nicht
präsenter, dann doch presenter zu werden, als ein kleines
Selbstoptimierungsgeschenk gewissermaßen für all diejenigen, denen man nach
Grinbergmethoden-Arbeit dann in U-Bahn, Bus oder auf den Straßen so trifft...

13.05.2016

Ban Ki-moon über Flüchtlinge

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat Ende April im
österreichischen Parlament, also an geeigneter Stelle, etwas eigentlich
Selbstverständliches formuliert, das heutzutage jedoch eigens hervorgehoben
werden muß, in Wien, in Berlin, am Brenner und in Budapest oder Warschau: „Wir haben eine moralische und rechtliche Pflicht,
denen zu helfen, die vor Krieg, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung
fliehen. Es bereitet mir Sorge, daß europäische Länder nun eine zunehmend
restriktive Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik verfolgen. Solche
Politikkonzepte und Maßnahmen senden eine sehr negative Botschaft in Bezug auf
die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach dem humanitären Völkerrecht und
dem europäischen Recht aus.“

13.05.2016

Veganer Imbiß am Hermannplatz

Zur Eröffnung eines veganen Imbiß am Hermannplatz in Neukölln kamen fast
eintausend Menschen. Es gab ein Gedränge, daß die Polizei kommen und den
Verkehr regeln mußte.
Im Ernst jetzt? Im Ernst jetzt.
Der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop (aktuelles Buch „Ernährungswahn“)
erklärt das Phänomen im Gespräch mit Reinhard Jellen für „Telepolis“:
„Die Selbstoptimierer-Fraktion ist
naturgemäß empfänglich für den Ernährungswahn. Kontrolle über alles, über die
Blutwerte, über den Schlaf, über die Ernährung. Nicht zu unterschätzen ist der
Coolness-Faktor der Hipster. Das sieht man allein schon daran, dass im April bei
der Neueröffnung eines veganen Szenelokals in Berlin die Polizei wegen
Massenandrangs die Straße räumen musste. Hier ging es sicher nicht primär um
‚gesundes Essen’, sondern um ‚gesunde Präsenz’, also sehen und gesehen werden.
(...)
Frage: Könnten Sie sich vorstellen, dass darin auch der Wille zur sozialen
Abgrenzung nach unten als Motivationsmoment mit hineinspielt?
Uwe Knop: Die
Tatsache, dass die "coolen Esstrends" vorwiegend von gut gebildeten,
jungen Hipstern mit hohem sozioökonomischem Status in den Metropolen der
Republik ausgelebt werden, könnte darauf hindeuten. Ob gewollt oder unbewusst
sei dahingestellt. Soziale Abgrenzung nach oben und unten ist auf jeden Fall
ein Faktor bei der "Anders-Esser-Jugend", die über den Teller gegen
das Establishment rebelliert.“

13.05.2016

Veganer Fußball?

Was ich mich übrigens manchmal frage:
Dürfen Veganer denn Fußball schauen? Also, ich meine: gesinnungsethisch? Ist es
vertretbar?
Gut, heutzutage sind die Bälle nicht mehr aus tierischen Materialien, sondern
aus allen möglichen Kunststoffen, klar. Aber was machen die Veganer, wenn sie historische
Fußballspiele betrachten? Wenn urplötzlich ein sagenhaftes Tor von sagen wir
Stan Libuda aus dem Jahr 1966 oder 1969 im Fernsehen wiederholt wird? Als der
Ball definitiv noch aus Leder war? Wegschauen? Abschalten? Schnell zum
nächstgelegenen veganen Imbiß rennen und Kompensationsessen zu sich nehmen?
Und wie siehts mit Handball aus? Dort wird immer noch mit Lederbällen
gespielt... Schauen also alle veganen Ballsportfans ausschließlich Basketball
und Minigolf?

13.05.2016

Prince R.I.P.!

R.I.P. Prince!
Ich bin kein Fan von American Football oder der NFL und all dieses
Kommerzschmarrns, aber boy, was war das für eine Performance in strömendem Regen und Sturm vor
Hunderten von Millionen Zuschauern weltweit!
Kaum ein größerer Live-Künstler je als Prince.
Ich will den zahlreichen Nachrufen (sehr gut: Markus Schneider in der
"Berliner Zeitung" oder Tobi Müller auf SPON, Edo Reents in der „FAZ“
und Diedrich Diederichsen auf „Zeit Online“ und natürlich Klaus Walter im „Freitag“, selten dämliche BLÖDzeitungs-Schlagzeile "Jetzt weinen die Tauben" in
der SZ - was aber machen die Blinden? sie lesen Süddeutsche, nehme ich an...)
keinen weiteren hinzufügen. Nur kurz dieses:
Wir lernen von Prince: In der Musik (und ich möchte
hinzufügen: im Leben...) kommt es auf die Persönlichkeit an. Darauf, daß man
Risiken eingeht.
Wo die Musik spielt, ist LIVE! Es geht um die
Performance, um Charisma! Und ob die gespielte Musik Qualität hat. All das
zeigt dieser Ausnahmekünstler.
"Prince
never repeated himself. He always took risks. He demonstrated his influences.
He was about what felt right as opposed to what looked right. The business
rejected him, but the fans embraced him." (Bob Lefsetz)
"Purple Rain" ist nicht mein liebster
Prince-Song. Eher schon "Annie Christian", oder "Kiss",
oder "Have A Heart", oder „Sexy M.F.“ (muß hier abgekürzt werden,
weil Ihnen sonst wahrscheinlich die Email nicht zugeht...). Aber in
"Purple Rain" kommen diese wichtigen Zeilen vor, die man in diesem
merkwürdigen und mitunter recht scheißigen Musikgeschäft nie vergessen sollte:
"Hey, look me over
Tell me do you like what you see
Hey, I ain't got no money
But honey I'm rich on personality!"
Es kommt nicht aufs Geld an, Leute - es geht um
Persönlichkeit! Und eine der größten Persönlichkeiten der Musik unserer Tage
ist nun nicht mehr. Ich protestiere gegen den Tod von Prince!

13.05.2016

ZDF-aspekte bekommt Echo als "Partner des Jahres"

A propos ZDF-„Aspekte“ – wollen Sie wissen,
wer vom Lobbyverband der deutschen Musikindustrie mit dem „Echo“ als „Partner
des Jahres“ ausgezeichnet wurde? Eben: die „Aspekte“-Redaktion des ZDF.
Begründung:„Das traditionsreiche
TV-Format (...) zeichnet sich nach einem redaktionellen Relaunch als
erstrangige Plattform für aktuelle Musikthemen aus (...) Künstler und Labels
werten 'aspekte' als verlässlichen Partner..."Soll wohl heißen: Jetzt, wo „Aspekte“ keine anspruchsvolle
Kultursendung mehr ist, sondern undank des „Relaunch“ zu einem unerträglichen
und in aller Regel an Banalität kaum zu übertreffenden Plapperformat mutierte,
also zu einer Art „Kultur-Drehscheibe“, ist die Redaktion zu einem „verläßlichen Partner“, also zu einer
willigen Abspielstation für die Produkte der deutschen Musikindustrie
abgestiegen.Wer vom BVMI derart gewürdigt wird, dem kann man nur
Glück wünschen. Tiefer kann man, um es mit Flaubert zu sagen, in dem „Meer von
Scheiße, das den Elfenbeinturm umtost“, kaum mehr sinken...

13.05.2016

US-Vorwahlen: Clinton in New York

Die sogenannten
Vorwahlen, also dieses Theater, das seit ein paar Monaten in den USA unter
geballter Anteilnahme der staatstragenden deutschen Mainstreammedien von ARDZDF
bis SpiegelZeit stattfindet und mit Demokratie ungefähr so viel zu tun hat wie Pegida
und AfD mit Willkommenskultur, bietet ein paar schöne Eindrücke von der
Propaganda, die uns so umgibt.
Zum Beispiel: In den hiesigen Medien wird Bernie Sanders, ein
Präsidentschaftskandidat der Demokraten, ausnahmslos entweder als eine nicht
weiter ernstzunehmende Witzfigur oder als „Populist“ abqualifiziert. Über seine
Forderungen erfahren wir praktisch nichts, obwohl die ja nicht wirklich
„schlimm“ sind – eher sozialdemokratisch irgendwie, was in den USA natürlich
dazu führt, daß man sich mit derlei Forderungen als „sozialistisch“ bezeichnen
kann.
Oder: Seit Wochen hämmern uns die hiesigen Medien ein, daß Hillary Clinton
„klar in Führung“ liege – dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache:
Aktuell hat Clinton 1.700 Wahlleute gewonnen, ihr Konkurrent Sanders 1.410. Ein
Vorsprung, gewiß, aber geringer als der von Trump gegenüber Cruz und Kasich,
der uns ständig als „knapp“ verkauft wurde. Was Clinton den notwendigen 2.383
Parteitagsdelegierten näher kommen läßt, sind die 520 „Superdelegierten“, also
Leute aus der Nomenklatura der Partei, von niemandem gewählt, die sich aber
eben zum großen Teil der aus der Mitte des Establishments kommenden Clinton
zugewandt haben.
Noch übler wird das ganze, wenn man sich näher betrachtet, wie die Vorwahlen
der Demokraten in Wirklichkeit ablaufen. Beispiel New York: Dort errang die
Kandidatin Clinton mit 58 Prozent angeblich einen deutlichen Sieg über ihren
Rivalen Sanders, der nur 42 Prozent der Stimmen errang. Allerdings ist der Sieg
Clintons nur einem äußerst restriktiven und reichlich undemokratischem
Wahlverfahren zu verdanken. Bei dieser Vorwahl handelte es sich um eine quasi
geschlossene Veranstaltung, zu der ein großer Teil der Anhänger von Bernie
Sanders keinen Zugang hatte – es durften nur registrierte Wähler*innen der
Demokraten wählen gehen; der Termin für die Registrierung lief allerdings schon
im Oktober 2015 ab, zu einer Zeit also, da für die meisten Amerikaner*innen
Sanders noch ein unbeschriebenes Blatt war. „Im Klartext: Ein großer Teil der
Sanders-Anhänger konnte im Heimatland der Demokratie an dem demokratischen
Prozess nicht teilnehmen“ (Tomasz Konicz auf „Telepolis“). Drei Millionen
Menschen im Bundesstaat New York, die als „Unabhängige“ registriert sind, haben
ihr Recht auf eine Stimmabgabe in den Vorwahlen verloren, erklärte Sanders.
Hinzu kommt, daß es in einzelnen Wahlbezirken zu regelrechten Säuberungen der
Wählerlisten gekommen ist, wie sie in Bananenstaaten üblich sind; so wurden
rund 125.000 Wähler*innen in Brooklyn, dem Stadtteil, in dem Sanders geboren
wurde und aufwuchs, aus den Wählerlisten entfernt, ohne eine Möglichkeit zu haben,
sich wieder einzuschreiben – denn die Registrierungsfrist war ja im Oktober
2015...
All so etwas würde man gerne in den deutschen Qualitätsmedien lesen, die als
treuer Atlantiker derartige Fakten natürlich ebenso totschweigen wie die
Tatsache, daß Clinton in landesweiten Umfragen in den USA längst hinter Sanders
zurückgefallen ist und Sanders sogar gegenüber republikanischen Herausforderern
deutlich vor Clinton liegt. All dies sollen wir nicht erfahren. Das kann man
nur auf Telepolis
lesen...

22.04.2016

VG Wort hat Autoren bestohlen und will dafür ein Gewohnheitsrecht

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß die VG Wort (also praktisch
die GEMA der Autoren, Schriftsteller und Journalisten) seit zig Jahren
rechtswidrig die Hälfte der für die Urheber eingesammelten Urheberrechtsabgaben
an Verlage ausgezahlt hat.
Dieses systematische und illegale Übervorteilen (um es mal freundlich zu
formulieren) der Autoren wurde zwar von den Verwertern und der Politik seit
jeher verteidigt, stößt jedoch bei allen anderen Menschen auf Unverständnis.
Warum die Urheberrechtsabgaben, die in der Vergangenheit nicht nur auf
Leermedien und Kopien, sondern auch auf PCs, Drucker, Multifunktionsgeräte,
USB-Sticks, externe Festplatten und Brenner erhoben wurden, nicht nur an
Musiker, Autoren, Fotografen und Grafiker, sondern auch an Verleger flossen, die
im Populärmusikbereich in vielen Fällen nicht einmal Noten druckten, kann
jedenfalls niemand so recht erklären oder gar begründen. Der Chef des
„Börsenverbandes des Deutschen Buchhandels“ erklärt seine Unlogik mit Kosten
wie „Satz, Druck, Lektorat, Marketing,
Werbung und Vertrieb", also all dem, was ein seriöser Unternehmer in
seine Preisgestaltung mit einbeziehen würde, statt sie sich von den Urhebern zu
klauen. Peter Mühlbauer kommentiert auf „Telepolis“ süffisant: „Diese Dienstleistungen sind im Sinne des
Urheberrechts aber ebenso wenig Teile der eigentlichen Schöpfungen wie die
Imbisse, die ein Autor während der Schreibzeit regelmäßig zu sich nimmt. Wird
eines seiner Werke kopiert, hat ein Verlag deshalb ebenso wenig einen Anspruch
auf eine immer wiederkehrende Vergütung wie ein Imbissbudenbesitzer.“
Die Schriftstellerin Julia Franck redet in der „Zeit“ Klartext: „Ja, Verlage stehen unter wirtschaftlichem
Druck - aber warum soll es ausgerechnet das Geld der Autoren sein, das diesen Druck lindert? Warum
ausgerechnet das Geld der schwächsten Glieder in der Kette, die vom Verkauf eines
einzelnen Buches am wenigsten erhalten: 10
Prozent pro verkauftes Exemplar (Verlag und Handel müssen sich die
restlichen 90 Prozent teilen). Woher stammt die Überzeugung, dass unsere
literarische Landschaft ärmer wird, wenn die Verlage ihr Geschäftsmodell anpassen müssen,
während es offenbar wenig interessiert, dass das Durchschnittseinkommen von
Autoren im vergangenen Jahr etwa 19 000 Euro betrug?"Besonders drollig die Begründung des Buchhandels-Cheflobbyisten, es sei „seit dem frühen 19. Jahrhundert [...] geltendes Recht, die
Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften zwischen Verlagen und Autoren
aufzuteilen" – dumm nur, daß es im „frühen 19. Jahrhundert“ noch gar
keine Verwertungsgesellschaften gab...
Doch die Lobbyisten der Verwertungskonzerne geben natürlich nicht so leicht
auf. Michael Hanfeld hat in der „FAZ“ schon zum Sturm geblasen und gefordert,
die Verlage sollten „in der Politik für
Verständnis werben, daß sie weder Gegner der Autoren noch bloße Verkäufer,
sondern so etwas wie Miturheber sind und einen Anspruch haben“. „So etwas
wie Miturheber“? Wenn ein freier Autor also einen Text bei der „FAZ“ abgibt,
die bekanntlich „Total-Buy-Out“-Deals von ihren freien Autoren fordert (also:
alle Rechte bleiben bei der Zeitung, der Autor erhält bloß eine nicht allzu
üppige Einmalzahlung), der Text ein bißchen redigiert und gekürzt wird, dann
ist die „FAZ“ also gleich ein „Miturheber“?!? Selten so gelacht.
Und nachgerade unverschämt ist die Ansage des „Bundesverbandes Deutscher
Zeitungsverleger“, nun müsse man wohl seine „Akademie Berufliche Bildung“
schließen, die bisher „allein aus den
über die VG Wort erzielten Abgaben finanziert wird“ – was für ein
Geschäftsmodell – wir stehlen Geld, finanzieren davon etwas, wofür uns unsere
Profite zu schade sind, und wenn das gestohlene Geld eingezogen wird,
protestieren wir – ja, mit welchem Recht eigentlich? Einem Gewohnheitsrecht wie
dem ius primae noctis? Weil es quasi schon immer so war? Wie
durcheinander die Zeiten geraten sind, zeigt sich daran, daß ein linker
Verleger in der „FAZ“ allen Ernstes nach weniger Gesetzen, nach rechtsfreien
Räumen ruft – also gewissermaßen nach der Rücknahme all dessen, was seit der
Aufklärung und seit der französischen Revolution an Recht zugunsten der
Untertanen und gegen die Herren installiert wurde. Laßt uns die Werke
Montesquieus auf den Müllhaufen werfen und stattdessen den Neoliberalismus als
Feudalsystem ohne Gesetze akzeptieren! Im Wortlaut: „Wer die Freiheit der Kunst verteidigen will, sollte nicht immer nach
Gesetzen rufen, wenn Vertragsverhandlungen zwischen Autor und Verlag anstehen.
Beide sind natürlich Freunde, keine Feinde.“ World gone wrong.Auch die
Baumwollfarmer im Süden der USA beklagten einmal das Schicksal ihrer
untergehenden Geschäfte, sollte die Sklaverei abgeschafft werden... Als ob Axel
Springer, Bertelsmann, Gruner & Jahr und all die anderen jetzt plötzlich am
Hungertuch nagen würden, weil Autoren endlich das erhalten, was ihnen von
Rechts wegen zusteht und bisher zugunsten der Verlage veruntreut wurde.
Aber natürlich: Die große Koalition in Berlin und allen voran das
sozialdemokratische Traumpaar Plisch und Plum, also Sigmar Gabriel und Heiko
Maas, diese als Genossen verkleideten Lakaien der Bosse, werden schon dafür
sorgen, daß die Verlagskonzerne weiterhin ihre Schäfchen zulasten der Autoren
ins Trockene holen – wollen wir drauf wetten?
(notwendige Nachbemerkung: natürlich haben auch die kleinen Verlage bisher mit
den Einnahmen von der VG Wort kalkuliert. Und die Politik sollte sich rasch
Gedanken darüber machen, wie man die Arbeit kleiner Verlage seriös fördern
kann, ohne daß dies zulasten der Autoren geht.)

22.04.2016

Krebsgeschwüre des Weltfußballs

Kleine Preisfrage: Wen darf der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger
laut Entscheidung des Düsseldorfer Landgerichts ungestraft als „Krebsgeschwür
des Weltfußballs“ bezeichnen?

a)   
Katarb)   
den FC Bayern Münchenc)   
Red Bull Leipzigd)   
alle von den Golf-Diktaturen finanzierten
Fußballvereine (also von PSG bis ManCity)

Mehrfachnennungen
sind inhaltlich erwünscht, rechtlich allerdings ausgeschlossen.
Zu gewinnen haben wir hier nichts.

22.04.2016

ARD-Schlagerparade und steigende Zwangsabgaben

Das Seniorenfernsehen ARD macht am Samstagabend zur besten Sendezeit
wieder einmal kulturell äußerst anspruchsvolles Programm: „Das große
Schlagerfest“ ist am 16.April 2016 angekündigt. Untertitel: „Die überraschende
Show der Besten“!

„Überraschend“? Welche Künstler würden Sie in einer Sendung erwarten,
die auf ARD läuft und „Das große Schlagerfest“ heißt? Lauter Überraschungen,
nehme ich an, Überraschungen wie Andrea Berg, Heino, Roland Kaiser, Matthias
Reim, Nicole, Frank Schöbel oder Stefanie Hertel. Damit konnte nun wirklich
niemand rechnen...

Am gleichen Tag wurden die Ergebnisse der jährlichen Untersuchung
„Tendenzen im Zuschauerverhalten“ veröffentlicht, also der Studie zur
TV-Nutzung. Eine weitere Überraschung: Die Fernsehnutzung nahm im Jahr 2015
leicht zu auf im Durchschnitt sage und schreibe 223 Minuten täglich. Die über
60-Jährigen schauen dabei so viel TV wie nie zuvor, nämlich täglich 312
Minuten. Über fünf Stunden!

Anders ist es bei den jüngeren Zuschauern: Da ist der tägliche TV-Konsum
seit dem Jahr 2010 von 142 auf aktuell 118 Minuten gesunken. Vielleicht mögen
die Jüngeren ja die ständigen Schlagerfeste und das neue öffentlich-rechtliche
Heimatfernsehen nicht so sehr? Aber blechen müssen die Jungen wie die Alten:
Zwar schlägt die KEF aktuell eine geringfügige Senkung der
Rundfunk-Zwangsabgabe auf 17,20 € monatlich vor (die Politiker und ARD, BR und HR
wehren sich aber entschieden dagegen). In fünf Jahren soll der Beitrag dann auf 19,40 Euro
steigern, drohen ARD und ZDF. Die Öffis würden dann weit über 9 Milliarden Euro
jährlich beziehen – der teuerste abgabenfinanzierte Rundfunk der Welt!

Dafür produziert das deutsche Staatsfernsehen jährlich zwanzig Mal so
viele Sendeminuten, wie das Jahr Minuten hat, nämlich über zehn Millionen
Minuten. Und wer soll das alles sehen? Egal. Die Konsumquote, also das
Verhältnis von Sehdauer zu Programmangebot, beträgt für die
öffentlich-rechtlichen Programme heute etwa zwei Prozent. Hauptsache, wir
bezahlen all den öffentlich-rechtlichen Mist...

22.04.2016

taz-Popredakteur geht tanzen

Der taz-Musikredakteur empfiehlt eine Party
unter dem schönen Motto „Bitter Men, playing sweet Disco“ und der Aufforderung
„We drink, you dance“ mit den Worten: „Auf
in den Kampf!“ So sind sie, manche Popjournalisten, selbst wenn sie tanzen
gehen, ists für sie noch Kampf...

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