09.02.2016

SZ, Dudamel und Bolivar

Allerdings, darauf sollte man Gremliza noch hinweisen, hat die
„Süddeutsche Zeitung“ wahrlich anderes, Wichtigeres zu tun als sich um solche
Belanglosigkeiten zu kümmern. Erstens, siehe oben, sexistische und rassistische
Grafiken auf ihrer Titelseite zu publizieren. Und zweitens, sich im Feuilleton
um die Menschenrechte in Venezuela zu kümmern. Ihr Musikkritiker
Reinhard Brembeck beobachtet es jedenfalls mit Unbehagen, daß sich der derzeit
mit dem Simón Bolívar Symphony
Orchestra durch Deutschland tourende Dirigent Gustavo Dudamel zu den politischen und gesellschaftlichen Mißständen
in seiner Heimat Venezuela nicht
nur nicht äußert, sondern sich ganz im Gegenteil der Chavez-Regierung sehr
angedient hat: Beim Münchner Konzert erscheint „Dudamel im 'Sacre' als Vergöttlicher
eines Tanzes, der mit einem rauschhaft zelebrierten Todesopfer endet -
während zur selben Zeit in Venezuela wieder Morde und Entführungen stattfinden.
Aber daran denkt in München niemand. Das Publikum tobt wie bei einem Popkonzert. Kunst hat sich noch nie ernsthaft um die Grausamkeiten in der Welt
geschert." (zitiert laut „Perlentaucher“)

Ja, Kunst hat sich noch nie um die Grausamkeiten in der Welt geschert.
Das tut nur das SZ-Feuilleton. Weswegen selbiges ja auch beispielsweise bei
jedem Gastspiel eines US-Sinfonieorchesters immer darauf hinzuweisen pflegt,
daß in den USA die Todesstrafe herrscht. Wir könnens schon nicht mehr hören,.
gelt?

03.01.2016

Deutscher Pop 2015 und der kulturelle Medienmainstream

Und da
haben wir noch nicht mal von Bilderbuch, der Lieblingsband der etwa 30jährigen
freien Feuilleton-Autorinnen („aber der blonde Sänger ist doch soo süß!“... und
daran habe ich jetzt nichts erfunden, damit das mal klar ist), oder von Schnipo
Schranke gesprochen, die mit Wanda zumindest den Anti-Feminismus gemein haben,
was ihnen von Altherrenmagazinen wie dem „Stern“ das Siegel „haben einen Nerv getroffen“ einbringt –
denn wer heutzutage gesellschaftliche Errungenschaften der letzten vierzig oder
fünfzig Jahre in Frage stellt, gilt als „mutig“ und wird in neoliberalen Zeiten
für seinen „Tabubruch“ gelobt. „Wir
hatten niemals politische Gründe dafür, Musik zu machen und wir würden uns
niemals als Feministinnen sehen“, sagen Schnipo Schranke, oder: „Wir wollen unterhalten. Wer die Welt
verändern will, soll Vorträge halten“, Äußerungen, die so auch von Andrea
Berg oder Helene Fischer kommen könnten und einen neuen Standard setzen für
eine nicht nur unpolitische, sondern geradezu apolitische Haltung des aktuellen
Deutschpops, dem man mit Frank A. Schneider zurufen möchte: „Deutschpop halt’s
Maul!“ Die einen wollen endlich mal wieder so richtig und ohne Augenzwinkern
Macho sein können, die anderen wollen „niemals“ als Feministinnen oder
Weltveränderinnen gesehen werden. Banaler Weltzustimmungspop in finsteren
Zeiten.

„Die Stammesältesten von Intro,
Musikexpress und Spex sind sich einig“, berichtet Focus, und so können die Hinterherhinker von
Focus und Spiegel und der ARD dann nachziehen und sich ebenfalls auf das
einigen, auf was sich eben alle einigen. Es besteht ein Überfluß an Musik, die
trotz ihrer extremen Mäßigkeit ein großes Presseecho findet. Und zwar deswegen,
weil Musikmarketing und Musikkritik dabei sind, ineinander überzugehen (wie der
US-Filmkritiker Jonathan Rosenbaum schreibt, nur eben über Filmkritik und Filmmarketing...).
Die Eskapaden und vermeintlichen Tabubrüche der Künstler (Schnipo Schranke machen
die Charlotte Roche on pop und singen davon, daß der „Genitalbereich nach Pisse
schmeckt“, oder reimen „komm in meine Arme, komm in meinem Mund / nimm mich an
der Hand, nimm mich an der Wand“) und der wirtschaftliche Erfolg beherrschen
die Berichterstattung. Haben Sie in irgendeiner Musikzeitschrift oder einem
Feuilleton eine detaillierte und fundierte Kritik des neuen Adele-Albums
gelesen? Natürlich eher nicht. Während sie allüberall darüber unterrichtet
wurden, daß Adele alle Charts- und Verkaufserfolge getoppt hat. Die nicht
vorhandene kulturelle Relevanz wird durch eine wirtschaftliche Relevanz, durch
wirtschaftlichen Erfolg, durch Profit ersetzt. Aber  glauben Sie, daß irgendein Song von Adele bleiben wird, daß man ihn in Jahrzehnten
noch singen oder die Melodie summen wird? Es ist alles so bedeutungslos, und
das ist vielleicht die einzige Bedeutung, die all die Adeles, Bilderbücher,
Schnipo Schrankes und Wandas unserer Tage haben..

Cristina
Nord hat im „Revolver“-Blog unlängst über Filmkritik und Filmwirtschaft
nachgedacht, und man kann ihre klugen Bemerkungen unter dem Titel „Der Tiger auf dem Baum“ fast eins zu
eins auf Musikwirtschaft und Musikkritik übertragen:„...Filmkritik hat umso weniger
Freunde, je weiter sie vom Pfad des Blockbuster-Kinos abweicht. Das hat zu tun
mit etwas, was man recht allgemein Strukturwandel der Öffentlichkeit nennen
kann – konkreter bedeutet es zum Beispiel, dass sich die Feuilletons heute mehr
als vor 20 Jahren an Ereignissen und Events ausrichten, an dem, was ohnehin
durch großflächige Marketingmaßnahmen präsent ist. "Star Wars",
"Der Untergang" und "München" bündeln die Aufmerksamkeit
(...) Zu dieser Kurzatmigkeit kommt ein Verschulden der Kritiker, haben doch
viele von ihnen gar keine Lust, sich auf unerschlossenes, unwegsames Terrain zu
begeben.“

Und
Cristina Nord zitiert Roland Barthes, der in „Stumme und blinde Kritik“
schrieb:„In Wahrheit ist jeder Vorbehalt
gegenüber der Bildung Ausdruck einer terroristischen Position. Den Beruf eines
Kritikers ausüben und verkünden, dass man nichts vom Existentialismus oder
Marxismus verstehe (denn durch eine ausdrückliche Feststellung sind es
insbesondere diese beiden Philosophien, von denen man sagt, dass man sie
nicht begreife), heißt seine eigene Blindheit oder seine eigene Stummheit als
universale Regel der Wahrnehmung aufstellen, heißt den Marxismus und den
Existentialismus aus der Welt verbannen: ‚Ich verstehe es nicht, also seid ihr
dumm.'"

(Und
sorry, lieber „Musikexpress“, aber man nicht gleichzeitig den klugen, tiefen
und politischen HipHop eines Kendrick Lamar auf Platz 1 der „Alben des Jahres
2015“ setzen, und dann auf den Plätzen 2 und 3 den reaktionären Schmarrn von
Wanda und Bilderbuch. Man muß sich schon entscheiden, wo man stehen will, meine
Herren!)

03.01.2016

Star Wars - Hampelmänner die deutschen Feuilletions sind

Ein
noch besseres Beispiel der Verschränkung des eingebetteten Kulturjournalismus
mit der freidrehenden Kulturindustrie ist das Gewese um den neuen „Star
Wars“-Film. Es gab diesmal keine Vorabvorführung für Journalisten, bis zum
weltweiten Veröffentlichungstag hat praktisch niemand den Film gesehen. Was die
deutschen Feuilletons nicht daran hinderte, seitenlang steil zu gehen. Wenn sie
nicht über den Film schreiben konnten, den sie eben noch nicht sehen durften,
ergingen sie sich eben auf vielen Seiten in Aufsätzen über Geschichte und
Mythologie von Star Wars. Musterbeispiel ist das Zentralorgan der deutschen
Studienrät*innen: Fand „Die Zeit“ 1978 den ersten Star Wars-Film noch „ziemlich öde und langweilig“ und
geißelte ihn als „eiskaltes Spekulationsobjekt“,
so brachte das „Zeit“-Feuilleton diesmal schon eine Woche vor der Filmpremiere
einen anderthalbseitigen Aufmacher und bewies, daß das Hamburger Blättchen sich
eben auch nur als Teil der Marketingkampagnen der Kulturindustrie definiert, auf
deren „eiskalte Spekulationsobjekte“ man eben gerne in vorauseilendem Gehorsam ausführlichst
eingeht.Bloße Hampelmänner
der Kulturindustrie die deutschen Feuilletons sind.

03.01.2016

Gitarrenklänge zur Ehre Gottes - Popmusikstudium bei der Evangelischen Kirche

Gitarrenklänge
zur Ehre Gottes?Ein
neuer Studiengang soll Rock, Pop und Jazz in die evangelischen Kirchengemeinden
bringen: Die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) plant einen Studiengang
für „Kirchliche Populärmusik“. Laut Bericht in der „Neuen Westfälischen“ sollen
„die christlichen Inhalte mit Rock, Pop,
Jazz und Gospel auf einem hohen musikalischen Niveau vermittelt werden“.
Diese Evangelische Pop-Akademie ist ein europaweit einmaliges Projekt.„Zwar gehört in vielen Gemeinden
Popmusik schon dazu, doch eine Ausbildung, die eine gute musikalische Qualität
sichert, gab es bislang nicht. Präses Annette Kurschus: ‚Gitarren und Keyboards
wurden lange belächelt. Ich bin überzeugt, wenn die populäre Kirchenmusik mit
Niveau gemacht wird, werden wir merken, dass sie eine wichtige ernstzunehmende
Stimme für uns ist.’ Popmusik ziehe sich quer durch die Gesellschaft und
betreffe damit auch die Generationen, die momentan auf den Kirchenbänken
sitzen, sagt der stellvertretende Rektor der Hochschule, Hartmut Naumann: ‚Die
populäre Musik hat das Potenzial, diese Menschen zu berühren’.“Die
Kirchen, die an Mitgliederschwund fast so sehr leiden wie die deutsche
Sozialdemokratie an Wählerschwund, schrecken vor nichts zurück. Sakro-Pop wird
also künftig an evangelischen Pop-Akademien gelehrt. Ob sie Deutschlands
obersten Sakro-Popper Xavier Naidoo als Gastdozent gewinnen werden? Vom Himmel
hoch, da kommen sie her, aktuell etwa Helene Fischer im Duett mit Xavier Naidoo
auf Deutschlands meistverkauftem Album des Jahres.Als ob
die normalen Pop-Akademien nicht schon genug Schaden anrichten würden, nein,
künftig kommen all die Diplom-Popper auch noch mit Gottes Segen daher. John
Lennon wird an der Evangelischen Pop-Akademie jedenfalls verboten bleiben. Sie
wissen schon: „Imagine that there was no more religion“...

03.01.2016

Sarah Connor & Engel

Ebenfalls
als Gastdozentin für die Evangelische Pop-Akademie infrage kommt Sarah Connor.
Die erzählte dieser Tage einem Klatschreporter, daß sie regelmäßig beim
Autofahren Engel rufe – etwa, wenn sie einen Parkplatz sucht. Wird dann ein
Parkplatz frei, „hat sicher einer von oben
geholfen“, sagte Sarah Connor der Zeitschrift „InTouch“.Könnte
natürlich auch sein, daß einfach ein anderer Autofahrer ausgeparkt hat...

03.01.2016

Kirchen dominieren Alltag

Trotz
schwindender Verankerung in der Gesellschaft beeinflussen die Kirchen nicht nur
mit ihrem Sakro-Pop viele Bereiche unseres Lebensalltags maßgeblich, wie jüngst
eine Studie „Kirchenrepublik Deutschland“ bewiesen hat. Ingrid Matthäus Meier
(ehemalige FDP- und SPD-Spitzenpolitikerin und Beiratsmitglied der
Giordano-Bruno-Stiftung, die diese Studie mit in Auftrag gegeben hat) dazu im
Interview mit der „Jungen Welt“:„Die Machtstellung der Kirchen ist
vor allem auf umfangreiche Lobbyarbeit zurückzuführen. (...) Keine Organisation
und kein Wirtschaftsunternehmen setzt mehr Personal dafür ein, auf die Politik
einzuwirken, als die beiden großen Kirchen, obgleich sie ins sogenannte
Lobbyistenregister nicht eingetragen sind. Sie bestreiten das und behaupten,
eine öffentliche Körperschaft zu sein, keine kommerziellen Interessen zu
vertreten. Was lächerlich ist. Die Kirchensteuer und ihr riesiges Grundvermögen
– nach dem Staat sind sie der zweitgrößte Grundbesitzer in Deutschland –
zeigen: Katholiken und Protestanten mischen sich ein. Meist, bevor eine
Entscheidung in die politische Diskussion kommt: nahezu geräuschlos, aber
ständig und vehement in Vorgesprächen, Arbeitskreisen zu Staat und Kirche,
Gebetsfrühstücken. Sie laden Professoren ein, sind Beichtvater vieler
Abgeordneter, hören Dinge, die andere nicht wissen können. Sie werden von der
Ministerialbürokratie informiert, können schnell reagieren. (...) In unserer
Verfassung steht, es gibt keine Staatskirche. Tatsächlich haben wir bereits
zwei. Die beiden großen Kirchen bemühen sich, den Islam hinzuzugewinnen. Sie
meinen offenbar, Privilegien besser verteidigen zu können, wenn sie zu dritt
sind.“

03.01.2016

Talkshow der Querdenker

Wofür
zahlen wir Fernseh-Zwangsgeld? Für Talkshows wie diese: „Das Quartett der
Querdenker“ stabreimt „Menschen bei Maischberger“, und diejenigen, die den
doofen Begriff des „Querdenkers“ erfunden haben und/oder ihn so gerne nutzen,
wußten und wissen, was sie tun und wie es gemeint ist – das Quartett der
öffentlich-rechtlichen Querdenker nämlich besteht aus: Thomas Gottschalk! Alice
Schwarzer! Daniel Cohn-Bendit! Heiner Geißler!Zombie-Fernsehen
zur Geisterstunde.

03.01.2016

Klimakonferenz Paris

Glaubt
eigentlich jemand daran, daß diesen Monat in Paris bei der Klimakonferenz die
Erde gerettet wurde? Na, versch...ern können wir uns doch selber, oder? Mal
abgesehen davon, daß das Pariser Abkommen nicht auf gemeinsam ausverhandelten
Verpflichtungen, sondern auf bloßen Absichtserklärungen der Länder baut. Selbst
wenn die Länder diese Verpflichtungen umsetzen würden (woran ernsthaft
gezweifelt werden darf, unmittelbar nach der Konferenz haben in den USA, dem
weltgrößten Klimasünder, die Republikaner, die in beiden Kammern über eine
satte Mehrheit verfügen, bereits verkündet, sie würden die Pariser
Vereinbarungen keinesfalls umzusetzen gedenken), reichen die beschlossenen
Maßnahmen laut Einschätzung aller relevanten Umweltschützer keinesfalls, um den
Klimawandel in Schach zu halten.Das
beschlossene dünne Papierchen sieht keinerlei Sanktionen vor, wenn sich Länder
nicht an die beschlossenen Maßnahmen halten.Warum
uns also die Ergebnisse der Klimakonferenz als gigantisches Heldenepos verkauft
wurden, bleibt rätselhaft (bzw. allzu durchsichtig). Und so setzen sich die grünwählenden
Mütter am Morgen nach der Klimakonferenz in ihre benzinverschwendenden SUVs (denn
Öl ist billig wie lange nicht...) und fahren ihre Kinder zur wenige hundert
Meter entfernten Schule, und die engagierten Naturschützer*innen buchen den
nächsten Wochenendflug per Easyjetset. Wir können beruhigt sein. Wir haben ein
gutes Gewissen. Die Erde ist gerettet.

03.01.2016

Smog in China & Indien

Nur in
China gibt’s Smog. Das konnten wir zuletzt täglich in den Medien erfahren. Und
wer mal ein paar Tage im Beijinger Smog war, weiß, daß das kein Vergnügen ist.

Andrerseits,
im österreichischen „Standard“ vom 10.12.d.J. konnte ich etwas lesen, was ich
in keiner deutschen Zeitung bisher gelesen habe, nämlich: In Indien ist der
Smog „noch schlimmer als der Pekinger Smog“, und während Peking und weitere
Städte in China wegen des Smogs Alarmstufe Rot ausgerufen haben, gibt es „in
Indiens Hauptsatdt Delhi nicht einmal ein Warnsystem – und das, obwohl Delhis
Luft inzwischen noch schlechter ist.“ Während der Luftqualitätsindex in Beijing
den Wert 258 anzeigte, worüber hierzulande alle Medien ausführlichst
berichteten, lag er in Delhi um die gleiche Zeit bereits bei 286. „Besonders
bei den krebserregenden Kleinstpartikeln von weniger als 2,5 Mikrometer
Durchmesser leigt Delhi weltweit vorn. An vielen Tagen sind die Werte so hoch,
daß eigentlich die halbe Stadt sofort evakuiert werden müßte. (...) Immer mehr
Ärzte raten Familien sowie Lungen- und Herzkranken, aus der Hauptstadt wegzuziehen.“

Von den
zehn am meisten umweltverschmutzten Städten der Erde liegen übrigens sieben in
Indien (und drei in Pakistan; keine in China). Warum aber erfahren wir nichts
über den Smog in Indien, wohl aber ständig über den Smog in China? It’s propaganda,
stupid! Sie wissen schon: in China wohnen lauter böse Kommunisten, Zensoren und
Parteibonzen. Während Indien voller Ayurveda, Yogis und Ashrams ist, also all
dem Kram, der „uns“ so viel besser gefällt als jeder Kommunismus. Da können auf
Indiens Straßen noch so viele verhungerte Menschen herumliegen...

03.01.2016

Sigmar Isnogood Gabriel

Und die
SPD? Und ihr Chef, Siggi Pop? Der markiert weiter den emsigen Isnogood, der
Kalif werden will anstelle der Kalifin. Zwar will den kleinen, emsigen Insogood
partout niemand wählen, nicht einmal viele in seiner eigenen Partei. Das
stachelt den Isnogood aber nur noch mehr an: TTIP? Machen wir! Vorratsdatenspeicherung?
Machen wir! Syrien bombardieren? Machen wir mit! Abkanzeln bevorzugt von
weiblichen Journalisten? Machen wir immer wieder gern! Obergrenze für
Flüchtlinge? Auf jeden Fall!Denn
Wahlen, hat Isnogood seiner Partei verkündet, Wahlen werden nicht mit Politik,
sondern „in der Mitte“ gewonnen. Nur hat der kleine, emsige Isnogood, der Kalif
werden will anstelle der Kalifin, leider übersehen, daß dort in der Mitte schon
alle anderen rumlungern: Die Kalifin, die grünen Möchtegern-Kalifen, die FDP
zum Beispiel. Aber so weit kann der kleine, emsige Isnogood eben nicht sehen.

03.01.2016

Karl Marx-Musical und der Prinz

Karl
Marx dagegen ist für den kleinen Isnogood ein ganz ganz böses Schreckgespenst,
wollen wir wetten? Nicht so allerdings für Tobias Künzel von den „Prinzen“. Der
hat mit anderen Autoren ein Musical namens „Comeback! Das Karl-Marx-Musical“
geschrieben, das im Februar 2016 auch im Keller des Europacenters in Berlin
gastiert, bei den Stachelschweinen – was für ein glamouröser Ort – aber zu mehr
hat es für dem Prinzen sein Musical offenbar nicht gereicht. Doch wie hat sich
Tobias Künzel die Inspirationen für sein Marx-Musical geholt? Nicht etwa, wie
Sie jetzt vielleicht denken würden, durch Marx-Lektüre, durch Teilnahme an
einem Marx-Lesekreis etwa, oder durch intensive Recherchen. Nein, der
Gesellschaftsreporter der „Berliner Zeitung“ hat es Künzel entlockt: Künzel
ging mit seinen beiden Mitautoren in London „in
der Hoffnung auf Inspiration zum Grab von Marx und in dessen Stammkneipe“.Wer
nicht lesen kann, aber dennoch unbedingt ein Marx-Musical auf die Bühne bringen
will, hockt am Grab und in der Pinte rum und läßt sich volllaufen. Muß auch
reichen, die Inspiration wird dann schon kommen. Ist ja nur ein Musical, ist ja
nur Murx.Marx’
Gespenster freilich dürften den Tobias Künzel eher nicht heimsuchen...

03.01.2016

Wu Tang Clan & Hedge Fonds-Manager

Ist es nicht
empörend, daß der Wu-Tang-Clan sein jüngstes Album für eine Million dem
umstrittenen Pharmaunternehmer und ehemaligen Hedgefonds-Manager Martin Shrkeli
verkauft hat? In Zeiten, da das Musik-Streaming eine gewisse Gleichheit, eine
Art demokratischer Teilhabe an der Musik ermöglicht, verkauft eine der tollsten
aktuellen Bands seine Musik an einen Pharma-Tycoon, der dafür gesorgt hat, daß
sich der Preis eines AIDS-Medikament, seitdem er die Rechte an diesem
Medikament erworben hat, um das fünfzigfache von 13,50 auf 750 Dollar erhöht
hat. Und mit diesem Profit hat er unter anderem die Auktion um das Werk des
Wu-Tang-Clan gewonnen, das er sich jedoch noch nicht mal angehört hat. Dazu
wird er jetzt auch nicht mehr kommen, denn manchmal gibt es Gerechtigkeit in
der Welt: Jetzt wurde Martin Shrkeli festgenommen und muß sich wegen
Wertpapierbetrugs aus seiner Zeit als Hedgefondsmanager verantworten.

03.01.2016

Buch- und Zeitschriftenverlage, Autoren & das Urheberrecht

Interessant
ist, wie die Kulturindustrie gegen die kleinen Reförmchen, die die
Urheberrechtsnovelle von Justizminister Maas beinhaltet, ins Feld zieht. Insbesondere
die Möglichkeit, daß Urheber künftig fünf Jahre nach Vertragsabschluß die
Gelegenheit haben sollen, ihre Werke an andere Unternehmen der
Verwertungsindustrie zu verkaufen, erbost die Verwerter. Großverleger
behaupten, dies sei eine „Ausgeburt neoliberaler Logik“ und entlarven sich
damit selbst. Ich will jetzt nicht die Urheberrechts-Reform verteidigen, weil
sie nicht weit genug geht und weit von meinem Vorschlag einer
Urheberrechts-Reform entfernt ist (siehe u.a. hier) – ich habe gefordert, daß
das Urheberrecht nach einem festzulegenden Zeitraum von z.B. fünf oder acht
Jahren automatisch an die Urheber zurückfallen sollte (und dann neu verhandelt
werden kann). Dies ist gängige Praxis bei vielen Indie-Plattenfirmen und hat
nicht etwa dazu geführt, daß alle Bands weggelaufen sind, sondern daß
diejenigen, die sich gut behandelt und fair bezahlt fühlten, gerne einen
Folgevertrag mit ihrem Label unterschrieben haben.

Das scheint
mir das eigentlich Pikante an dem Aufstand der Verwerter und der ihnen hörigen
Bestsellerautoren zu sein: Ein vertrauensvolles
Verhältnis zwischen Urheber und Verwerter scheint ihnen eine wesensfremde
Vorstellung zu sein. Dabei ist es doch das entstandene Vertrauen, das in der
Beziehung zwischen Autoren und Musikern auf der einen und Verlagen und
Plattenfirmen auf der anderen Seite eine langfristige Partnerschaft ermöglicht
– aber eben: eine Partnerschaft, bei
der sich die Urheber auf Augenhöhe
mit den Verwertern bewegen und nicht als deren Spielball, der auf unbestimmte
Zeit zu einmal festgelegten Bedingungen ausgebeutet werden kann. Die Basis der
Partnerschaft sollten gesetzliche Regelungen sein, die die Rolle der Urheber
stärken. Schon der Dominikanermönch Henri Lacordaire wußte Mitte des 19.
Jahrhunderts in Nachfolge des Aufklärers Rousseau, daß es „zwischen dem Starken und dem Schwachen das Gesetz“
ist, „das befreit“.

Und
wenn die Verleger und ihre Lohnschreiber in den Printmedien derzeit behaupten,
daß diese Regelung im neuen Urheberrecht zum „Sterben vieler kleiner Verlage
führen“ werde (was für ein ausgemachter Blödsinn!) und sogar „unsere (sic!)
Demokratie gefährdet“, dann darf man sie mit den Schriftstellern Juli Zeh und
Ilija Trojanow darauf hinweisen, daß es absurd ist, den „klassischen
Interessengegensatz ‚Autor-Verlag’ auf die Beziehung ‚Autor-Leser’ zu
verlagern. In der Logik des Arbeitskampfes wäre das so, als wollte ein
Fließbandarbeiter bei Opel sein Recht auf Bezahlung gegen die Autokäufer
verteidigen“.
Es ist ja durchaus so, daß Verlage und Autoren sowohl unterschiedliche als auch
gemeinsame Interessen haben. Und wenn die „Süddeutsche Zeitung“ behauptet, daß
die geplante Neuregelung eine „strukturelle Schwächung der Verlagsseite“ bedeute,
die dazu führe, daß man „auf dem künftigen Markt allein mit den Global Playern“
sei, die „als Distributor oder Suchmaschine begonnen haben, aber mehr und mehr
ins klassische Verwertergeschäft – auch in der Buchbranche – einsteigen“, dann
wird man fragen dürfen, ob die Global Player des Buchmarkts nicht zuallererst
Bertelsmann und Holtzbrinck sind.
Den Vogel abgeschossen hat Jan Wiele in der FAZ (das ist jene Zeitung, die
freien Autoren ausschließlich sogenannte „Buy Out“-Verträge anbietet, was
konkret bedeutet, daß diese Autoren einmal ein relativ mittelmäßiges Honorar
erhalten und der Text dann für alle Zeiten der FAZ gehört, die ihn allüberall
verwerten und ausbeuten darf – würde der Autor zum Beispiel seinen eigenen Text
in einem Buch abdrucken wollen, müßte er für seinen Text ein Honorar an die
„FAZ“ bezahlen – kein Wunder, daß es keinen einzigen freien Autoren gibt, der
sich bisher gegen die neue Gestzesregelung ausgesprochen hat, die endlich
verbindliche Vergütungsregelungen beinhaltet...). Jan Wiele erklärt die Verlage
in der „FAZ“ gleich zu Co-Autoren, zu „ im Grunde Miturhebern“. Weil sie die
Texte der Autoren drucken? Weil sie Lektoren vermitteln, die mittlerweile
häufig von den Autoren (mit-)finanziert werden müssen? Viel Spaß wünsche ich der
„FAZ“, wenn sie einem Bob Dylan erklären wird, daß seine Plattenfirma Sony
eigentlich ein „Miturheber“ seiner Songs ist... Aber nichts ist absurd genug,
um nicht gegen im Grunde vernünftige Gesetzesentwürfe in Anschlag gebracht zu
werden.
„Nie wieder Streit / Kein Copyright / Nie wieder Krieg / Und nie mehr Musik!“
(The Schwarzenbach)

03.01.2016

Copyright Diederichsen & Renée Green Wien

Eine
interessante und pikante Umsetzung des Copyrights konnte man in der – übrigens
sehr empfehlenswerten – Wiener Ausstellung „to expose, to show, to demonstrate
(Künstlerische Positionen um 1990)“ sehen. Während man alle Exponate in den
drei Stockwerken im Mumok fotografieren durfte, war das bei der Arbeit
„Import/Export Funk Office“ der afroamerikanischen Künstlerin Renée Green von
1992 explizit verboten. Was wird dort gezeigt? Renée Green bediente sich bei
ihrer Installation der privaten Sammlung des damaligen Spex-Herausgebers
Diedrich Diederichsen, der mit seinem Interesse an „ihrer“ schwarzen Musik- und
Popkultur sowohl Mitstreiter als auch Counterpart war, was seine Identität als
weißer Europäer betraf. Auf Metallregalen stellt Green Bücher der „black
culture“ aus dem Privatbesitz von Diederichsen aus, oder eine Auswahl der
HipHop-Tapes aus seinem Besitz.Warum
man dies nicht fotografieren darf, warum extra eine separate Wächterin dafür
sorgt, daß die Bücher und Tapes aus Diedrich Diederichsens Privatbesitz nicht
fotografiert werden können, würde man doch gerne erklärt bekommen – die
Auskunft des freundlichen Personals lautete einfach: „Copyright“...

08.07.1905

Schadstoff, Diesel, Automobilindustrie

Die
Schadstoffbelastung der vielbesungenen Berliner Luft ist allerdings auch nicht
ohne. Greenpeace hat im Herbst die Belastung der Berliner Luft mit giftigen
Stickstoffdioxiden (NO2) ermittelt; EU-weit darf ein Kubikmeter Luft
im Jahresdurchschnitt maximal 40 Mikrogramm NO2 enthalten. Von den
41 Stellen in Berlin, die Greenpeace untersucht hat, überschritten laut
„Tagesspiegel“ 33 diesen Grenzwert, fünf von ihnen um mehr als das Doppelte. „Berlin verletzt wie andere Großstädte,
allen voran Stuttgart und München, seit Jahren an verkehrsreichen Messstationen
die Vorgabe der EU“.Doch
die gefährlichen Abgase atmet man eben nicht nur auf vielbefahrenen Straßen ein
– „der Dieseldreck macht auch vor heimischen
Schlafzimmern und Kitas nicht halt“. Die Luft in einer Kita, die an einer
verkehrsberuhigten Straße in Berlin-Mitte gelegen ist, lag bei 48 Mikrogramm NO2,
also 20% über dem Grenzwert. Greenpeace hat auch auf „Kleinkindnasenhöhe“
gemessen, etwa an Spielplätzen, wo bis zu 69 Mikrogramm NO2 gemessen
wurde. Ähnlich sah es in Klassenräumen von Schulen aus.Wie
entsteht das für den Menschen so schädliche NO2, das zu einem
deutlich höheren Risiko für Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin
zu erhöhter Sterblichkeit führt? Ganz einfach: Dieselfahrzeuge sind der
Hauptverursacher dieser Luftverschmutzung. Mittlerweile steht fest, daß nicht
nur der Volkswagen-Konzern systematisch die Werte der NO2-Ausstöße
seiner Dieselmotoren manipuliert hat, sondern daß es auch bei den Dieselmotoren
anderer Hersteller entsprechende „Unregelmäßigkeiten“ gab.Eigentlich
kann die Gesundheitsgefährdung der Bürger*innen, vor allem aber der Kinder
durch die NO2-Emissionen durch die Abschaffung der skandalösen
Steuererleichterungen für Dieselfahrzeuge und durch drastische Maßnahmen bis
hin zu Verboten für Dieselfahrzeuge erreicht werden. Doch der Pressesprecher
der Berliner Umweltbehörde winkt ab: „Das
ist rechtlich nicht möglich, und auch unverhältnismäßig, weil der Wirtschaftsverkehr
in Berlin, zum Beispiel Lieferwagen, fast ausschließlich mit Diesel unterwegs
ist.“ Und da die Deutschen ihr Auto lieben, und weil Diesel so billig ist,
und weil die Autolobby die Politik massiv unter Druck setzt, und weil „die
Wirtschaft“ natürlich wichtiger ist als irgendwelche Menschenleben, werden also
weiter die EU-Schadstoffwerte drastisch überschritten, wird die Gesundheit der
Kinder gefährdet – denn was ist wichtiger? Kinder mit Asthma und an Lungenkrebs
sterbende Großstädter, oder das Wohl der deutschen Automobilindustrie?

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