03.04.2016

Hillary Clinton läßt speisen

Hillary
und Bill Clinton sowie George Clooney haben zu einem Unterstützungs-Dinner für
Hillary Clintons Präsidentschaftswahlkampf eingeladen. Kostenpunkt: 353.000 Dollar.
Pro Gast.Das
Essen war im Preis ebenso inbegriffen wie ein „unverhältnismäßiger Einfluß auf den politischen Prozeß“, wie
Bernie Sanders anmerkte.

21.03.2016

Steve Reich, Kölner Philharmonie, Mutbürger, Reaktion...

Im Rahmen eines Kölner
Abonnementkonzerts von Concerto Köln spielte der in England lebende iranische
Cembalist Mahan Esfahani neben Werken von Johann Sebastian und Carl Philipp
Emanuel Bach auch Werke von Fred Frith und Steve Reich. Bei seiner
Interpretation von „Piano Phase“ von Steve Reich kam es zum Skandal. Piano
Phase ist eine minimalistische Komposition von 1967, zwei „Klangfäden“ aus
stets wiederholten kurzen Tonfolgen in h-moll driften, da sie in geringfügig
unterschiedlichen Tempi gespielt werden, auseinander, wodurch es zu immer neuen
Interferenzen kommt. Esfahani spielte eine Tonfolge an seinem Cembalo, die
andere kam vom Tonband, er hatte sie vorher eingespielt. Ein interessantes
Stück Minimalismus.

Doch das Stück konnte in der
Domstadt nicht zu Ende aufgeführt werden. Teile des Publikums lachten,
klatschten, pfiffen und machten andere Geräusche, nach etwa sechs Minuten des
circa sechzehn Minuten langen Stücks so laut, daß der Cembalist seine
Darbietung abbrechen mußte. Esfahani fragte das Publikum: „Why are you afraid?“
Warum und wovor haben Sie Angst? Der pöbelnde Anteil des Publikums antwortete:
„Reden Sie gefälligst deutsch!“ Denn, Merke: in der Kölner Philharmonie wird
immer noch deutsch gesprochen. Das wird man einem aus dem Iran dahergelaufenen
Cembalisten ja wohl noch sagen dürfen.

Was ist nun das Besondere
an diesem Vorfall? Pegida im klassischen Konzertsaal? Gemach. Es ging um eine
Art „Machtdemonstration jener
Kulturbürger, denen der Sonntagnachmittag heilig ist“ (Arthur Buckow). Hier
haben sich konservative Wutbürger erregt, die Angst vor Veränderung, Angst vor
Neuem haben, selbst wenn das Neue schon fast fünfzig Jahre alt sein mag. Dieser
Reflex ist nicht neu; neu ist lediglich, daß sich diese konservativen Lümmel mit
ihrem reaktionären Gepöbel jetzt aus der Anonymität des bürgerlichen
Stillseins, das in den  Konzertsälen
Brauch ist, hervorwagen wie die Ratten aus ihren Löchern. Ermöglicht wird
solcherart Pöbelei vom medialen Grundton, der seit dem sogenannten „Flüchtlingsproblem“
in den bürgerlichen Medien regiert und von Leuten wie Sloterdijk oder Safranski
orchestriert wird, also dieser antimodern, antizivilisatorisch und
fremdenfeindlich wabernde Sound, der mittlerweile auch aus Suhrkamp-Bändchen
quillt.

Und es ist natürlich kein
Zufall, daß derartige antimoderne Machtdemonstrationen ausgerechnet in Köln
stattfinden. Dazu, wie die Stadt Köln den öffentlichen Raum kapitalisiert und
zur Bühne privater Events abgewirtschaftet hat, hat Felix Klopotek im März-Heft
von „Konkret“ alles Notwendige gesagt. Dazu passen letztlich die jüngsten
Schlagzeilen aus Köln, die von einem „Abi-Krieg“ rivalisierender Gymnasien
berichten, der derart außer Kontrolle geraten ist, daß sogar Jugendliche schwer
am Kopf verletzt wurden. „Überrascht
haben mich die Ausschreitungen in Köln nicht“, sagt laut „FAZ“ die
Kulturwissenschaftlerin Katrin Bauer, die erklärt, daß „in keiner anderen Stadt die Schüler so extrem rivalisieren“ (ich
frage mich übrigens, warum die Medien, die über diesen Kölner Abi-Krieg
berichten, diesmal darauf verzichten, die Religionszugehörigkeit der Schüler zu
erwähnen, wie das sonst in Köln doch mittlerweile üblich zu sein scheint; nun,
die meisten der am Abi-Krieg beteiligten Schüler dürften christlichen Glaubens
sein – es ist halt so eine Sache mit den abendländischen Werten...).

Es ist außerdem wohl kein Zufall,
daß die neokonservativen Mutbürger gerade in der Kölner Philharmonie die
Aufführung eines modernen (nicht einmal zeitgenössischen) Werkes sprengen. Es
wundert mich, daß keiner der sachkundigen Feuilletonisten darauf hingewiesen
hat, daß dieses Beispiel just in Köln eine gewisse Tradition hat: „Der
wunderbare Mandarin“ von Béla Bartók wurde vor neunzig Jahren, im November
1926, in der Oper Köln uraufgeführt. Es gab einen riesigen Skandal. Der „Kölner
Stadt-Anzeiger“ schrieb seinerzeit von „aus
dem Orchesterraum hervorbrechenden Geräuschen“ und einer „widerlichen Handlung“, sodaß „die Räume durch ein gelinde gesagt
minderwertiges Werk entweiht wurden“. Das Publikum erregte sich, es „erschollen hundertfältig und minutenlang
die Rufe Pfui! Gemeinheit! Skandal!“Die Erstaufführung des
Bartók-Werkes in Köln war 1926 auch gleichzeitig seine Letztaufführung: Kölns
Oberbürgermeister Konrad Adenauer (genau, der spätere Bundeskanzler der BRD)
ordnete an, daß „Der wunderbare Mandarin“ sofort vom Spielplan zu nehmen sei.
Das vermeintlich Skadalöse sprach sich europaweit herum, sodaß zu Bartóks
Lebzeiten mit einer Ausnahme (1927 in Prag) das Ballett in Europa nicht mehr
aufgeführt wurde (siehe Stefan Fricke, in „Musik. Politik?“, Köln 2015).  „Sie haben es getan
und sie werden es jederzeit wieder tun, wenn es ihnen gestattet wird“, schrieb der Schriftsteller Hans Frick 1965 in seinem
Debütroman „Breinitzer oder Die andere Schuld“ über die Bundesrepublik
Deutschland (ein Roman, über den Jörg Fauser 1979 sagte: „Ich weiß, daß es in meinem Land nur einige wenige Schriftsteller gibt,
die das Papier wert sind, auf dem ihre Bücher gedruckt werden. Einer von ihnen
ist Hans Frick.“ Wundert uns, daß Hans Frick heute praktisch vergessen ist,
während „der Betrieb“ seine einschlägigen Nudeln wie Ronja von Rönne rauf und
runter dudelt? Lesen Sie den Nachruf
auf Hans Frick, den Franz Dobler geschrieben hat, oder noch besser: Lesen Sie
seine Bücher, zum Beispiel „Breinitzer“ oder „Die blaue Stunde“).

Doch wollen wir
nicht so tun, als ob diese antimoderne Grundhaltung aus der Kölner
Philharmonie, die verlangt, daß alles unbedingt so bleiben solle, wie man es gewohnt
ist, auf Köln und die Klassik-Szene beschränkt sei. Wir erinnern uns: Als
letztes Jahr Kanye West, sicher einer der interessantesten und innovativsten
Musiker unserer Zeit, fürs altehrwürdige Glastonbury-Festival gebucht wurde,
ging ein Aufschrei durch Großbritannien, es gab Petitionen, es sei „eine
Beleidigung für Musikfans in aller Welt“, wenn Kanye West in Glastonbury
spiele, man solle ihn streichen und durch eine Rockband ersetzen. Und bei einer
Abstimmung auf „Spiegel Online“ fanden auch hierzulande 93,75% der Teilnehmer,
der schwarze Hip-Hop-Star habe auf dem Festival nichts verloren... Und der in
einem vergangenen Rundbrief bereits zitierte Schreiberling der „Süddeutschen
Zeitung“, der in seinem Lemmy Kilmister-Nachruf bedauerte, daß es so „alte
Rocker“ wie Helmut Schmidt nicht mehr gebe und der es schaffte, den
Wehrmachtsoffizier, Nachrüstungs- und Atomkraft-Freund in einem Atemzug mit Lou
Reed, David Bowie und Lemmy Kilmister unterzubringen, erging sich im gleichen
Qualitätspresse-Artikel in Ergüssen gegen HipHop, weil quasi alle schwarzen
Rapper per se „irre doof“ und „frauenfeindlich“ seien („Eines Tages werden wir allein sein mit frauenfeindlichen Rappern, die
irre doof sind, keinen Spaß verstehen und mit schweren Goldketten die Gebisse
ihrer Feinde einschlagen“).So ist
das mit den Verteidigern von weißen Männern, die Rockmusik spielen. Fans von
Rockmusik können genauso antimodern und reaktionär sein wie die Besucher von
Kölner Klassikkonzerten...

21.03.2016

Katzenfoto mit Wiener Philharmonikern

Im Konzert der
Wiener Philharmoniker mit Daniel Barenboim, die Mahlers Neunte Symphonie
spielen, sitzt in der Berliner Philharmonie ein etwa vierzigjähriges Paar neben
mir. Das Smartphone bleibt angeschaltet, und der Mann, Typ bulliger
Anzugsschnösel, bedeutet seiner Frau, was sie machen soll, wenn Barenboim zu
Beginn des Konzerts aufs Dirigentenpodest steigt: sie soll nämlich ein Foto von
Barenboim auf dem Podest machen, während ihr Mann das aufgeschlagene
Programmheft mit dem Tagesprogramm ins Bild hält. Beweisfoto: Wir waren dabei,
als Barenboim die Wiener dirigierte!
Was er damit wohl machen wird? Wie seine Teenagerkinder auf Facebook posten?
Ja, ich war im Konzert, seht her: Barenboim! Die Wiener! Am 19.März 2016!
Das Katzenfoto des kulturaffinen Bürgertums...

21.03.2016

Fußball, AnnenMayKantereit, FC Bayern, Sieger, CSU, München...

Und der Fußball?Wiglaf Droste hat unter
anderem diese Zeilen zur aktuellen Lage gedichtet:„Manchmal hat man’s im Turin,
daß das Böse siegen wird.
Für das Schöne ist nichts drin...“

Die Fans des Bösen geilen
sich jetzt auf am vermeintlich heroischen Verlängerungs-Kampf ihrer
Winner-Bayern, der doch nur dadurch zustandekam, daß ein Schiedsrichter
Juventus ein korrekt erzieltes drittes Tor verweigerte. Und so wird das Böse
weiter siegen... bis... nun ja, bis Barcelona kommt. Alles Katar, oder was? Das
ist der trostlose Stand der Dinge im Vereinsfußball. Wen also interessiert
dieser neoliberale Geld-Fußball noch? Da schaut man doch besser Snooker oder
meinethalben Darts, oder?

Im großartigen
„Skug“-Magazin hat Hardy Funk übrigens ein herrliches Porträt von Schamoni
Musik München geschrieben und en passant das ganze München- und Bayern- und
CSU-Gedöns in den Isarsand gerammt. „Schickimicki,
Bob Beaman und Abfahrt als Dienstleistung. Das reiht sich alles in dieses
Gesamtmodell ein, dieses Winner-Dasein, BMW Fahren, FC Bayern immer die Eins.
Nachdem Hoeneß jetzt im Knast sitzt, könnte man dieses Gesamtmodell eigentlich
komplett in Frage stellen. Aber das tut keiner so richtig. Leute wie Hoeneß,
Seehofer und Beckenbauer sorgen weiterhin dafür, dass das Image von Bayern
innerhalb Deutschlands sowas von beschissen ist, dass auch wir hier einen
Kollateralschaden haben. Denn die Lebensphilosophien dieser Leute zerstören
unsere Werte.“ Das sagt in diesem wunderbaren Text Sebastian
Schnitzenbaumer. Den ganzen Text bitte hier lesen.

Ach ja, übrigens: Skug hat letztes Jahr nach 25
Jahren „seine Erscheinungsform als Printmedium eingestellt“. Und das ist auch
ein Kommentar zum, im wahrsten Sinne des Wortes: Stand, nämlich STILLSTAND der
Dinge. Aber im Netz existiert Skug weiter. Und das ist immerhin ein kleiner
Trost.Und deswegen hören wir nicht Wanda und schon gar
nicht AnnenMayKantereit, all diese zahn- und geistlose Mitmach- und
Weltzustimmungsmusik für FC Bayern-Fans, die uns von Plattenkonzernen und
Staatsfernsehen und embedded music journalism pausenlos eingeträufelt wird.
Nein, wir hören Das
weiße Pferd, und zum Beispiel ihr Lied vom
Straßenkämpfer. Heilung durch Musik! Eine andere Welt ist nämlich immer
möglich, Frau Nachbarin...(doch Moment mal: zu den Darlings der bürgerlichen
Feuilletons und der Kultursendungen des Staatsfernsehens, nämlich zu
AnnenMayKantereit, hat Andreas Borcholte auf „SPON“ alles Notwendige gesagt,
und zwar in einer Art und Weise, der nichts hinzuzufügen ist - „Gemeinschaft und Gefühl, darauf können sich im Moment viele
einigen, vor allem die, die Angst vor Veränderungen und der Moderne haben. Die
lieber ihre Ruhe haben wollen.“ Großer Text.)

21.03.2016

Mark Zuckerberg ist für Axel Springer in Berlin

Mark Zuckerberg war in
Berlin! Und es war ein Staatsbesuch ganz besonderer Art (denn: in welchem Staat
würden Sie lieber leben? in Facebook oder in China? wenn ich einen
Film-Untertitel meines Freundes Christian von Borries aufgreifen darf, der
allerdings nach Apple oder China gefragt hat. Den Film können Sie auf Vimeo
sehen, große Empfehlung!).Im Staatsfernsehen konnte
man verfolgen, wie Facebook ein sogenanntes „Townhall Meeting“ abgehalten hat.
Dazu wurden von Facebook etwa anderthalbtausend Student*innen und Nutzer*innen
handverlesen und in die Arena in Treptow eingeladen. Die Gäste der
Fressenkladde durften vorher ihre Fragen an Zuckerberg einreichen und wurden
dann von der Fressenkladde ausgewählt. Und dann dürfen sie ihre von Facebook
abgesegneten Fragen direkt an Zuckerberg stellen. Und die Fragen sind vom
Kaliber „wie geht es dir?“, „wie geht es deinem Hund / deinem Baby?“, „was
plant Facebook demnächst, um die Welt positiv zu verändern“. Wenn man all dies
sieht, diesen neoliberalen Neofeudalismus, wenn man sieht, wie hörige
Nutzer*innen beseelt ihrem Guru die banalsten Fragen stellen, glücklich, bei
diesem von der Fressenkladde organisierten Gottesdienst dabei sein zu dürfen,
dann versteht man wieder etwas mehr von der Welt unserer Tage. Davon
beispielsweise, daß man offensichtlich hierzulande auch studieren darf, wenn
man seinen eventuell vorhandenen Grips komplett an der Garderobe abzugeben
pflegt. Vor allem aber versteht man, daß Facebook eine Sekte ist und die
begeisterten Nutzer schlicht ihre Jünger. Und zwar eine Sekte, die polizeistaatsartig
agiert – kritische Fragen sind nicht vorgesehen, Diskussionen sind nicht
erwünscht, Nachfragen nicht erlaubt. Ein Rechtsanwalt, der Strafanzeige gegen
den Facebook-Chef gestellt hat, weil dessen Firma reaktionäre und rassistische
Kommentare nicht von ihren Seiten entfernt, und der es wohl aus Versehen in die
Veranstaltung geschafft hat, darf natürlich keine Frage stellen. Als die
Mitarbeiter der Fressenkladde ihren Irrtum erkennen, ihn eingelassen zu haben, machen
sie dem Rechtsanwalt unmißverständlich klar, daß er besser keine Szene macht,
und spendieren ihm extra zwei Aufpasser, die dafür sorgen, daß der Rechtsanwalt
sich auch daran hält.

Natürlich, Transparenz ist
bei Facebook ein Fake. das wußten wir schon lange. Markus Beckedahl hat mal
gesagt, Facebook verhalte sich gegenüber kritischen Nachfragen ungefähr so
offen wie ein Waffenhändler. Und genau diese gespielte „Offenheit“, die in
Wahrheit ein strenges Abschirmen gegenüber allen demokratischen Gepflogenheiten
ist, erlebt man beim Auftritt des Sektengurus und Multimilliardärs Zuckerberg
in Berlin.

Und wem gefällt, neben den
erklärten Jüngern und all den Politiker*innen, die Zuckerberg hofieren, diese
polizeistaatsartige Sekte Facebook nun besonders gut? Dem Axel Springer-Konzern
natürlich. Denn der Springer-Konzern hat Zuckerberg nach Berlin geholt und ihm
einen eigens erfundenen neuen Preis verliehen, den „Axel Springer Award“. Und
wie das so ist, wenn der Medienkonzern ruft, der die Blödzeitung herausgibt,
kommen alle, die eben immer dazugehören wollen oder die sich jederzeit kaufen
lassen. Also Martin Schulz von der SPD oder vier Musiker der Berliner
Philharmoniker, die für Zuckerberg und den Springer-Clan „California Dreaming“
spielen. Die kalifornische Ideologie ist in diesem Moment ganz bei sich.

21.03.2016

Paul van Dyk verbietet AfD, seine Musik zu spielen

Wieder einmal wehrt sich
ein Pop-Musiker gegen die Nutzung eines Songs durch eine politische Partei.
Diesmal ist es der in der Qualitätspresse „Techno-DJ“ genannte Paul van Dyk,
der der AfD eine Unterlassungserklärung zukommen gelassen hat, mit der er der
Partei „jedwede unberechtigte Nutzung“
seines Stücks „Wir sind wir“ verboten hat. Ein Stück, das von Peter Heppner
gesungen wird und von Paul van Dyk komponiert wurde und das der
Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen, Björn Höcke, bei monatlichen
AfD-Kundgebungen auf dem Erfurter Domplatz spielen ließ.

Das hört sich auf den
ersten Blick sehr politisch korrekt an. Der als SPD-Anhänger geltende van Dyk
wehrt sich gegen den Mißbrauch seines Stückes durch Rechtspopulisten. Doch:
warum nutzen besagte Rechtspopulisten denn das Stück von Paul van Dyk? Zeilen
in dem Song legen jedenfalls die Vermutung nah, daß dieser Song der AfD gut ins
politische Konzept paßt, denn dort heißt es u.a.:„Auferstanden aus Ruinen dachten wirWir hätten einen Traum vollbracht.40 Jahre zogen wir an einem Strang.Aus Asche haben wir Gold gemacht. (...)Jetzt ist mal wieder alles andersUnd was vorher war, ist heute nichts mehr wert.“

Das ist ein Text, den jeder
dieser ewig zu kurz gekommenen Pegida-Anhänger aus voller Seele mitgrölen kann.Wie wäre es denn, wenn
Musiker, anstatt das Abspielen ihrer Songs auf Demonstrationen von
Rechtspopulisten zu untersagen, einfach Musik und Texte schreiben würden, die
sich nicht für das Abspielen bei AfD-Kundgebungen eignen? Damit wäre uns allen
geholfen.

21.03.2016

29 Prozent der Bundesbürger wollen Schießbefehl auf Flüchtlinge

29 Prozent der Befragten
einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov halten es laut „Berliner
Zeitung“ vom 8.2.2016 für gerechtfertigt, unbewaffnete Flüchtlinge mit
Waffengewalt am Grenzübertritt zu hindern.Ein knappes Drittel der
Bundesbürger sind also für eine Art Schießbefehl gegen unbewaffnete Flüchtlinge
an „unseren“ Grenzen.Puh.

Ich erinnere mich an die
„SINUS-Studie“ über rechtsextremistische Einstellungen bei den Deutschen in der
BRD, die 1980 von der Bundesregierung Helmut Schmidts in Auftrag gegeben und
unter dem Titel „5 Millionen Deutsche: Wir sollten wieder einen Führer
haben...“ bei rororo aktuell veröffentlicht wurde. Laut dieser SINUS-Studie
verfügten mindestens 13 Prozent der Bevölkerung über ein „geschlossenes
rechtsextremes Weltbild“, und weitere 37 Prozent waren „empfänglich für rechtsextreme
Denkinhalte“, lehnten aber Antisemitismus oder Führerkult ab. Laut SINUS-Studie
hatten 1980 also die Hälfte der BRD-Bürger ein geschlossenes oder nicht
geschlossenes rechtsextremes Weltbild.Und wie gesagt, bei dieser
Untersuchung waren die Sachsen noch nicht einmal mit einbezogen...

„Immer wieder formulieren: das Schuldbekenntnis der
Deutschen nach der Niederlage des Nationalsozialismus war ein famoses
Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode
hinüberzuretten. Das Wir zu bewahren war die Hauptsache.“ (Max Horkheimer)

21.03.2016

Überflüssiges Musiker-Interview in "Berliner Zeitung"

So ziemlich das
Überflüssigste im Popgeschäft sind Musiker*innen-Interviews.Selten erfährt man etwas
Interessantes, meistens gibt es nur banales Geschwätz zu lesen, was ja auch
kein Wunder ist, denn das, was Musiker*innen zu sagen haben, ist ja in ihrer
Musik enthalten (oder auch nicht). Es wäre eigentlich an den
Popjournalist*innen, das Werk zu analysieren und einzuordnen. Das allerdings
ist kompliziert und macht Arbeit – weswegen wir weiter all diese
uninteressanten und meist banalen Popmusik-Interviews lesen müssen.Wie etwa das Gespräch, das
die „Berliner Zeitung“ mit den aktuellen Medienlieblingen von Isolation Berlin
führte und das mit einem leider ironiefreien „jetzt schon eine Band des Jahres“ eingeleitet wurde.Anstatt sich mit dem neuen
Album der Band auseinanderzusetzen, das Große oder auch das Problematische
daran herauszuarbeiten, dürfen wir garantiert geistferne Fragen wie diese
lesen: „Ich hatte nicht erwartet, die
ganze Band hier in Ihrer WG anzutreffen!“ – „Proben Sie nachher noch zusammen?“ – „Oh, hier liegen Klaviernoten!“ – „Sie veröffentlichen gerade Ihr erstes Album und müssen zum ersten Mal
in Ihrem Leben Interviews geben. Gibt es Fragen, die Sie verwundern?“ – „Können Sie Ihr erstes Album selber noch
hören?“ – „Wurden Sie schon mal im
Radio von Ihren Songs überrascht?“ – „Wie
entsteht ein Song bei Ihnen?“ undsoweiter undsofort schwallt das fast eine
halbe Seite lang im „Bravo“-Stil im Feuilleton der „Berliner Zeitung“, daß es
kaum auszuhalten ist, um dann in der Frage zu gipfeln, „welche Gedichte Sie unseren jungen Lesern denn empfehlen können“.Im See der Trostlosigkeit
des deutschen Pop-Feuilletons herrschte am 23.2.2016 zusätzlich noch Ebbe;
alles war ausgetrocknet und öd und leer.

21.03.2016

Rüstungsexporte & Sigmar Gabriel

Was aber macht unser
kleiner Isnogud, der Kalif werden will anstelle der Kalifin?Nun, Wirtschaftsminister
Sigmar Gabriel (SPD), der bei seinem Amtsantritt 2013 versprochen hatte, die
bundesdeutschen Rüstungsexporte „deutlich einzuschränken“, zeigte einmal mehr,
wie diese „deutliche Einschränkung“ konkret zu verstehen ist: Im Jahr 2015 hat
die Bundesregierung deutlich mehr Rüstungsexporte als zuvor genehmigt. Das
Gesamtvolumen der Waffenexporte lag bei rund 7,5 Milliarden Euro, im Vergleich
zu 3,97 Milliarden im Jahr 2014. Das ist die höchste Zahl von Rüstungsexporten
in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Lieferung eines U-Bootes im Wert von
351 Millionen ließ er dabei sogar noch unter den Tisch fallen. Und zählt man
außerdem die Sammelausfuhrgenehmigungen hinzu, stieg die Zahl der
bundesdeutschen Rüstungsexporte im Jahr 2015 in Wahrheit auf über 12,8
Milliarden Euro – ein Armutszeugnis nicht nur für einen SPD-Minister, der
versprochen hatte, die Rüstungsexporte drastisch zu reduzieren, sondern auch
für den Koalitionspartner, der das „c“ für „christlich“ in seinem Namen führt.

21.03.2016

Der Versicherungsbetrug der SPD

Aber mal im Ernst: Wenn die
SPD und die ihnen freundlich gegenüberstehenden Medien mal wieder darüber
nachdenken, warum so wenig Leute noch die Sozialdemokraten wählen (wobei ich
nach wie vor finde, daß die Frage falsch gestellt ist: erstaunlich ist doch
recht eigentlich, daß es überhaupt noch Menschen gibt, die die SPD wählen...),
fehlen immer die naheliegenden Gründe. Die hauptsächlich darin bestehen, daß
die SPD Hand in Hand mit den Grünen seit 1998 die Lebenssituation der
Wohlhabenden so deutlich wie einseitig verbessert und die Lebenssituation der
weniger Wohlhabenden drastisch verschlechtert hat.

Nehmen Sie das Beispiel der
Privatisierung der Altersversorgung, die so hübsch nach einem Versicherungsangestellten,
der eine Zeit lang SPD-Bundesminister war, benannt wurde, nämlich die sogenannte
Riester-Rente. Der Versicherungsexperte Holger Balodis (aktuelles Buch:
„Garantiert beschissen! Der ganz legale Betrug mit Lebensversicherungen“) sagt
im Interview mit Reinhard Jellen auf „Telepolis“:

„Die unter Rot-Grün beschlossene Riester-Reform war
überflüssig. Die in den 1990er Jahren erfolgten Reformen hatten die gesetzliche
Rente bereits wetterfest und zukunftsfähig gemacht. Doch die Politik folgte
seinerzeit den Forderungen der Lobbyisten und den Arbeitgebern. Die einen
wollten einen Einstieg in die Privatisierung der Rente, die anderen wollten
dauerhaft niedrige gesetzliche Rentenbeiträge. Also demontierte man ohne Not
die gesetzliche Rente. Seitdem dient das sinkende Rentenniveau als Begründung
für den Zwang zu mehr privater Vorsorge.“

Und wie kam es dazu? Noch
einmal Holger Balodis:
„Die Lobbyisten hatten nach jahrelangen
Mühen die Politiker weichgeklopft. Man muss wissen, dass damals ohnehin eine
allgemeine Privatisierungseuphorie den Zeitgeist bestimmte. Dazu kamen
interessante personelle Verflechtungen zwischen Politik und Finanzwirtschaft,
außerdem beachtliche Parteispenden von den Versicherungsunternehmen. Dazu eine
Debatte über eine angebliche demografischen Falle. Und prominente
Wissenschaftler, die all das in die Öffentlichkeit trugen. Später stellte sich
heraus, wie sehr auch sie mit der Finanzwirtschaft verbandelt waren. Da kam
also viel zusammen. Aber es war nicht zuletzt der Durchsetzungswille von
Kanzler Schröder, der sich später als guter Freund von AWD-Gründer Carsten
Maschmeyer outete.“

Wer hat uns verraten? Und
jetzt alle im Chor...

21.03.2016

Romantik nach Peter Hacks

Literaturtheorie in Zeiten
des Erstarkens der AfD: die Romantik als das Bündnis der Unzufriedenen von
rechts und links:„Die Übereilung und die Erinnerungsseligkeit sind die beiden
Feinde des Vorangehens, und kein Punkt ist von dem des Jetzt weiter entfernt
als der, wo Übereilung und Erinnerungsseligkeit sich touchieren. Für den Pakt
aller, die das Falsche meinen, den Verbund der Abweichungen besitzt nun aber
die Sprache ein Wort, das Wort Fronde. […] Die Romantik ist der Überbau der
gegenbonapartistischen Fronde.“ (Peter Hacks)

21.03.2016

Kendrick Lamar udn die bürgerliche "Zeit"

Nicklas Baschek rümpft
auf „ZeitOnline“ die Nase über
Kendrick Lamar. Eckte Lamar früher tatsächlich noch an, sei er nun auf ekletischen
Schmusekurs umgestiegen: „Lamars aktuelle
Platte ist also das Album der
Konsolidierung. Sehr bürgerlich, im Bestehenden verharrend."
Schreibt Baschek im Zentralorgan der bürgerlichen, das Verharren im Bestehenden
wortreich und unbedingt immer verteidigenden „Zeit“...

21.03.2016

Haiti und "Freiheit"

Wann immer von Haiti die
Rede ist, wie aktuell wieder angesichts der gegenwärtigen politischen Krise, kann
man die einschlägigen Worthülsen hören und lesen: Instabilität, Voodoo,
Korruption, Unregierbarkeit.Doch ein Teil der Probleme
ist alles andere als hausgemacht: Als Haiti 1804 nach einem langjährigen
Befreiungskampf seine Unabhängigkeit von Frankreich erklärte, wurde das Land
nicht nur der erste freie Staat Lateinamerikas, sondern auch zur ersten
selbständigen „schwarzen“ Republik der Erde. Erstmals in der Geschichte hatte
eine Sklavengesellschaft erfolgreich ihre herrschende Klasse gestürzt. Doch die
(ehemaligen) Kolonialherren – wohlgemerkt: das war das Frankreich unmittelbar
nach seiner Revolution! und nicht einmal während der französischen Revolution
war die Sklaverei in den französischen Kolonien abgeschafft worden; natürlich nicht, denn ein beträchtlicher
Teil der französischen Bourgeoisie, um deren politische Revolution es 1789
ging, war von der Sklavenökonomie wirtschaftlich abhängig... – blieben unerbittlich:
Die ehemaligen Sklaven mußten 90 Millionen Goldfrancs als „Reparation“ an die
ehemaligen Sklavenhalter und Kolonialherren zahlen.

Denn: „dieselben Philosophen, die die Freiheit als den natürlichen Zustand
des Menschen betrachteten und sie zu einem unveräußerlichen Menschenrecht
erklärten, akzeptierten die millionenfache Ausbeutung der Sklavenarbeiter in
den Kolonien als Teil der gegebenen Weltordnung“ (Susan Buck-Morss, deren
Buch „Hegel und Haiti“ unbedingt lesenswert ist). Und wenn in Großbritannien
Locke Freiheit als „Schutz des
Privateigentums“ betrachtete, dann gehörten zu diesem Privateigentum mit
allergrößter Selbstverständlichkeit auch die Sklaven.  Rosseau erwähnt die Sklaverei in seinem
„Gesellschaftsvertrag“ mit keinem einzigen Wort (und er spricht ja durchaus
über Menschen aus allen Teilen der Welt – die Afrikaner allerdings läßt er
aus). Oder: „Die Männer, die
zusammenkamen, um die unabhängigen Vereinigten Staaten zu gründen, gewidmet der
Freiheit und der Gleichheit, hielten entweder selbst Sklaven oder waren bereit,
mit jenen zusammenzuarbeiten, die es taten“ (Edmund S. Morgan). „Amerika nimmt seinen Anfang in schwarzer
Plünderung und weißer Demokratie, zwei Merkmale, die sich nicht widersprechen,
sondern ergänzen“, schreibt Ta-Nehisi Coates in „Zwischen mir und der
Welt“.

Dies alles sollte man sich
immer wieder vor Augen führen und bedenken, wenn die Geschichte der westlichen
Nationen wieder einmal als endloses Narrativ der menschlichen Freiheit
konstruiert wird. Die „Freiheit“, von der immerzu die Rede ist, war stets nur die
Freiheit des weißen Mannes (und die Betonung liegt auf „weiß“ und „Mann“).

(In Heft 388 vom September
2015 hat sich die Zeitschrift „ila“ in einem lesenswerten Schwerpunkt mit Haiti
beschäftigt; darin ist auch der Aufsatz „Das Politische im haitianischen Vodou“
enthalten, in dem Peter Scheiffele darüber berichtet, wie westliche Vorurteile
den Vodou als Alltags- und Widerstandspraxis verkennen. R.I.P., Peter!)

21.03.2016

Rüstung: Hubschrauber, die nicht einsatzfähig sind...

Und
wenn wir mal wieder hören, daß für Kultur und für Bildung kein Geld da sei,
sollten wir die Politiker*innen, die uns derartigen Quark erzählen, zum
Beispiel darauf hinweisen, daß die Bundeswehr-Hubschrauber vom Typ NH90 fünf
Milliarden Euro kosten. Obwohl seit 1990 geplant, fehlt noch die Hälfte der 82
Bestellungen. Bis heute ist keiner dieser Hubschrauber voll einsatzbereit.Ich
wüßte schon, wie das Geld besser verwendet worden wäre...

21.03.2016

Iran: Rüstungsgeschäfte

Im Iran
ist wieder alles in Butter, und die Großkonzerne der abendländischen
Wertegemeinschaft machen wieder eifrig Geschäfte mit dem Regime. Wer wollte
sich schon darüber aufregen, daß die iranische Regierung am
Auschwitz-Gedenktag, der zufällig just der Tag ist, an dem Rohani in Frankreich
von Staatschef Hollande mit großem Pomp und in allen Ehren empfangen und an die
Industrievertreter weiter gereicht wurde, bei denen Rohani dann seine
Airbus-Bestellungen aufgeben konnte – daß just am Tag des weltweiten
Auschwitz-Gedenkens also die iranische Regierung einen weiteren „Holocaust
Cartoon Contest“ abhält. Dem Karikaturisten, der sich am übelsten über den
Genozid lustig macht, winken 50.000 Dollar Preisgeld.Und da
haben wir noch gar nicht davon gesprochen, daß im Iran im Jahr 2015 mehr als
1.000 Exekutionen durchgeführt wurden – ein trauriger Rekord, es wurden noch
mehr Menschen hingerichtet als unter Achmadinedschad. Aber wer wollte sich an
so etwas stören, wenn doch die offizielle Linie heißt: Versöhnung mit dem Iran!
Die französische, die deutsche Wirtschaft atmen auf. Man kann wieder Geschäfte
machen mit dem iranischen Regime. Geschäfte allerdings, an denen Blut klebt.

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