30.07.2014

Frankfurt Summer in the City eingestellt - Spielort für Weltmusik und Jazz verloren!

Wieder ein
schöner Spielort für Jazz und Weltmusik weniger in Deutschland: Der Frankfurter
Kulturdezernent hat den Etatposten für „Summer in the City“ (unter diesem Titel
wurden die beiden Reihen jahrzehntelang betrieben) aus dem Haushaltsplan der
Stadt gestrichen. Daraufhin hat der Mousonturm, der in den letzten Jahren diese
Reihen veranstaltet hat, die Konsequenzen gezogen.Besonders
tragisch: es fehlten laut Veranstaltern gerade einmal 20.000 Euro. Die Fans der
Musikreihen protestierten, es wurden über 5.000 Unterschriften gesammelt,
leider vergebens.

Mal
jenseits dessen, daß die Ignoranz der kommunalen Kulturpolitik gegenüber Jazz
und Weltmusik für Frankfurt ausgesprochen peinlich ist – aber daß die
Mousonturm-Betreiber die renommierten und beim Publikum zum Teil extrem erfolgreichen
Reihen in einem der schönsten Spielorte Deutschlands sang- und klanglos
streichen, ist auch etwas merkwürdig, um es mal vorsichtig zu formulieren. Es
fällt schwer zu glauben, daß es an den fehlenden 20.000 Euro Zuschuß gelegen
hat – das ist für subventionierte Kulturveranstalter eher eine
vernachlässigenswerte Summe. Und so fällt auf, daß der Mousonturm-Intendant
gerade froh zu sein scheint, endlich Jazz und Weltmusik los zu sein – in der
„FAZ“ wurde Intendant Matthias Pees jedenfalls zitiert, daß die „stilistische Erweiterung“ von „Summer
in the City“ jetzt das reflektiere, „was
im Lauf des Jahres im Mousonturm stattfindet“. Nur war die Idee von „Summer
in the City“ ja gerade, daß dort im Palmengarten etwas Besonderes stattfindet, etwas, das die Frankfurter Kulturlandschaft
bereichert. Die Open Air-Konzerte,
die diesen Sommer im Palmengarten stattfinden, bieten, unabhängig von ihrer
Qualität, bloß die üblichen Verdächtigen des Pop-Zirkus, wie sie landauf landab
allüberall spielen, und die, anders als Jazz und Weltmusik, eigentlich nicht
auf die Subventionen der Repräsentationskultur angewiesen sind (wenn man mal
von Rocko Schamoni und Blixa Bargeld absieht...). Der Palmengarten Frankfurt
ist jetzt lediglich noch eine weitere Abspielstation für Popmusik mit ihren
immer berechenbaren Strukturen und jederzeit eingelösten Erwartungen.Ein
hessisches Trauerspiel.

13.07.2014

Morrisey, Hosen und andere reaktionäre Pop- und Schlagermusik

Der
unverbesserliche Rassist Morrisey, der gern gegen Einwanderung generell und gegen
Schwarze speziell wettert und Chinesen als eine „Unterart“ („subspecies“), also
als Untermenschen bezeichnet, hat ein neues Album aufgenommen. Das zwar, wenn
ich die großen Artikel allüberall richtig quergelesen habe, fürchterlich langweilig
sein muß, das aber eben vom Popjournalismus ausführlichst rezensiert werden
mußte.Es geht
darin unter anderem um den „kleinen Mann“, der mundtot gemacht wird – eine
typische Narration der Neuen europäischen Rechten. Die Lyrics sind ein rechter
Schmarrn: „Brazil and Bahrein / Oh Egypt, Ukraine / So many people in pain.“ „Was würde man wohl zu solcher Lyrik sagen,
wenn sie nicht mit dem Nimbus des großen Morrisey versehen wäre? Das wäre das
wohl einfach Reimkäse“, schreibt Jan Wiele in der „FAZ“. Nur – es ist eben Reimkäse, um es freundlich zu
formulieren. Ein rechter Scheiß eben. Das ist Thilo Sarrazin, wenn der Popmusik
machen würde. Einfach ekelhaft und verabscheuenswürdig.

Warum aber
sagt das keiner?

Wir haben
uns daran gewöhnt. Die „Böhsen Onkelz“ spielen vor 200.000 gleichgesinnten in
Hockenheim („Die Banalität der Böhsen“, SPON), und ich erinnere mich, wie mir
vor zig Jahren der damalige Chef der damaligen „Virgin“-Plattenfirma zu
erklären versuchte, daß das eine ganz normale, tolle Rockband sei.Wir haben
uns daran gewöhnt, und manchmal wird sogar so getan, als ob das alles lustig
sei und keine neue reaktionäre Pop-Anmaßung. Heino etwa, der „blonde Barde“,
der „mit schnarrender Stimme
‚Schwarzbraun ist die Haselnuß’ von sich gab, erinnerte an die faschistischen
Urgründe dieser Wirtschaftswunderzeit. Das war nicht bloß Koketterie; Heino gab
sehr gern Konzerte für ein erlesenes Publikum im Apartheidregime Südafrika, dem
er zur großen Begeisterung alle drei Strophen des Deutschlandlieds zum besten
gab“ (Georg Seeßlen), also auch die verbotene Strophe „Deutschland,
Deutschland über alles“, die die Nazis so gerne sangen. Heute darf man nicht
sagen, daß Heino ein Nazi sei, das kostet 20.000 Euro – soviel Schmerzensgeld
mußte Jan Delay dem Schlagerstar dafür bezahlen. Denn heutzutage singt Heino
die Lieder von Schlagerrockbands wie der Ärzte oder der Toten Hosen, und ein
großer Teil der Popkritik findet das, anything goes, ausgesprochen drollig.Zwar sagte
Hosen-Frontmann Andreas Frege im SWR, daß Heino „30 Jahre lang das Aushängeschild der deutschen Hässlichkeit war",
andrerseits und andersherum haben die Toten Hosen Freddy Quinns reaktionäres
60er Jahre-Gammler-Lied „Wir“ gecovert („Wer
will nicht mit Gammlern verwechselt werden? Wir! Wer sorgt sich um den Frieden
auf Erden? Wir! Ihr lungert herum in Parks und Gassen, wer kann eure sinnlose
Faulheit nicht fassen? Wir!“ usw. usf.) und sich damit des gleichen
post-postmodernen Kniffs bedient, den Heino jetzt für sein Comeback nutzt, eben
eine dreiste Umkehrung.Aber mit Songs von „Tagen wie diesen“ drängt eben
auch der Schlagerrock der Hosen längst und mit aller Macht in die sogenannte
Mitte der Gesellschaft. Dort, wo auch Andreas Bourani („Ein Hoch auf uns!“, die Fußballmusik des deutschen Staatsfernsehens,
„Hier geht jeder für jeden durchs Feuer“,
„Wir schwörn uns ewige Treue“...), Thilo Sarrazin, die Onkelz und eben Morrisey
zuhause sind.

13.07.2014

Tortoise & Die Sterne in China II

Weiter unten in diesem Blog habe ich Ihnen von den Konzerten von Tortoise und
der Sterne im Beijinger Musikclub Yu Gong Yi Shan erzählt, und davon, daß der
Eintritt zum Konzert der letzteren umsonst war. Jetzt hat Frank Spilker von den
„Sternen“ versucht, seine chinesischen Tournee-Erlebnisse in einem Text für die
„taz“ festzuhalten – „Der ‚Universal
Tellerwäscher’ live aus China.“Darin schreibt er über das Beijing-Konzert seiner Band: „Ein ausverkauftes Haus...“ Eine schöne
Legende, nur leider eben unwahr. Denn „verkauft“ wurde ja eben gar nichts, das
Goethe-Institut hat aus deutschen Steuergeldern alles bezahlt, und kein Chinese
mußte auch nur einen Yuan für den Auftritt der Sterne in Beijing bezahlen. Und
wo nichts verkauft wird, kann, solange Logik nocheinen Sinn macht, auch nichts
„ausverkauft“ sein.
Und die Lehre aus dieser Geschichte? Um es mit Kanye West zu sagen:
Bitte glauben Sie Popmusikern nichts, aber auch wirklich gar nichts!

13.07.2014

Berliner Polizeipräsident

Nur damit ich das verstehe: „Polizei droht mit Einsatzende“,
titelte die „Berliner Zeitung“, als der Berliner Polizeipräsident der
Bezirksbürgerneisterin von Berlin-Kreuzberg drohte, den Einsatz der Polizei zu
beenden.Habe ich etwas verpaßt? Wurde das Grundgesetz
geändert, ohne daß darüber berichtet worden sei? Denn laut Gesetz ist die
Polizei dazu da, die Aufgaben, die ihnen von den jeweiligen Regierungen auf
Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene übertragen und aufgetragen werden,
bestmöglich umzusetzen. Davon, daß die Polizei nicht ein ausführendes, sondern
ein über die Politik regierendes Organ sei, ist im Grundgesetz nichts zu lesen.Das letzte Mal, daß die Polizei ein derartiges Eigenleben
führte, war während des Nationalsozialismus.Der Berliner Polizeipräsident, der sich über die
Grundprinzipien einer Demokratie hinwegsetzt, sollte entlassen werden.

13.07.2014

Al Qaida, Isis

„Was haben
Al Qaida, Saddam Hussein, Isis gemein?Daß sie
alle von dem Dutzend Länder finanziert, bewaffnet und ausgebildet worden sind,
die sich wahlweise ‚die freie Welt’ oder die ‚internationale
Staatengemeinschaft’ nennt.“Hermann L.
Gremliza, „Konkret“

01.07.2014

Verräterische Sprache

Verräterische Sprache.„Am Ende war es ein
Sieg des Willens.“(Joachim Löw nach dem Spiel gegen Algerien)

Nicht doch eher ein „Triumph des Willens“? Oder ein „Sieg
des Glaubens“?

An gleichen Tag meint Folkert Koopmans, Geschäftsführer von
FKP Scorpio, daß die Möglichkeit, daß im kommenden Jahr zwei Festivals in
zeitlicher und räumlicher Nähe zum bisherigen „Rock am Ring“ stattfinden
könnten, zu einem „Blutbad“ führen
könne, weil sich zwei Wettbewerber „finanziell
überbieten werden bei den Bands“ („SZ“).„Blutbad“?!? Awcmon. Ich dachte, ihr Festivalmoguln zockt
mit Kohle, statt mit Messer und Axt aufeinander loszugehen.Aber der Herr meints ernst, er entlarvt, wie er denkt oder,
falls er das eher nicht tut, wie er tickt:„Und dann fallen
leider auch ein paar Blutspritzer auf uns ab, weil es bestimmt ein paar Bands
geben wird, die wir auch haben wollen, und die dadurch im Preis-Ranking
ziemlich nach oben gehen“, so der potentiell blutverschmierte Koopmans in
der „Süddeutschen Zeitung“.

01.07.2014

Sympathische Nationalisten und ihre Hymnen

Ach, wie herrlich entspannt all die sympathischen Patrioten sind, die da
in schwarz-rot-gold rumlaufen, ob im brasilianischen Militärcamp um die
Nationalmannschaft herum, beim sogenannten Public Viewing vorm Brandenburger Tor, oder all die Leute,
die diese niedlichen schwarz-rot-goldenen Fahnen an ihren Autos herumfahren,
gerne auch schon mal mit dem Reichsadler drauf. Und dazu hören diese
sympathischen Patrioten dann sympathische Patriotenmusik. Wie etwa Stefan Raabs
WM-Song „Wir kommen, um ihn zu holen“:

„Wir werden allen
den Arsch versohlen,denn wir sind
wieder da.Müller, Neuer,
Schweinsteiger ziehen in die Schlacht.“Raab ließ sein Publikum abstimmen, ob es diesen Song lieber in einer
Rammstein-, einer Samba- oder einer Mainstream-Pop-Version hören wollte...

Oder Matze Knops WM-Song „Goldene Generation“:„Wir sind die
goldene Generation,die
schwarz-rot-goldene Generation.Die Zeit ist reif,
denn wir sind stark wie nie.Let’s go Germany.“Mercedes-Benz dagegen sponsert den WM-Song „Das dicke, dicke Ding“ von
Mister Santos:„Der Kader tanzt
Lambadaund ballert jeden
Gegner um.“

Und aus Brasilien erreicht uns dazu via Poldis Instagram-Account dieses
Foto aus dem schwarz-rot-goldenen Baller-Camp, also mitten aus der Schlacht:http://instagram.com/p/pHiH6RuJ4G/

01.07.2014

Neuer

Manchmal sind die Fußballer allerdings auch einfach nur zum Lachen (oder
lächerlich, und gerne auch beides zugleich):„Ich will in meine
Schulter reinhorchen“sagte zum Beispiel Torhüter Manuel Neuer der „Berliner Zeitung“ im
Interview.

29.06.2014

Google, Internt und Gefahren

Eines sollte man sich bei allen Diskussionen um Internet und Google
stets vor Augen führen: „Das Internet“ ist keine Gefahr. Es ist eine Erfindung
von Menschen, oder, besser gesagt: des Militärs, und das, was daraus folgt, ist
menschengemacht. Genauso wie Google kein Monster ist, sondern eben einfach ein
ziemlich erfolgreicher multinationaler Konzern, der sich hauptsächlich die mangelhafte
Gesetzgebung in allen Industrienationen zunutze macht, was Daten- und
Verbraucherschutz und Bürgerrechte angeht. Wenn es stimmt, daß die „digitale
Revolution“ die größte Umwälzung seit der industriellen Revolution darstellt,
und es gibt wenig Grund, daran zu zweifeln, dann geht es jetzt darum, endlich
Verkehrsregeln aufzustellen. Und zwar Verkehrsregeln, die an den Grundrechten
und Interessen der BürgerInnen orientiert sind, und nicht an den
wirtschaftlichen Interessen dieser oder jener Konzerne.

Es ist nicht „das Internet“, das eine Gefahr darstellt und uns
ausspioniert. Es sind Geheimdienste, die uns mit ihren digitalen Technologien
massenhaft ausspionieren lassen, und es sind Politiker, die dies in Auftrag
geben, ob bei NSA oder BND. Und es sind Politiker, die sich seit Jahren
weigern, endlich Datenschutzgesetze zu verabschieden, die den Gegebenheiten des
digitalen Zeitalters gerecht werden. Ohne Datenschutz gibt es keine
Meinungsfreiheit. It’s that simple. Peter Schaar, ehemals Bundesbeauftragter
für Datenschutz und Informationsfreiheit, beschreibt in seinem aktuellen Buch
„Überwachung total“, wie Geheimdienste seit den Terroranschlägen von
2001 das Internet umfassend unterwandert haben; „entstanden ist ein ‚überwachungs-industrieller Komplex’. Weltweit wird
alles durchgerastert, was das digitale Netz hergibt. Im Visier stehen nicht nur
Terroristen oder Kriminelle, sondern wir alle. Die Datenfischer suchen nach
persönliche Informationen, Staats-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - je
mehr desto besser.“Denken Sie daran, wenn wieder einmal ein Unternehmenschef eines
deutschen Medienkonzerns barmt, daß Google seinem Konzern das Geschäft
vermiese, und wenn die Feuilletons entsprechend Angst verbreiten. Wie immer
haben wir es in der Hand, wie die digitale Zukunft aussieht. Man kann es machen
wie die Kanzlerin und so tun, als ob einen die NSA nichts anginge; man kann es
machen wie der Deutsche Bundestag, der sein Internet ausgerechnet vom
US-Konzern Verizon bezieht, „der von der
NSA bezahlt wird, um Daten an sie auszuleiten“ (Andre Meister auf
„Netzpolitik“).

„Viele
Medienhäuser klagen heute über die Datenkrake Google, allerdings nicht in
emanzipatorischer Absicht, sondern mit dem Vorsatz, selbst in den Besitz der
Kundendaten zu gelangen. Dabei bleibt die Ausbeutung der Datenminen auch dann
eine Ausbeutung, wenn Döpfner und andere die Schaufel führen. Die Kundendaten
gehören dem Kunden, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsbegriff des
Grundgesetzes gebieten die Rückübertragung der Souveränität.“
(„Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart in der „FAZ)Wir haben uns angewöhnt, einen öffentlichen Diskurs zu akzeptieren, der
von den Konzernen und ihren Lobbyisten sowie von ihnen gewogenen Politikern
geführt wird. Das war beim Urheberrecht bereits so, das war beim
Leistungsschutzrecht so, das ist jetzt bei der Frage Datenschutz und Google so.
Wir sollten endlich den Diskurs selbst übernehmen. Nur dann haben wir eine
Chance, daß die Diskussion endlich von den Fragen geprägt wird, die wirklich
zählen. Dann könnte der Diskurs sich endlich der Interessen der BürgerInnen,
der VerbraucherInnen, der „NutzerInnen“ (und auch der Autoren) annehmen. Die
Interessen der Konzerne, ob es Döpfners Springer ist oder die Indie-Klitsche
ums Eck, müssen uns egal sein, sie sind reichlich artikuliert worden und werden
auch in Zukunft von den bezahlten Lobbyisten ausführlich vorgetragen werden. Wir
benötigen ein Rechtssystem, das das Internet endlich an seinen Nutzern und an den
Urhebern, also den Autoren, ausrichtet.

29.06.2014

Albenverkäufe oder: Wenn Gorny und Cro zählen

„Myth: Sales
count.They're almost as
irrelevant as the old billboards on the Sunset Strip, they're a way to stroke
the egos of the players involved. It's no longer whether someone buys your
album, but whether they listen to it, that's the relevant metric that everybody
seems to ignore as they trumpet the anemic, irrelevant SoundScan numbers.“ (Bob Lefsetz)Nur im Ländle, in Stuttgart und Umgebung haben sie’s noch nicht kapiert
und baden in Verkäufen. Freilich: in Verkäufen, die noch nicht mal Verkäufe
sind.

Das deutsche Charts-Unwesen ist nicht so leicht zu kapieren. Eigentlich
gibt es „Gold“, also eine von Gornys Bundesverband Musikindustrie (BVMI) verliehene
„Goldene Schallplatte“, für 130.000 verkaufte Tonträger. Eigentlich.Dieser Tage meldete „Chimperator“, die Plattenfirma des schwäbischen
Muttersöhnchens mit der Pandamaske, „Melodie“, das neue Album von Cro, habe „innerhalb der ersten 24 Stunden nach
Veröffentlichung bereits Gold für 130.000 verkaufte Einheiten eingefahren“.
Man rieb sich die Augen und fragte sich, was in den Plattenläden und
Kaufhäusern losgewesen sein muß. 130.000 CDs und „Einheiten“ in nur 24 Stunden?
Die ja streng genommen nicht mal 24 Stunden sind, denn natürlich gilt
hierzulande der Ladenschluß.Selfmade Records, die Plattenfirma von Kollegah, deckten die Wahrheit
auf: In Wahrheit hatte Cro binnen 24 Stunden nicht 130.000, sondern lediglich
40.000 „Einheiten“ des neuen Albums verkauft, wie die GfK-Website, die über die
realen Verkäufe Statistik führt, bewies. Also gar kein Gold für Cro? Alles
Lüge?Wie mans nimmt. Denn der BVMI läßt die Mogeleien zu. Er ermöglicht sie
sogar erst. Denn laut dessen Regelwerk werden die „Auslieferungen an die
jeweiligen Händler“ gezählt, sogenannte „Shippings“, nicht aber die tatsächlich
verkauften Tonträger. Der „Musikmarkt“ erklärt: „Es bleibt dem Label überlassen, ob es mit der Edelmetallmeldung
wartet, bis auch der Verkauf über das Handelspanel der GfK Entertainment
abgelesen werden kann, oder das Edelmetall beim BVMI bereits nach Auslieferung
beantragt. Da grundsätzlich das Risiko besteht, daß ausgelieferte Einheiten
doch nicht verkauft werden und der Bundesverband im schlechtesten Fall bei
entsprechender Retourenmenge Edelmetall aberkennen muss, warten Labels jedoch
häufig bis die entsprechende Anzahl an Verkäufen stattgefunden hat.“Chimperator hat jedoch nicht abgewartet, bis die für „Gold“ nötigen
130.000 Tonträger tatsächlich verkauft wurden, sondern hat nach deren
Auslieferung an den Handel bereits die „Gold“-Meldung herausposaunt. Um gute
Presse zu bekommen. Liest sich doch auch cool: 130.000 Menschen sollen also
binnen 24 Stunden das neue Cro-„Werk“ gekauft haben. Toll! Nur eben leider
nicht die Wahrheit. Nur die Wahrheit der deutschen Musikindustrie – wenn man
wie Chimperator und Dieter Gorny rechnet, sind 40.000 eben 130.000 und 2 mal 2
ergibt 5.

Allerdings: sowas kann einer Plattenfirma auch schon mal auf die Füße
fallen. WEA hatte 2002 gar „Platin“ für das neue Album ihres Künstlers Marius
Müller-Westernhagen gemeldet, wozu seinerzeit 300.000 verkaufte Tonträger nötig
waren. Die allerdings nicht binnen Jahresfrist verkauft worden waren. Die
Verleihung der „Platin-Schallplatte“ durch WEA war also nur ein Werbegag, um
die Presse von Westernhagens Konkurrenten Herbert Grönemeyer abzulenken.
WEA-Marketingleiter Hans-Otto Villwock ließ seinerzeit verlauten: „Die Platin-Verleihung wurde angesetzt, um
in den Medien Aufmerksamkeit zu erlangen."

Und die Lehre aus dieser Geschichte? Um es mit Kanye West zu sagen:
Bitte glauben Sie Plattenfirmen nichts, aber auch wirklich gar nichts!

29.06.2014

Cro und seine privilegierte Positionslosigkeit

„Ich finde einen Cro
mit seiner privilegierten Positionslosigkeit, der mit einem Lied über
Verantwortungslosigkeit bekannt wurde, während das Privatfernsehen entlang von
Teenagerschwangershaften auf das Präkariat spuckt, mindestens genauso abstoßend
wie einen Kollegah, der ein größenwahnsinniger neoliberaler Kapitalist ist und
aus jeder Scheiße Geld macht ohne auch nur ansatzweise bezüglich seiner
Diskursrevelanz einsichtig  zu scheint.“Sookee im Interview mit „Freitag“

29.06.2014

Musik und Freiräume

„Früher gab es dieses
Glück, immer wieder: Freiräume entdecken zu können und sich in ihnen aufhalten
zu dürfen. Musik.
Es ist grauenhaft, daß diese Freiräume mittlerweile von den Akademikern besetzt
worden sind. Sie handeln Popkultur ab, als wäre sie ein zu sezierendes, totes
Stück Fleisch. Man kennt ihn doch, diesen typischen Doktorandenarsch in
schlechtsitzender Jeans, der in irgendwelchen Fakultäten hockt und dämliche
Bücher beim Schlaumeierverlag rausbringt.“Reverend Dabeler

20.06.2014

GEMA und Fête de la Musique

Seit 1995 ist
die Fête de la Musique in Berlin eines der schönsten Feste, die man kostenlos
unter freiem Himmel erleben kann. Bekannte (dieses Jahr u.a. Element of Crime
oder Caribou) und unbekannte Bands, Straßenmusiker, Kinderchöre oder
Nachwuchsbands treten auf zahlreichen Bühnen in der ganzen Stadt ohne Gage auf.
Die Fête de la Musique ist eine Idee der 80er Jahre, als in Frankreich der
legendäre Kulturminister Jack Lang verschiedene Möglichkeiten auslotete, die
Popkultur in der Gesellschaft zu verankern und den MusikerInnen
Auftrittsmöglichkeiten, aber auch bessere soziale Bedingungen zu verschaffen.
Es ging und geht auch um das Bespielen, die „Eroberung“ öffentlicher Orte – in
einer Zeit, in der praktisch jedes Konzert zu einem kommerziellen „Event“
hochgeblasen wird, für das viel Geld zu bezahlen ist, ein umso wertvollerer
Gedanke; zuletzt nahmen über 120.000 Besucher an der Berliner Fête de la
Musique teil.Es könnte alles
so schön sein – wenn, ja, wenn es nicht die GEMA gäbe, diese undemokratische
Vereinigung zur Bereicherung einiger Weniger und zur Verhinderung von Musik.
Denn die einzige Institution, die seit jeher bei der Fête de la Musique eifrig
zur Kasse bittet, ist die GEMA. Und dieses Jahr hat die GEMA die Tarife für die
vom Land Berlin unterstützte, nicht-kommerzielle Veranstaltung um sage und
schreibe 60% erhöht. Irgendwie müssen halt die astronomischen Gehälter der
GEMA-Vorstände finanziert werden – GEMA-Chef Hecker z.B. verdient knapp eine
halbe Million Euro jährlich. Und wenn man dadurch die Zukunft der Fête de la
Musique gefährdet? In Potsdam beispielsweise mußte die Fête dieses Jahr bereits
abgesagt werden, die höheren GEMA-Gebühren konnten die Veranstalter nicht mehr
bezahlen. Aber so etwas ist dem Verein zur Verhinderung von Musik namens GEMA naturgemäß
völlig egal. Alle Versuche einer Sonderregelung wurden abgelehnt – während in
Frankreich die dortige Verwertungsgesellschaft Sacem der Fête die Gebühren
erlassen hat, weil die Veranstaltung dem kulturellen Austausch, der Bildung und
der Nachwuchsförderung dient, sitzt die GEMA wie üblich auf ihrem hohen Roß.
Ekelhaft. Die GEMA-Funktionäre tun wirklich alles dafür, sich die BürgerInnen
zum Feind zu machen. Besonders pikant: nur etwa 10 Prozent der an der Fête
teilnehmenden Künstler spielen überhaupt Gema-pflichtige Musiktitel...(Infos auch aus
Anne Lena Möskens Artikel in der „Berliner Zeitung“ vom 20.6.2014)

18.06.2014

Cro über Sponsoring und BS

Im Januar diesen Jahres erschien im Feuilleton der „Stuttgarter Zeitung“
ein großes Interview, das Jan Georg Plavec mit mir führte und das in Stuttgart
ein wenig Furore machte, wie die Zeitung selbst sagt. Unter anderem befragte
der Redakteur mich natürlich, soviel Lokalpatriotismus darf ja auch gerne sein,
ausführlich zu meiner in meinem Buch „Das Geschäft mit der Musik“ und in meinen
Live-Auftritten geäußerten Kritik am Pandarapper Cro als Werbeträger für
praktisch alles, was dafür Geld bezahlt.http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.berthold-seliger-im-interview-d...

Nun hat Plavec ein großes Interview mit Cro geführt, und ihn auch auf
seine Werbedeals angesprochen. Diese Interviewpassage ist so schön, daß ich Sie
Ihnen nicht vorenthalten möchte:

„Jetzt zu ein bisschen Kritik. Der Konzertveranstalter
Berthold Seliger hat vergangenes Jahr ein Buch über die Probleme der
Musikindustrie geschrieben. Im Interview hat er mir unter anderem gesagt: Wenn
vor zehn Jahren einer für H&M, McDonald’s und Axe Werbung gemacht hätte,
wäre der unten durch gewesen und künstlerisch nicht mehr glaubwürdig. Er hat
dich gemeint.
Es gibt zwei Typen von Menschen. Die einen sagen: Na gut, dann hängt er halt
auf nem Plakat in der Stadt. Die anderen sagen: „Sellout! Du verrätst du
Kultur!“ Ich zähle zur ersten Gruppe. Bei H&M dachte ich: Geil, ich bin
Modedesigner und habe die Chance, mit denen eine Modekollektion zu machen. Was
geht, ist doch super.Was ist mit McDonald’s?Schmeckt irre gut und war ein witziges Konzept.Axe?Die Axe-Kampagne wirbt natürlich für ein Produkt, aber eben auch für Frieden.Dein Album wird mit dem
„Red Bull Tag am See“ präsentiert. Berthold Seliger wird bei der Vorstellung
vermutlich schlecht, dass ein Energy-Drink einer Album-Releaseparty den Namen
leiht.Wir wollten schon zum ersten Album mit einem Boot über den Neckar fahren und
Konzerte spielen. Leider machen einem da Behörden leicht einen Strich durch die
Rechnung. Jetzt kommen unsere Kumpels von Red Bull und sagen: wenn ihr was
machen wollt, wir kriegen es hin. Die haben uns den Tag am See ermöglicht. Voll
geil. Es geht darum, dass wir machen, was wir machen wollen. Wie kann man
dagegen sein? Klar man kann auch ein Buch schreiben, alles scheiße finden und
immer nur meckern oder zu einem Interview mit einem Veranstalter, in dem einmal
mein Name fällt, als Aufhänger ein Cro-Foto posten, damit mehr Leute drauf
klicken. Ich finde das schräg. Man kann ja nicht gegen alles sein.Indie-Haltung halt.Was ist daran denn Indie? Indie ist, was wir alles abgesagt haben. Hier kommen
zwei Angebote die Woche rein, für die andere alles machen würden. Indie ist
zehn Jahre buckeln ohne Geld zu sehen und dann ohne Major-Label Doppelplatin
holen und die Schleyer-Halle ausverkaufen.“

Toll, oder?Allerdings bin ich noch ein wenig unschlüssig, welche Zeile des
schwäbischen Panda-Muttersöhnchens ich schöner finde – daß McDonalds „irre gut
schmeckt“, oder daß „man ja nicht gegen alles sein kann“...

18.06.2014

Jan Delay über Jürgen Vogel

„Neulich hab ich
irgendeinen Film mit Jürgen Vogel gesehen. Und dann denk ich automatisch:
McDonald’s! Ich kann den nicht mehr ernstnehmen, ich denke nur: Big Mac!
Apfeltasche!“Jan Delay (im Interview mit „Spex“)

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