03.03.2015

Kinky Friedman über Politiker

Es gibt aber schon tolle Interviews mit Musikern, manchmal. Franz Dobler
hat im Mai 2013 ein Interview mit dem jüdischen, texanischen Krimiautor und
Countrysänger Kinky Friedman geführt, das ebenso interessant und klug und
vergnüglich ist und wahrscheinlich deswegen auch noch nie veröffentlicht wurde,
denn Musikjournalismus hierzulande hat ja nicht interessant und nicht klug und
keineswegs vergnüglich zu sein, jedenfalls bloß nicht alles gleichzeitig. Jetzt
aber hat Dobler, der beste deutsche Krimiautor unserer Tage („Ein Bulle im
Zug“, unbedingte Kaufempfehlung!), das Gespräch mit Kinky Friedman auf seinem
Block veröffentlicht. Danke!

„Die größten Komiker von allen sind diese
Politiker. Denn jedes Mal, wenn sie ein Gesetz rausbringen, wird ein Witz
daraus, und wenn sie einen Witz machen, wird ein Gesetz daraus, that´s a
problem.”

03.03.2015

SZ und gekaufter Journalismus

Gekaufter Journalismus in deutschen Qualitätszeitungen? Zugegeben: uns
wundert wirklich nichts mehr, insofern ist es keine wirkliche Überraschung, was
der ehemalige Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Sebastian Heiser, jetzt
veröffentlicht hat: Die SZ habe laut „Meedia“ „auf Sonderthemen-Seiten konsequent Redaktion und Werbung vermischt und
sogar Anleitungen zur Steuerhinterziehung veröffentlicht“ – Letzteres
besonders pikant angesichts der „Swiss-Leaks“-Enthüllungen von „SZ“ und NDR.

Die Themen der Sonderseiten der „Süddeutschen Zeitung“ seien „danach ausgesucht worden, welcher
Anzeigenkunde das meiste Geld zahlt“, so „Meedia“, die Heiser so zitieren: „Rein kommen die Themen, für die Anzeigen
geschaltet werden. Die Daumenregel: Für jede viertelseitige Anzeige (Kosten
damals: rund 20.000 Euro) erscheint eine Seite über dieses Thema.“
Überraschend? Fast alle deutschen Musikzeitschriften funktionieren so. Aber der
süddeutsche Leuchtturmjournalismus? Doch warum sollte eine Zeitung, deren
Außenpolitikchef dezidiert US-nah, NATO-treu und Bundeswehr-freundlich schreibt
und eben Präsidiumsmitglied der „Deutschen Atlantischen Gesellschaft“ ist,
einer Lobbyorganisation der NATO, plötzlich an anderen Stellen Journalismus und
Geschäft oder Lobbyismus auseinanderhalten?

(hübsche öffentlich-rechtliche Randnotiz: Die „Panorama“- und
„Zapp“-Moderatorin Anja Reschke hat auf Twitter geschrieben: „2007 Redakteur bei der SZ – jetzt der
Skandal? Ich frage mich, warum der Autor 8 ganze Jahre gewartet hat, um
#szleaks zu enthüllen“. Heiser dokumentiert daraufhin laut „Perlentaucher“
auf seinem Blog eine Mail aus dem Jahr 2009, in dem er just dieser Anja Reschke
just dieses Thema anbot, aber just diese Anja Reschke sich nicht dafür
interessiert hat... Touché! Reschkes NDR betreibt übrigens seit geraumer Zeit
einen sogenannten „Rechercheverbund“ mit WDR und „Süddeutscher Zeitung“...)

(unschöne alternative Randnotiz: ein paar Tage, nachdem ich das oben
geschrieben habe, stellt sich heraus, daß ein taz-Redakteur die Computer seiner
Kollegen per Keylogger abgehorcht hat – laut „Welt“ handelt es sich um
Sebastian Heiser. Was ziemlich widerlich ist, wenn es sich bestätigen sollte.
Aber nichts am oben gesagten ändert...)

03.03.2015

SZ im Internet?

Gerade lese ich, daß die „Süddeutsche“ künftig im Internet
kostenpflichtig wird. Ach, die Süddeutsche ist im Internet? Echt jetzt?

03.03.2015

Panda Bear in der BILDzeitung

Und in der „Jungle World“ wird darüber berichtet, daß der ziemlich
großartige US-Musiker, der sich „Panda Bear“ nennt und „in subkulturellen
Kreisen seit Jahren gefeiert wird“, plötzlich auf der Website der Blödzeitung
mit seinem neuen Album „Panda Bear meets the Grim Reaper“ ausführlich
porträtiert wird. Es ist „irgendeine Form der Medienkooperation, die ‚Bild’ mit
dem ‚Rolling Stone’ eingegangen ist“, so die „Jungle World“. Nein, liebe
Freunde und Kollegen, das Dingens ist nicht „irgendeine Form der
Medienkooperation“, sondern es ist alles eins: Denn die Blödzeitung wird ebenso
wie der „Rolling Stone“ vom Axel-Springer-Verlag herausgegeben, dem Verlag
jenes Verlegers, dessen „Enteignung“ ein Peter Schneider im Februar vor 45
Jahren auf einem „Springer-Tribunal“ forderte, damals warf man der Blödzeitung
u.a. „Mißbrauch der Pressefreiheit zur Volksverhetzung“ vor – heute, in Zeiten
der Verfeinerung des Kapitalismus und seiner Praktiken, tauchen Mitglieder des
Animal Collective in der Blödzeitung auf, weil die Kapitalisten gelernt haben,
daß jede noch so radikale Subkultur unter kommerziellen Gesichtspunkten
vereinnahmt werden sollte. Denn das erleichtert die Zustimmung aller zu allem.

03.03.2015

Selma und das Copyright

Der Film „Selma“ ruft einen der großen Märsche der amerikanischen
Bürgerrechtsbewegung in Erinnerung, den die Aktivisten für das Wahlrecht von
afroamerikanischen BürgerInnen organisiert hatten, der von weißen Polizisten
brutal niedergeknüppelt wurde und als „Bloody Sunday“ weltweit in die
Schlagzeilen geriet – ich beschreibe das in meinem Buch „Das Geschäft mit der
Musik“ ausführlich.

Die Reden die der Bürgerrechtler Martin Luther King anläßlich der
Protestmärsche und Demonstrationen in Selma und Montgomery im März vor fünfzig
Jahren gehalten hat, konnten in dem Film jedoch nicht verwendet werden, es sind
nur fiktive, „nachempfundene“ Redebeiträge zu sehen. Warum das so ist? Es hat
mit der verdammten Rechtehaberei, dem Copyright zu tun. Laut „FAZ“ hat Steven
Spielberg sich die Rechte an allen Reden von Martin Luther King gesichert und
will sie nicht freigeben, bis er seinen eigenen Film über King gedreht hat – in
dem er die Reden des Bürgerrechtlers exklusiv verwenden möchte.

Nun ist Martin Luther King’s legendäre „I Have A Dream“-Rede eines der
wichtigsten historischen Dokumente der US-amerikanischen Geschichte. Doch Sie
werden keine komplette Dokumentation der Rede finden, weder auf Video im Netz,
noch als Audiofile, nicht einmal im digitalen Archiv des „King Center“. Wenn
Sie diese politische Rede legal ansehen wollen, müssen Sie sich für 20 Dollar
eine DVD kaufen. Und das hat damit zu tun, daß „King Estate“ und „EMI
Publishing“ die Weltrechte an dieser Rede und an ihrer „recorded performance“,
also an der Aufnahme der „Aufführung“, halten. Laut Angaben in einem
interessanten Artikel auf „Vice“ war der King-„Katalog“ einer der ersten
nicht-musikalischen Rechtekataloge, die EMI Publishing erworben hat (heute
dürfte der Katalog zu Sony gehören, da EMI bekanntlich unter die anderen
Großkonzerne der Tonträgerindustrie aufgeteilt wurde).

Natürlich wäre eine der wichtigsten politischen Reden des 20.
Jahrhunderts das ideale Beispiel, an dem man illustrieren kann, daß solche
Reden „public domain“, also gemeinfrei sein müssen. So entsteht die perverse
Situation, daß die Rede Kings in keiner Dokumentation und in keinem Spielfilm
über die US-Bürgerrechtsbewegung vorkommen darf. Und wer entscheidet darüber,
wo sie gezeigt werden darf? Traurige Pointe: der weiße Mann. Steven Spielberg.
Ob Martin Luther King dafür seinen politische Kampf gekämpft hat?

03.03.2015

Peymann, GRönemeyer & die Lottogelder

Was machen Claus Peymann und Robert Wilson und Herbert Grönemeyer?
Lassen sich zusätzlich zu den ohnedies beträchtlichen öffentlichen Subventionen
für das Berliner Ensemble von der Lottostiftung ca. 848.000 für eine geplante
Luxus-Produktion überweisen. So sind sie, die Leute und die Zeiten: Die unteren
Schichten und die absteigende Mittelschicht spielt Lotto. Und die Günstlinge
der öffentlichen Kassen, selbst Millionäre, profitieren davon.

03.03.2015

Piwitt & Boheme

Daß alles doch einmal etwas anders war, zeigt der Altersgenosse
Peymanns, der Schriftsteller Hermann Peter Piwitt. In seinem Essayband „Das
Bein des Bergmanns Wu“ von 1971, vergriffen und nur noch antiquarisch zu
bekommen, schildert Piwitt „kristallin
klar und hochmusikalisch Erlebnisse mit Vermietern, Maklern und anderen
kerndeutschen Raumzuteilungsbevollmächtigten“ (Dietmar Dath, „FAZ“),
skizziert „Steckbriefe der besitzenden
Gattung“: „Da äußern sich dieselben Monster, die dreißig Jahre vorher Menschen
per Denunziation in Lebensgefahr brachten; die nämlichen, die heute mit dem
Smartphone nichtgetrennten Hausmüll im Hinterhof fotografieren, für später, vor
Gericht“ (nochmal Dietmar Dath). Natürlich wird man mit solcherart hervorragender
Literatur in diesem unseren Lande kein Erfolgsschriftsteller, und so sind
jetzt, an seinem achtzigsten Geburtstag, die meisten seiner Werke vergriffen
und werden nicht mehr neu aufgelegt. Doch wenn Sie irgendwo einen der kleinen
Bände von Hermann Peter Piwitt aufspüren können, bitte überlegen Sie nicht
zweimal, sondern greifen Sie zu – Piwitt zu lesen ist ein so köstliches und
anregendes Vergnügen, wie Bratsch zu hören! Sie werden es nicht bereuen, das
eine nicht und das andere natürlich auch nicht.

„Die Boheme mag
verzweifeltere, exzentrischere, verkümmertere Blüten treiben. Aber das
Unbürgerliche ist nur eine Ausbuchtung des Bürgerlichen, nicht seine Negation.“ (Piwitt)

03.03.2015

Satire und Berlins Olympiabewerbung

Satire? Darf hierzulande schon sein, und in ihren Sonntagsreden waren
alle Politiker Charlie, klar. Aber natürlich gilt das nur, solange die Satire
keinen Ärger macht, dann will man sie doch lieber rasch verbieten. So, wie
jetzt der Berliner Senat, der einen Blog verbieten will, der eine gefälschte
Olympia-Kampagne mit Motiven aus der NS-Zeit veröffentlicht hat. Der Berliner
Senat (SPD und CDU) findet das nicht witzig und läßt die Blogger abmahnen. Denn
Satire darf laut Berliner Senat zwar alles, aber natürlich nur das, was die
Obrigkeit erlaubt.

Der Senat ließ den Blog laut „taz“ wegen „wahrheitswidriger
Behauptungen“ abmahnen, denn es werde behauptet, daß die auf dem Blog
veröffentlichten Plakate „Motive der Olympiakampagne seien“. Interessant, daß
der Berliner Senat offensichtlich den Betrachter nicht zutraut, Motive der
Nazi-Olympiade 1936, z.B. mit Jungen in HJ-Uniform, von Motiven des Berliner
Senats 2014 unterscheiden zu können – entweder sind also die Unterschiede
tatsächlich nicht besonders groß – eben alles Propaganda, hier wie dort... –
oder der Berliner Senat hält die BürgerInnen der Hauptstadt für doof. Beides
spricht nicht gerade für den Berliner Senat, der offensichtlich mit allen
Mitteln versucht, jede Kritik an der Berliner Olympia-Bewerbung im Keim zu
ersticken. Also doch ein bißchen wie 1936...

Dazu paßt, daß der Berliner Senat aus SPD und CDU entschieden hat, daß
Ausländer an der geplanten Olympia-Volksbefragung nicht teilnehmen dürfen. Das
Brandenburger Tor leuchtet olympisch, aber etwa eine halbe Million in Berlin
lebender Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit werden von der
Mitbestimmung über sie angehende Angelegenheiten ausgeschlossen, man habe
„keinen Präzedenzfall schaffen wollen“, daß Ausländer einbezogen werden, wird
die CDU in der „Berliner Zeitung“ zitiert, und die SPD lenkte ein, auch ihr
waren die nichtdeutschen BerlinerInnen nicht wichtig. Weltoffene Großstadt?
Nein, reaktionäres Provinznest, zumindest was die einschlägigen Dorfpolitiker
angeht. Wo der Kulturstaatssekretär 100 Kulturschaffende einlädt, „Olympia
anders zu denken“, denn, so Renner an die Adresse der Kulturschaffenden: „Daß Berlin als Olympiastadt interessant
ist, liegt an euch!“ Und was ist dabei herausgekommen? Der Vorschlag, daß „Obdachlose kostenlose Eintrittskarten zu
den Wettbewerben erhalten sollen“. Im Ernst.

Seit wann vergibt das IOC seine Spiele in Provinznester?

03.03.2015

Hitlers Mein Kampf erscheint 2016! Und Spiegel-Titelstories

Hitlers „Mein Kampf“: „Kommentierte
Ausgabe soll 2016 erscheinen“, raunt „Spiegel Online“. Das wird für den
„Spiegel“ ein Fest werden! Da können sie dann wieder etliche
Hitler-Titelstories produzieren und endlich wieder ungehemmt Deutschland mit
Hitler-Postern überschwemmen.

Bis dahin müssen sie sich mit Ai Weiwei als Posterboy begnügen und mit
langweilig-barmenden Titelgeschichten wie „Nullzins
und Euroschwäche: Wohin mit dem Geld? Strategien gegen den Anlagenotstand“.
Denn das ist natürlich der eigentliche Notstand der Welt der deutschen
Mittelschicht und eines ihrer Amtsblätter: Nicht die Armut der Arbeitslosen in
Griechenland oder Spanien. Nicht das massenhafte Sterben von afrikanischen
Flüchtlingen im Mittelmeer. Nicht das Elend im kurdischen Kobane und nicht das
Schicksal der ausgebeuteten Fabrikarbeiterinnen in Südostasien. Nein, das
eigentliche Problem ist eben der „Anlagenotstand“, also „wohin mit dem Geld?“ Dabei bietet der „Spiegel“ in seiner
nämlichen Ausgabe doch jede Menge Vorschläge, gleich auf den Seiten 2 und 3
findet sich eine doppelseitige Anzeige von „Audi“ für den A6. Gefolgt von einer
großen Anzeige von „Ford“. Gefolgt von einer großen Anzeige von „KIA“. Gefolgt
von einer ganzseitigen Anzeige von „Union Invest“ („Geld anlegen klargemacht“,
hat todsicher nichts mit der Titelgeschichte zu tun...), gefolgt von einer
ganzseitigen Anzeige von „Mercedes-Benz“ undsoweiter undsofort. Wohin mit dem
Geld? Konsum ist die Antwort. War doch klar, liebe Qualitätsjournalisten vom
„Spiegel“, dafür hättet ihr doch nicht extra ne Titelstory schreiben müssen,
ein kleines Interview mit eurer Anzeigenabteilung hätte auch gereicht.

(Wollen wir wetten, daß ich mich hiermit um eine „Spiegel“-Rezension
meines neuen Buches gebracht habe?...)

03.03.2015

Wer verdient am Streaming?

Wer profitiert von den Streamingdiensten, wer profitiert von Spotify
& Co? Die Musiker, ich habe es schon oft erwähnt, barmen und wimmern: „Wenn
man nicht Rihanna ist, ist Streaming unfair“ (Tubbe). Klar, die einen verkaufen
mehr Streams als die anderen, nur: das Honorar pro Stream ist immer das
gleiche. Aber würden sich Musiker hinstellen und behaupten; „Wenn man nicht
Rihanna ist, sind CDs unfair“? Wohl eher nicht, das wäre dann doch zu doof.

Jetzt hat der französische Musikindustrieverband SNEP bei Ernst &
Young eine Studie in Auftrag gegeben und bezahlt, in der ausführlich analysiert
wird, wer denn nun was verdient am Streaming. Die Zahlen sind aus Frankreich
und können nicht im Detail auf andere Länder übertragen werden, allein schon
wegen unterschiedlicher Relevanz des Streamings, aber auch wegen
unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze u.a.m. Wohl aber kann der Gesamttrend
hochgerechnet werden, und der ist eindeutig: Neben den „MusikkonsumentInnen“
(also den Musikhörern, die Musik bei Streamingdiensten hören) sind die
Großkonzerne der Musikindustrie, die Majorlabels und die großen Musikverlage,
die Hauptprofiteure des Musikstreamings. Dagegen bekommen weder die
MusikerInnen noch die UrheberInnen einen nennenswerten Teil vom Kuchen ab, was
zum einen an mangelhafter gesetzlicher Regelung, zum anderen und vor allem aber
an für Musiker sehr ungünstigen Verträgen mit ihren Labels liegt. Und die
Streamingdienste arbeiten übrigens auch (noch?) nicht profitabel.

Wie gesagt, man muß die Ergebnisse der Studie genau betrachten und mit
Vorsicht verwenden. Und die Zahlen, die von den Medien sofort verbreitet
wurden, geben nur unzureichend Auskunft über das, was wirklich passiert, denn
was dabei in aller Regel nicht berücksichtigt wird, sind zwei Faktoren: Zum
einen hat die Studie nur die Einnahmen von Premium-Abos untersucht, die z.B.
von Spotify oder Deezer für 9,99 Euro monatlich angeboten werden; die Einnahmen
aus den mit Werbung finanzierten kostenlosen oder den billigeren Abos wurden
nicht berücksichtigt. Aber selbst bei Betrachtung der Premium-Abos ergeben sich
interessante Zahlen, die der Wiener Musikwirtschaftsforscher Peter Tschmuck in
seinem Blog so zusammengefaßt hat:

Wenn eine MusikliebhaberIn in Frankreich pro Monat EUR 9,99
an Spotify oder ähnliche Dienste bezahlt, dann verbleiben davon EUR 2,08 beim
Streamingdienst selbst. EUR 1,67  gehen
an den Fiskus vor allem in Form von Umsatzsteuer. Die verbleibenden EUR 6,24
werden an die Rechteinhaber ausgeschüttet. Den größten Teil – und zwar 73,1
Prozent oder EUR 4,56 – erhalten die Labels, die i.d.R. auch den Anteil der
InterpretInnen von EUR 0,68 an diese auszahlen. Die verbleibenden EUR 1,00
erhalten die UrheberInnen und Verlage über die Verwertungsgesellschaften.

Besonders wichtig scheinen mir dabei die von Tschmuck
verwendeten Prozentzahlen, denn die realen Zahlen können sich ja ständig
ändern, allein schon durch die unterschiedliche Menge an gestreamten Tracks
oder der Streaming-Abonnenten. Genau: Die Plattenfirmen und Verlage behalten den Großteil
der Streaming-Einnahmen, und sie geben den KünstlerInnen nur ein paar Brotkrumen
ab. Das ist nichts Neues, das ist das, was wir erwartet haben, jetzt aber ist
es durch eine Untersuchung der Musikindustrie zweifelsfrei ans Tageslicht
gekommen.

Bitte bitte, liebe KünstlerInnen und UrheberInnen: Wenn ihr
euch zukünftig über zu geringe Streaming-Einnahmen beschwert, beklagt euch
bitte nicht über Spotify & Co, sondern über eure Plattenfirmen und Verlage,
die prima Profit mit Streaming machen und euch davon nichts abgeben! Der
Musiker Dieter Meier (Yellow) hat letztes Jahr eine Art Musikergewerkschaft,
eine „United Artists“ gefordert, damit MusikerInnen endlich gerecht bezahlt
werden – angesichts der neuen Zahlen, die einmal mehr beweisen, wie Musiker von
der Musikindustrie übers Ohr gehauen werden, scheint diese Forderung wichtiger
denn je.

(den immer lesenswerten Blog „Musikwirtschaftsforschung“ der
Internationalen Gesellschaft für Musikwirtschaftsforschung in Wien findet man hier).

03.03.2015

Hunter S. Thompson über Plattenfirmen

Wobei das alles natürlich nichts Neues ist und schon immer so war.Der große Hunter S. Thompson schreibt 1966 in einem Brief:

„Heute Abend habe ich mit einem noch unausgegorenen verfluchten Ding
über die Plattenindustrie angefangen … Ich hatte das Cover des Blues Project Albums
vor mir und stellte fest, daß keiner der beteiligten Musiker auch nur irgendwo
genannt wird … der Name des ‚Produzenten’ dagegen steht in großen Lettern auf
der Rückseite, darunter vier, fünf weitere Namen … Luschen, Koksnasen und was sonst noch für Wichtigtuer, die ihre zehn
Prozent Anteil kassieren und anscheinend mehr zu sagen haben als die Musiker,
die das Album eingespielt haben; denn sie haben es geschafft, namentlich
genannt zu werden.“

Schon damals: the same old
shit...

(das herrliche Buch „Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten –
Gonzo-Bruefe 1958-1976“ von Hunter S. Thompson ist dieser Tage bei Edition
Tiamat erschienen, eine Hörbuchfassung mit der wunderbaren Sophie Rois ist in Vorbereitung;
Disclaimer: bei „Edition Tiamat“ erscheinen auch meine Bücher...)

03.02.2015

Urheberrecht goes Karneval

Auch der
Urheberrechtswahnsinn feiert Karneval. Das US-Popsternchen Taylor Swift hat
sich gerade Floskeln aus seinen aktuellen Songtexten markenrechtlich schützen
lassen, Halbsätze und Allgemeinplätze wie „Nice to meet you. Where you been?“
oder „This sick beat“. Wenn Sie also planen sollten, auf den Pappbechern ihrer
nächsten Karnevalsparty „nice to meet you“ zu drucken, vergessen Sie’s. Oder
fragen Sie Taylor Swift, was das kosten soll.

Doch auch der
Suhrkamp-Verlag macht bei dem elenden Spiel, bei der dumpfen Rechtehaberei
unserer Tage mit und läßt Frank Castorfs Münchner Inszenierung von Brechts
„Baal“ im Nahmen der Brecht-Erben flugs verbieten. Es ist übrigens nicht das
erste Mal Kummer mit Baal: Die Dichter-Witwe Helene Weigel hatte bereits 1970
eine „Baal“-Verfilmung von Volker Schlöndorff noch am Tag der Erstausstrahlung
in der ARD verbieten lassen – den Film, in dem Rainer Werner Fassbinder das
erste Mal als Filmschauspieler auftritt. Und Brecht-Erbin Barbara Schall-Brecht
schreib noch 2002 zu diesem Film: „Zu
Recht hat meine Mutter dieses Machwerk mit einem Bann belegt.“ Erst letztes
Jahr konnte Schlöndorffs „Baal“ endlich in Kinos gezeigt werden, eine
DVD-Ausgabe erschien. Wahrscheinlich hat es mit dem Frühwerk Brechts an sich zu
tun: Der junge Brecht ist eben näher an François Villon und noch nicht der
Säulenheilige des „Berliner Ensembles“.

Aber man darf sich das
ruhig auf der Zunge zergehen lassen: Die Erben des Kommunisten Brecht, der sich
selbst eine „grundsätzliche Laxheit in
Fragen geistigen Eigentums“ attestiert hat, lassen eine moderne Version des
Theaterstücks verbieten, und der Renommierverlag des deutschen
Intellektualismus sorgt für die Zensur der Kunst. So ist das eben mit der
Zensur hierzulande, das ist der Unterschied zu anderen Weltgegenden:
Hierzulande zensiert nicht mehr der Staat, nein, das erledigen im Kapitalismus
die Firmen im Auftrag durchgeknallter ErbInnen gleich selber.

Sorry, aber ich muß schnell los zum Patentamt, ich will mir
den Ausdruck „Alles Idioten“ urheberrechtlich schützen lassen – mir scheint,
damit läßt sich angesichts der Weltlage so einiges verdienen...

03.02.2015

Ai Weiwei und Till Schweiger

Es ist Karneval: Gerade
erfahren wir, daß Til Schweiger einen Film mit Ai Weiwei drehen wird. Arsch und
Eimer sozusagen. Wird sicher eine schön doofe Komödie werden. Fast würde ich
wetten wollen, daß es dafür auch prächtige deutsche Filmförderungsgelder gibt.

03.02.2015

Die Deutsche Post AG geht ins Reisebusiness

Die „Deutsche Post AG“ will künftig kräftig im Reisegeschäft mitmischen,
im Januar wurde bekannt, daß der Postkonzern Österreichs größten
Reiseveranstalter „Eurotours“ gekauft hat. Ganz schön sportlich, finde ich,
eine irgendwie ziemlich mutige Entscheidung der Deutschen Post AG. Ich meine,
bisher hatten der privatisierte Postkonzern und seine Tochterunternehmen wie
DHL schon ganz schön Mühe, einigermaßen unfallfrei Briefe und Pakete in einer
Frist zuzustellen, die nur wenig mehr als doppelt so lang und halb so
zuverlässig war wie die Zustellung zur Postkutschenzeit im 17. und 18.
Jahrhundert.

Hatte man bislang so seine Probleme mit Briefen, Päckchen und Paketen,
so will die Deutsche Post AG künftig Menschen auf Berlin-Besuche, auf
Kreuzfahrten in die Ägäis, auf Wellness-Tage an der Ostsee oder gar nach
Vietnam verschicken. Ob das mal gutgeht. Denn stellen wir uns das mal vor, wie
es ist, wenn die Leute mit der Deutschen Post AG verschickt werden: Mag ja
sein, die Post befördert die Reisenden an den jeweiligen Urlaubsort, und gehen
wir mal davon aus, daß die Beförderung nicht so lange dauert wie das Versenden
eines Briefes von einem in den anderen Stadtteil Berlins (gerne mal eine Woche
für zehn Kilometer), daß die Reisenden also vor dem Ende ihres Urlaubs bereits
am Reiseziel ankommen. Aber dann? Natürlich wird die Post die Reisenden nicht
ins gebuchte Hotel fahren, nein, man packt die Reisenden zwar in einen Bus, der
zu den Hotels fährt, dort aber springt der Fahrer nur schnell raus und wirft
eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten: „Ihre Urlaubsgäste sind da!
Leider haben wir Sie heute nicht persönlich angetroffen. Sie können Ihre
Urlaubsgäste bei der nächstgelegenen Postfiliale abholen, heute aber nicht,
erst morgen ab 9 Uhr.“ Und dann fährt der DHL-Fahrer die Reisenden in eine
nahegelegene Abholstation, wo die Hotels sie am nächsten Tag abholen können –
falls, ja falls man die richtigen Reisenden dann findet... Und wer sich
beschweren will, weil er zwar das Porto, äh, also die Fahrkarte bezahlt hat,
aber nie angekommen ist, der kann eine sogenannte Hotline anrufen, diese Rache von
Unternehmen an ihrer unzufriedenen und beschwerdeführenden Kundschaft. Dort
wird ihm dann bedeutet, daß alles seine Richtigkeit hat und er längst
angekommen ist. Was, Sie sind nicht angekommen, sondern sind noch in einer
Postverteilerstation? Das kann nicht sein, unser Zusteller hat hier
unterschrieben, daß er sie bereits zugestellt hat. Auf Wiederhören.“

Na, dann mal viel Spaß beim Urlaub mit der Post!

03.02.2015

FC 1:4 Bayern und die Diktaturen

Ebenfalls nicht so sehr mit Meinungs- und Pressefreiheit hat es der FC
Bayern, dieser topkapitalistische Fußballclub mit seinem kriminellen
Führungspersonal. Nachdem der Verein sein Wintertrainingslager wie üblich in
Katar absolviert hat, also in einem diktatorischen Land, das den islamistischen
Terror maßgeblich fördert, flog der FC Bayern direkt weiter zu einem „Freundschaftsspiel“
in der saudi-arabischen Scharia-Diktatur, das er sich fürstlich hat bezahlen
lassen, nämlich laut „FAZ“ mit einem „Millionenbetrag“. „Ich weiß schon länger, daß bei den Bayern Kommerz Ethik schlägt“,
sagt Theo Zwanziger, Vorstandsmitglied des Internationalen Fußball-Verbandes.
Im Zweifel stellen sich die Bayern laut Zwanziger „auf die Seite des Geldbeutels“. Organisiert wurde die Partie in
Riad von Volkswagen. „Audi ist Sponsor
und Anteilseigner bei der FC Bayern Fußball-AG“, merkt die „FAZ“ an.(wobei der Herrgott, und zwar natürlich „der unsere“, also der des
Abendlandes, ähem... der Herrgott solche Sünden zeitnah zu bestrafen pflegt,
etwa damit, daß der FC Bayern im ersten Pflichtspiel nach dem Diktaturen-Trip
vom VfL Wolfsburg gleich vorgeführt und regelrecht demontiert wurde. FC eins
vier Bayern. Wir freuen uns schon auf die Spiele gegen die spanischen
Topclubs...)

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